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Mitten ins Herz

Nach 18 Jahren in der legendären Münchner Bar Schumanns ist Stephan Herz seiner großen Stadtliebe gefolgt.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Dresden. Sonnenstrahlen schleichen ins Wallgässchen, dort ruhen sie sich auf Sandstein aus. Am Torbogen zur Prisco-Passage hat Stephan Herz sie entdeckt und kann nicht anders. Augen geschlossen, Arme locker verschränkt, lehnt er an der Fassade und badet sein Gesicht im warmen Nachmittagslicht. Ein paar Minuten Pause könnt sich der Gastronom, Zeit für das Glücksgefühl, von dem er gern erzählt.

Vor vier Monaten hat er im Herzen des Königstraßenviertels die Herz-Bar eröffnet. Ein Herzensprojekt. Wenn der 44-Jährige nicht die Sonne anbetet, dann die Entscheidung, hier her gekommen zu sein. Nach
18 Jahren als Barkeeper in der weltberühmten Münchner Bar Schumanns, hat er einen Schritt gewagt, für den man ihn ruhig bewundern darf. „Ich war 2006 mit meiner Frau das erste Mal in Dresden“, erzählt er. Die Neugier auf die Frauenkirche lockte ihn nach einem Depeche-Mode-Konzert in Leipzig zu einem Tagesausflug in die Landeshauptstadt: „Es war Stadtliebe auf den ersten Blick.“ Das bunte Treiben an jenem sonnigen Tag, die Architektur und Natur, ob auf den Brühlschen Terrassen oder elbaufwärts am Blauen Wunder – Stephan Herz wusste: Hier würde ich gern leben. Zwölf Jahre sind vergangen, bis er sich diesen Wunsch erfüllte. Nun ist der gebürtige Rheinländer in kürzester Zeit an der Elbe angekommen. Dass seine Frau und seine beiden kleinen Töchter in der neuen Stadt ebenfalls rasch erste Wurzeln schlugen, macht ihn umso glücklicher.

„Ich wollte etwas Eigenes machen“, erzählt er. „Auch wenn es großartig war, bei Charles Schumann zu arbeiten.“ Dort gehörte Arturo Prisco zu den Stammgästen und zeigte dem Veränderungswilligen das Lokal am Ende des Wallgässchens. Zahlreiche Betreiber waren dort schon gescheitert. Sie versuchten sich mit Café-Konzepten und gaben bald wieder auf.

Stephan Herz hatte zunächst Betriebswirtschaft studiert und sich schließlich für die gastwirtschaftliche Fachrichtung entschieden. Er wusste, was es braucht, damit sich das Gewerbe rechnet, und dass immer auch eine Portion Glück dazugehört. Anfangs dachte er daran, eine Art Bistro zu eröffnen. „Aber ich habe bei meinen Besuchen hier beobachtet, dass die Menschen im Viertel nur kurz zur Mittagszeit aus ihren Büros und Geschäften strömen, irgendwo essen und dann wieder verschwinden.“ Das ließ ihn hadern.

Die Menschen im Viertel waren es auch, die Stephan mit großer Neugier und Herzlichkeit begrüßten. Kaum hatte sich herumgesprochen, dass es einen Neuen im Karree geben wird, suchten sie Kontakt. „Immer wieder hörte ich den Satz: Eröffne doch eine Bar, so etwas fehlt hier rund um die Königstraße.“

Noch gar nicht richtig angekommen, gab sein Nachbar, der Visagist Ronald Brendler, kurzerhand die Bestellung für einen Sektempfang bei ihm auf. Und so ging es weiter. Von Dienstag bis Sonnabend füllen sich inzwischen die 30 bis 40 Plätze in dem kleinen, gemütlichen Lokal ab 17 Uhr wie von selbst. Anfangs stand Stephan Herz allein hinter der Theke, inzwischen braucht er Unterstützung und hat gute Mitarbeiter gefunden. „Ich erfinde die Gastronomie nicht neu“, sagt der Barkeeper. Aber er hat offenbar zur passenden Zeit, genau am richtigen Ort und mit seinem Gastgeber-Herz am rechten Fleck eine beliebte Feierabendinsel eröffnet.