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Müller-Milanos glitzerndes Lebenswerk

Für die Premiere des 22. Weihnachtszirkus reiste der Direktor direkt aus dem Krankenhaus an. Es hat sich gelohnt.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Jeder, der schon mal ein Kind auf den Schultern sitzen hatte, weiß: Irgendwann kann der Nacken ganz schön schmerzen. Wie wird es sich wohl anfühlen, wenn man stattdessen einen 100-Kilo-Mann auf dem Kopf balanciert? Und gleichzeitig zwei weitere auf den Knien? Die Truppe Messoudi zeigt beim 22. Dresdner Weihnachtszirkus Handstandartistik aus einer anderen Dimension. Die drei Brüder und ihr Vater stammen aus Australien, haben schon Gastspiele in 35 Ländern hinter sich und wurden mit Auszeichnungen überhäuft. Kein Wunder, dass Mario Müller-Milano auf diese Jungs aufmerksam wurde und sie nach Dresden lotste.

Einsatz ohne Ende bewiesen am Mittwochabend sowohl die australischen Kraftpakete der Gruppe Messoudi...
Einsatz ohne Ende bewiesen am Mittwochabend sowohl die australischen Kraftpakete der Gruppe Messoudi... © Sven Ellger
...als auch Zirkusdirektor Mario Müller-Milano (M.), der mit dickem Fuß und ärztlicher Sondererlaubnis in die Manege hinkte.
...als auch Zirkusdirektor Mario Müller-Milano (M.), der mit dickem Fuß und ärztlicher Sondererlaubnis in die Manege hinkte. © Paul Kuchel

Das ganze Jahr über reist der 68-jährige Zirkusdirektor von einem internationalen Festival zum nächsten und sichert sich die besten Nummern für sein „Lebenswerk“, wie er es selbst nennt: den Weihnachtszirkus auf dem Festplatz an der Pieschener Allee. In diesem Jahr gönnte er seinem „Baby“ darüber hinaus 2 400 neue Stühle und ein gigantisches Zelt. Die Rede ist vom größten freitragenden Palastzirkuszelt der Welt. Und das alles für 19 Tage und 37 Vorstellungen. Kann man mal so machen.

Die ausverkaufte Premiere am Mittwochabend begann trotzdem mit einer Entschuldigung. Das neue Ticketsystem offenbarte noch Tücken, Plätze wurden doppelt vergeben. Es kam zu wilden Diskussionen und viel Gewusel zwischen den Stuhlreihen. Am Ende konnte jeder irgendwo sitzen, „aber da müssen wir noch an einigen Stellschrauben drehen“, wie Sprecher Dirk Porn am Donnerstag einräumte.

Kurz vor Beginn des Programms wurde das Zelt noch im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geweiht. Ob es daran lag oder doch an den wochenlangen Proben: Es folgte eine große, glitzernde Show, in der nur noch in der Manege gewuselt wurde. Spätestens, als Wolfgang Lauenburger seine Hunde kreuz und quer und übereinander springen ließ, waren die Besucher mittendrin in der Zauberwelt Zirkus. Erst vor wenigen Tagen hatte Lauenburgers Tochter mit den Hunden die RTL-Show „Das Supertalent“ gewonnen.

Apropos gewonnen. Man wurde das Gefühl nicht los, dass der Weg in den Weihnachtszirkus für Tiertrainer und Artisten nur über Gold oder wenigstens Silber beim Festival in Monte Carlo führt. In atemloser Geschwindigkeit folgte ein Höhepunkt dem anderen, musikalisch untermalt von einer 15-köpfigen Big Band, die ihren Platz in diesem Jahr oberhalb des Torbogens eingenommen hat. Ein akustischer Coup.

Mit meist strengem Blick verfolgte Müller-Milano die Show aus der ersten Reihe. Eigentlich hätte er stattdessen im Krankenhaus liegen müssen, wo er sich gerade von einer schweren Entzündung im linken Bein erholt. Die Ärzte machten eine Ausnahme. Erst tief in der Nacht sollte er wieder abgeholt werden. Und so konnte sich der Chef nach einer verpatzten Generalprobe am Vortag doch noch selbst von der Begeisterung seines Publikums überzeugen. Neben der Truppe Messoudi brillierten vor allem die Flying Heroes vom Russischen Staatszirkus und das Duo Sky Angels aus Usbekistan. Dazu kam ein etwas anstrengender Clown, der aussieht und durch die Manege hüpft wie ein Igel im Koffeinrausch, aber für einige Lacher sorgte.

Und was darf für Müller-Milano auch 2017 nicht fehlen? Die Tiere. Unter anderem sind diesmal Seelöwen und Elefanten dabei. Der Direktor wird nicht müde, zu betonen, dass die Darbietungen in seinen Shows nichts mit Tierquälerei zu tun hätten. „Ich lasse mir von denen nicht mein Renommee kaputtmachen, das ich mir über Jahre aufgebaut habe“, sagte Müller-Milano vor der Show. Mit „denen“ meinte er die Demonstranten, die schon seit dem späten Nachmittag vor dem Zelt mit Plakaten, Liedern und Reden gegen Wildtiere im Zirkus protestierten. Auf der anderen Straßenseite postierte sich währendessen eine Handvoll Tier-Befürworter älteren Semesters. Der ewige Konflikt muss in anderen Arenen gelöst werden. In dieser hier wird ein Lebenswerk gefeiert.

www.dwc.show