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Monopoly für Profis

Die Publity AG in Leipzig bewegt West-Immobilien im Milliardenformat, ist an der Börse gelistet – und bleibt doch diskret.

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Von Sven Heitkamp

Zwischen öffentlichem Auftritt und ökonomischer Größe liegen manchmal Welten – wie bei der börsennotierten Leipziger Publity AG. Der Finanzinvestor managt milliardenschwere Deals mit Gewerbeimmobilien in westdeutschen Wirtschaftsmetropolen und ist seit April eines der nur sechs sächsischen Unternehmen auf dem Frankfurter Börsenparkett.

Vorstandschef Thomas Olek hat 30 Immobilien im Wert von 600 Millionen Euro im Bestand.
Vorstandschef Thomas Olek hat 30 Immobilien im Wert von 600 Millionen Euro im Bestand.

Doch diese Potenz lässt der verborgene Firmensitz mit Naturstein, Glas und Säulenportal von außen kaum erahnen: Er liegt hinter hohen Mauern und einer schweren Toreinfahrt in einer Sackgasse zwischen dem alten Leipziger Messegelände und der MDR-Zentrale. Diskretion und Sicherheit genießen bei Publity scheinbar Vorrang vor einer exponierten Repräsentanz in bester City-Lage. Nur Branchenkennern ist die frühere Tochter der sächsischen Landesbank überhaupt ein Begriff.

Dabei bewegen die Leipziger Finanzprofis jedes Jahr dreistellige Millionensummen. „Wir sind eine Schnittstelle zwischen Kapitalmarkt und Immobilienmarkt“, erklärt Publity-Vorstandschef und Mehrheitsaktionär Thomas Olek das Geschäftsprinzip. Das Unternehmen kauft zumeist Bürobauten in Ballungsräumen wie München, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf für Summen zwischen zehn und 100 Millionen Euro, bündelt sie in Fonds, bewirtschaftet und vermarktet sie. Ein Hauch von Monopoly. Auftrag- und Geldgeber sind häufig ausländische Großinvestoren und Staatsfonds auf der Suche nach gewinnbringenden Anlagemöglichkeiten. Deutsche Büroimmobilien erscheinen der internationalen Finanzbranche gegenwärtig als lukrativ, auch weil der Euro verhältnismäßig billig ist. Allein durch Mieteinnahmen und Wechselkursschwankungen können so zweistellige Renditen erzielt werden.

„Die Anleger schwimmen in Liquidität. Und wir verfügen über den Zugang zu diesem Insidermarkt in Deutschland“, sagt Olek. Allein dieses Jahr stünden Neuinvestitionen von einer Milliarde Euro aus den USA ins Haus. „Wir wollen 40 bis 50 weitere Immobilien-Objekte etwa in Hamburg, Berlin und Stuttgart erwerben und einen Bestand mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro erreichen“, so Olek. Derzeit sind 30 Immobilien im Wert von mehr als 600 Millionen Euro im Bestand. Einzelne Gebäude werden von Publity weiterentwickelt und gewinnbringend veräußert.

Verwertungsdruck extrem groß

Der Gang an die Frankfurter Wertpapierbörse Anfang April diente weniger der Kapitalerhöhung und Verbreiterung der Investorenbasis als vielmehr der Transparenz und Sichtbarkeit im Markt. Schließlich ist eine Listung mit strengen Regulierungsvorschriften verbunden, darunter Vorgaben zum Risikomanagement, zur Geldwäsche und zur betriebswirtschaftlichen Regeltreue. Eine Kontrolle, die internationale Großanleger erwarten. Zudem besitzt Publity eine Zulassung als Kapitalverwaltungsgesellschaft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ihre Fonds sind von der Bafin geprüft und genehmigt.

Um die Geschäfte kümmern sich 60 Mitarbeiter, vor allem Anwälte, Asset-Manager, Wirtschaftsprüfer und Immobilienprofis. 38 von ihnen arbeiten in Leipzig, die weiteren in Luxemburg, London, München und Frankfurt. Zusammen erwirtschafteten sie 2014 einen Gewinn von knapp 2,8 Millionen Euro. Tendenz steigend.

Gegründet worden war Publity im Frühjahr 1999 als Tochter der einstigen Landesbank Sachsen-LB. Als erstes Internet-Aktien-Emissionshaus begleitete der Finanzdienstleister mehr als 70 Unternehmen an die Börse, darunter die Infineon AG. Olek, von 1998 bis 2002 Berater der Landesbank, stieg nach dem Platzen der Internetblase 2003 in die kriselnde Publity AG ein und wandelte sie zum Dienstleister für Kreditankauf und Kreditverwertung. Krise und Untergang des alten Mutterhauses Landesbank waren damals noch nicht absehbar. Heute werden von Publity in erster Linie Immobilien aus notleidenden Finanzierungen erworben, die die Banken verwerten wollen.

„Die Immobilien sind sehr hochwertig und größtenteils vermietet, aber die Voreigentümer haben Refinanzierungsprobleme wegen neuer Kapitalmarktregeln“, erklärt Olek. In dieser Situation springen die neuen Investoren ein und kaufen die Bürogebäude meist deutlich unter dem üblichen Marktpreis. Der Verwertungsdruck sei infolge der Finanzkrise und aufgrund der neuen Marktregeln extrem groß. „Analysten schätzen den deutschen Markt für Immobilien aus Bankverwertung auf mehrere Hundert Milliarden Euro“, sagt Olek.

Nach einem Intermezzo in Berlin zog der Vorstandschef 2008 mit Publity zurück in die Messestadt. Seine Familie ist in Leipzig zu Hause, die Stadt bietet aus seiner Sicht ein hilfreiches Netzwerk und sehr gute Mitarbeiter. „Leipzig ist für die meisten von uns alternativlos“, sagt der 47-Jährige, der aus Essen stammt. Dem Hauptaktionär gehören 72 Prozent der Firma, die übrigen Anteile befinden sich im Streubesitz bei diversen, teils namhaften Anlegern.

Inzwischen hat die Publity AG auch zwei Leipziger Immobilien im Bestand: den Großmarkt in Nachbarschaft des Flughafens und die Gebäude des einstigen Computer-Shootingstars Lintec, die sich heute sechs Nutzer teilen.

Sollte das Geschäft mit Immobilien nicht mehr laufen, wird Publity abermals seine Strategie ändern – etwa zurück zum Handel mit notleidenden Kreditforderungen. Zum Serviceangebot von Publity gehört im Übrigen auch die sachgerechte Verwahrung von Original-Bankakten. In eigens geschützten Räumen lagern 55 000 Leitz-Ordner mit Unterlagen von Geschäften mit einem Volumen von vier Milliarden Euro. Auch die Sicherung dieser Urkunden war freilich ein Grund für die Zurückhaltung bei der Gestaltung des gut bewachten Firmensitzes.