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Motivierte Flüchtlinge

Über 15 Schüler haben bei Siemens eine Einstiegsqualifikation gemeistert. Bei manchen stand das Ziel auf der Kippe.

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© DA-Archiv/Dietmar Thomas

Von Maria Fricke

Döbeln. Mohammed Hooshow hat es geschafft. Er ist einer von 16 Flüchtlingen, die im Ausbildungszentrum Siemens Professional Education in Chemnitz eine Einstiegsqualifikation gemeistert haben. Stolz den Angehörigen berichten, dass er die Förderklasse abgeschlossen hat, kann Hooshow nicht. „Seit Monaten habe ich keinen Kontakt zu meiner Familie in Somalia“, berichtet der junge Mann. Das Internet gehe dort nur schlecht und sei auch sehr teuer. Wie Medien berichten, sei durch ein Schiff ein Kabel zerstört worden, das das Land vom Netz trennt.

Noch immer herrsche Krieg in seiner Heimat. Mindestens 16 Menschen kamen bei einem Selbstmordanschlag im Juni in der Hauptstadt Mogadischu ums Leben. Dazu eine Trockenperiode, die die Menschen hungern lässt. „In meiner Heimat gibt es keine Möglichkeit zu arbeiten“, sagt der 18-Jährige. In Deutschland soll sich das ändern.

Doch das war nicht der Hauptgrund, warum er 2015 allein Somalia verlassen hatte. Er hatte Angst zu sterben, weil er nicht zur Terrormiliz Al-Shabaab gehen wollte. Sieben Monate habe er benötigt, bis er im Januar 2016 in Deutschland angekommen sei. Ein Dach über dem Kopf fand er in einer Wohngruppe in Geringswalde, eine schulische Perspektive am Beruflichen Schulzentrum Döbeln-Mittweida. Weil er sich gut entwickelte, bekam er die Chance, sich bei Siemens vorzustellen.

Aus fast 40 Bewerbern wählte das Team um Uwe Möbius, Leiter der Siemens-Berufsausbildung in der Region Ost, eine Gruppe von 16 jungen Männern zwischen 17 und 29 Jahren aus, die für die Maßnahme geeignet schienen. Zwei Tage ließen sich die Ausbilder dafür Zeit. „Den Aufwand hatten wir unterschätzt“, sagte Thomas Puschmann, der Leiter des Chemnitzer Trainingszentrums der Siemens Professional Education. Offenbar hat er sich gelohnt. Denn alle Schüler haben die Qualifizierung geschafft. Auch wenn einigen während der Zeit die Abschiebung drohte.

„Das war ein echtes Problem. Es hat vor allem die Afghanen getroffen“, sagte Puschmann. Vorbereitet seien die Ausbilder darauf nicht gewesen. Die Betroffenen hätten zunächst Widerspruch eingelegt. Die Gespräche mit den Anwälten mussten sie selbst führen. „Das sind nicht unsere Kompetenzen“, sagte Puschmann. Man habe die Männer aber unterstützt. „Der Asylstatus belastet viele“, so Elke Fuchs, zuständig für Kommunikation bei der Siemens AG.

Von fachlicher Seite her habe niemand während der Qualifizierung auf der Kippe gestanden. Wenn auch die Motivation, ebenso wie bei den deutschen Ausbildungsklassen, themenbedingt geschwankt hat, verriet Uwe Möbius. Von denen habe sich die Gruppe kaum unterschieden, bis auf den Betreuungsaufwand, erklärte Elke Fuchs. Denn die 16 jungen Männer sollten nicht nur an das Handwerk herangeführt werden. Sie mussten auch lernen, wie sie sich in Deutschland richtig verhalten.

Dazu gehörte es, pünktlich zu sein sowie während des Unterrichts die Kopfbedeckung abzusetzen, schilderte Ausbilder Thomas Goldacker, der die Klasse über die gesamte Zeit begleitet hat. „Während des halben Jahres hat sich eine Menge getan bei den Teilnehmern, nicht nur in Sachen Verhalten. Es sind enorme Sprünge passiert, zum Beispiel sprachlich“, so Goldacker. Auch er habe sich während der Qualifizierung anpassen müssen. Denn nicht immer ist er so verstanden worden, wie er es wollte. Diese Erfahrung haben auch die anderen gemacht, die im Rahmen des Projektes mit den Männern im Gespräch waren. „Fachthemen ohne die entsprechende Sprache zu übermitteln, ist enorm schwer“, so der Ausbilder. Trotzdem haben die Männer bei ihm, aber auch bei den anderen Lehrern dazugelernt.

Für ihre Bemühungen erhielten die Flüchtlinge ein Zertifikat der Industrie- und Handelskammer. Mit diesem haben sie sich bei verschiedenen Unternehmen beworben. Knapp die Hälfte der Förderklasse hat eine Stelle. Vermittelt wurden die Teilnehmer unter anderem in Praktika sowie Ausbildungen. Einer erhielt eine befristete Anstellung. „Ein Teilnehmer geht ans Gymnasium, um sein Abitur nachzuholen“, sagte Thomas Puschmann. Ein anderer habe sich für eine ganz andere Branche entschieden und suche nun nach einer Ausbildung als Zahntechniker. Dass am Ende jeder eine Lehrstelle bekommt, sei nicht das Ziel gewesen, stellte Puschmann klar. „Die Teilnehmer können sich jetzt besser einschätzen als zuvor“, so Puschmann. Der Kontakt zur Arbeitsagentur steht. Die Zukunft der Männer hätte das Siemens-Team im Blick.

Wie es für Mohammed Hooshow weitergeht, ist noch unklar. Der 18-Jährige habe einige Bewerbungen geschrieben, aber noch keine Zusage erhalten. Er wolle im Bereich Metall arbeiten, Elektrik liege ihm nicht so. Probleme bereitet dem Somalier die deutsche Sprache. Gern würde er den Deutschkurs, den er im Rahmen der Qualifizierung besucht hat, fortsetzen. Doch bisher habe er keinen Platz bekommen.

Ob es 2017 erneut eine Einstiegsqualifizierung für Flüchtlinge bei Siemens gibt, ist noch offen.