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Modellflieger wehren sich

In Zukunft sollen die Modelle tiefer fliegen als bisher. Die Betroffenen vermuten kommerzielle Gründe dafür.

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© Lutz Weidler

Von Tina Soltysiak und Stefan Lehmann

Riesa. Vor dem Start muss aufgetankt werden. Über einen Schlauch pumpt Matthias Dörfler den Kraftstoff in die Sopwith Pup. Erst danach kann das Modellflugzeug abheben. In Dörflers Flugzeugen steckt jahrelange Arbeit. Er hat viel Freude an seinem Hobby. Doch die gute Laune könnte ihm bald vergehen. Dörfler ist Vorsitzender des Modellflugclubs Riesa – und einer der Unterzeichner der Petition „Pro Modellflug – Hände weg von unserem Hobby“. Damit hoffen Modellflieger bundesweit, die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt durchkreuzen zu können.

Der CSU-Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur will die Flughöhe für Drohnen und Modellflieger auf 100 Meter begrenzen. Dobrindt begründet die Höhenbeschränkung mit der Zunahme der Zahl der Drohnen und Flieger in der Luft. Dadurch würden neue Gefährdungspotenziale entstehen, zum Beispiel durch Kollisionen und Abstürze. „Wir können nachweisen, dass das nicht so ist“, sagt Torsten Lehmann, Referent vom Deutschen Modellfliegerverband (DMFV) für Ostdeutschland. Der Verband habe eine Versicherungsstatistik in Auftrag gegeben. Das Ergebnis sei eindeutig: „Die Zahl der Unfälle hat nicht zugenommen“, so Lehmann. Zwischen Januar 2015 und Februar 2016 seien der deutschen Flugsicherung lediglich zwölf Zwischenfälle gemeldet, die allesamt von Drohnen verursacht wurden.

Fliegen auf Sicht als Kompromiss

Die Schäden, die der Versicherung gemeldet werden, seien nicht zwangsläufig auf Unfälle im Luftraum zurückzuführen, so Lehmann. Es seien auch banale Sachen wie die Beschädigung der Modelle durch Herunterfallenlassen oder durch unbedarfte Dritte darunter. Jeder Modell- und Drohnenflieger ist verpflichtet, eine spezielle Haftpflichtversicherung abzuschließen. „Die kostet 50 Euro im Jahr“, so Torsten Lehmann. Auch der Chef der Riesaer Modellflieger hält Dobrindts Vorschlag für unsinnig. Denn für die Modellflieger in Canitz sei bereits sehr deutlich definiert, wann sie wo fliegen dürfen, sagt Matthias Dörfler: „Das Gebiet über dem Modellflugplatz ist in allen Luftfahrtkarten eingezeichnet.“ Bemannte Flugzeuge würden den Platz also ohnehin nicht überfliegen – oder nur in extremer Höhe. Das eigentliche Problem für die Flugsicherheit seien die „Wildflieger“. Von denen gebe es mittlerweile mehr, seit die Industrie das Geschäft mit Drohnen für sich entdeckt hat. Für solche Fälle gebe es aber eigentlich schon Gesetze. „Die müssten eben nur ordentlich durchgesetzt werden.“ Für die Modellflieger in Canitz würde die Regelung auch praktische Probleme mit sich bringen, sagt Dörfler. Seine Sopwith schafft bereits etwa 70 Stundenkilometer. Andere Modelle steigen noch deutlich schneller auf. „Die sind ruckzuck über der 100-Meter-Grenze. Und ich sehe ja gar nicht, wo die 100 Meter sind.“ Er fürchtet, dass mancher Modellflieger auch einfach wild fliegen wird, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt.

Der DMFV vermutet hinter dem Vorstoß des Verkehrsministers mehr als nur Sicherheitsbedenken: „Er will den Luftraum frei machen für den kommerziellen Drohnenflug – zum Beispiel, weil Amazon und DHL mit Drohnen ihre Pakete zustellen lassen wollen“, sagt Torsten Lehmann. Der Modellfliegerverband sei im ständigen Kontakt mit dem Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, um sich dafür einzusetzen, dass die Regelung nicht kommt. „Wir haben einen Kompromiss als Referentenentwurf ausgehandelt: das Fliegen auf Sicht. Die Fluglage muss eindeutig erkennbar sein“, sagt Lehmann. Drohnen könnten dann ohnehin nicht so hoch aufsteigen, wie beispielsweise Modell-Segelflieger oder ähnlich große Modelle.

Das Verständnis bei den Politikern für das Anliegen der Modellflieger sei vorhanden, heißt es vom DMFV. Der Verband hat bundesweit 87 000 Mitglieder, die in 1 300 Vereinen organisiert sind. Jährlich kommen etwa 5 000 neue Mitglieder hinzu. Das Hobby bringe häufig die Ingenieure von morgen hervor, sagt Modellflieger Volker Steinkamp aus Coswig. „Die Jugendlichen lernen beim Aufbauen ihrer Modelle unter anderem den Umgang mit Holz, Elektronik, Motoren und Glasfaserkunststoff“, erklärt er. Falle das Hobby aufgrund der Höhenbegrenzung – und damit dem fehlenden Spaß an der Sache – weg, könnte der Nachwuchs ausbleiben, fürchtet er.

120000 Stimmen sind das Ziel

Die Modellflieger hoffen deshalb auf breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die Petition läuft noch bis 1. Oktober. Sie hat bisher knapp 11 200 Unterstützer. „120 000 sind das Ziel. Bekommen wir die zusammen, haben wir ein Vorspracherecht im Bundestag, um unser Anliegen zu begründen“, sagt Torsten Lehmann vom DMFV. Der Referentenentwurf soll Anfang September vorliegen. Dann schließen sich diverse Anhörungen und Verhandlungen an. Mit einer schnellen Einigung sei nicht zu rechnen. „Aber wir sind optimistisch, dass wir eine Regelung finden, die allen nützt.“