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Moderner Bote fürs neue Kloster

Pater Kilian Müller gehört zum Vorbereitungsteam im Bistum Görlitz – ein Zisterzienser mit einem ungewöhnlichen Lebensweg.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Kilian Müller führt einen Blog im Internet, hat eine Seite im sozialen Netzwerk Facebook, Filme über ihn finden sich auf Youtube. Und der 40-Jährige ist Zisterzienser im Stift Heiligenkreuz bei Wien, trägt die Mönchskutte und lebt seit elf Jahren im Kloster. Zusammen sind sie momentan annähernd 100 Mönche in dem Stift. „Alles gestandene Männer“, sagt der Pater. Aber weil die große Zahl von Berufungen in dem Kloster kein Selbstzweck ist, sondern ein Auftrag, die Gemeinschaft in die Welt zu tragen, gibt es immer wieder Anfragen, ob das österreichische Kloster nicht andernorts ein neues gründen kann. So fragte auch der katholische Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt, an – und wurde von den Zisterziensern erhört.

Pater Kilian nun gehört zur Gründungsgruppe für ein Filialkloster in Neuzelle, weit im Norden des Bistums. Monatlich weilt er nun in Görlitz, in Cottbus oder in Neuzelle. Um mit dem Bistum und der Brandenburger Landesregierung die Details der Klostergründung zu besprechen, um mit dem zwischenzeitlich gegründeten Förderverein zusammenzukommen oder demnächst mit den Bürgern in Neuzelle zu sprechen. Müller weiß, dass nur die Begegnung und die Präsenz vor Ort, mögliche Irritationen ausräumen können, er will sich nicht hinter hohen Mauern verstecken, sondern in aller Offenheit seinen Glauben ausleben. In seiner Weihnachtspredigt sprach Kilian Müller davon, dass das Stift bei Wien, die alte Dame, noch einmal empfangen habe. „Aber es ist noch eine Risikoschwangerschaft.“ Schon im Juli lebte Kilian Müller mit vier Mitbrüdern für zwei Wochen in dem Brandenburger Ort. Dem gebürtigen Hessen aus der Nähe von Frankfurt/Main ging es da wie vielen, die an einen neuen Ort kommen. Er wollte spüren, ob es ihm dort gefällt. Als Mönch. Wie ist das, in der Kirche zu beten, wie reagieren Wallfahrer, politische und Kirchengemeinde, die Schule. „Da ging es auch um Bauchgefühl“, sagt er. „Wir wollten erspüren, wie es ist.“ Doch als er zum ersten Mal die barocke Marienkirche betrat, da war es um ihn gleich geschehen. Das erzählt Pater Kilian noch Monate später, und die Augen werden dabei noch immer feucht. Zur Bistumswallfahrt Anfang September kehrte Kilian Müller erneut nach Neuzelle zurück. Und schließlich stimmten 90 Prozent aller Priester in Heiligenkreuz dafür, den Weg weiterzugehen und das Kloster in Neuzelle wiederzubeleben.

Es ist für die Zisterzienser eine Rückkehr. Seit 1268 betrieben sie hier ein Kloster, das 1815 an Preußen fiel und 1817 verstaatlicht wurde. Die heute vorhandenen Kirchen und Gebäude stammen mit ihren barocken Formen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und gelten als das nördlichste Zeugnis süddeutschen und böhmischen Barocks. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die vom Land Brandenburg errichtete Stiftung Stift Neuzelle um das Juwel gekümmert. „Der Ort entfaltet Anziehungskraft für Touristen, die das Heilige Grab und die anderen Schätze bewundern, ist aber auch als Bildungsstandort attraktiv und zugleich eine bedeutsame Wallfahrtsstätte“, erklärte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch erst am vergangenen Wochenende in Görlitz. Dass nun Zisterzienser wieder zurückkehren wollen, werde dem Ort Authentizität zurückgeben und die Seelsorge stärken.

Kilian Müller ist als künftiger Ökonom des Klosters vorgesehen, Betriebswirtschaft hatte er einst in Bamberg studiert. Pater Simeon kommt als designierter Gründungsprior. Die weiteren sechs Mitbrüder, die ebenfalls nach Neuzelle gehen werden, wurden in der vergangenen Woche benannt. Für sie gibt es viel vorzubereiten. Die Mönche brauchen einen abgeschlossenen Ort für ihre Klausur. „Wir können ja keine Männer-WG eröffnen“, sagt Pater Kilian. Das muss mit denen besprochen werden, die seit Jahren in den Gebäuden Mieter sind: die katholische und evangelische Gemeinde, das Gymnasium, die Stiftung selber und ein Museum. Verdrängen wollen die Mönche jedenfalls niemanden. Kilian Müller ist die Gegend nicht fremd. Vor elf Jahren studierte er gerade an der Hochschule in Frankfurt/Oder, der Viadrina, Kulturwissenschaft, als er einfach mal für eine Woche im Kloster abschalten wollte. Der ursprünglich getaufte Protestant fand im Internet die Seite des Stifts Heiligenkreuz. Für ihn eine Überraschung. Denn bislang hatte er zwar schon viele Klöster gesehen, die meisten aber waren aufgegeben worden. Hier aber gab es noch einen Orden, und so folgte er der Einladung „Komm und sieh“. Ihm gingen die Augen auf, eine „Herzenssache“ beschreibt er das Gefühl. Er fuhr noch einmal nach Berlin zurück, packte seine Sachen und ging ins Kloster – diesmal für immer. 2011 legte er das ewige Gelübde ab, 2013 schloss er sein Theologiestudium ab und erhielt auch die Priesterweihe.

Im Moment arbeitet er an seiner Doktorarbeit und war eigentlich dafür vorgesehen, an der Hochschule des Stifts Heiligenkreuz tätig zu werden. Aber als die Nachrichten von einer möglichen Klostergründung in der brandenburgischen Diaspora laut wurden, da erklärte er seinem Abt gegenüber: „Wenn Sie jemanden anderen finden für die Hochschule, dann würde ich gern nach Neuzelle gehen.“ Hier spürt er die vielen Spuren des Ordens. Er fühle sich „daheim“.