Merken

Mit Schwung zur Schwerelosigkeit

Rotlicht oder Kletterstange? Pole-Dancerin Mareike Linzer weiß, wie sexy ihr Sport sein darf und was zu weit geht.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Dresden. In der Luftfabrik wird Schwerkraft zerstäubt. Das ist harte körperliche Arbeit. Aber schaffbar. Mareike Linzer nickt aufmunternd und umfasst mit der rechten Hand die Stange. Die wächst vom Boden bis zur Decke und glänzt wie der heilige Gral. Das Metall fest im Griff lässt sich die junge Frau rückwärts fallen, kreist ohne Bodenhaftung um das Gerät und landet auf sanften Sohlen wieder am Boden.

Alles klar? Dann los! Die Trainerin wiederholt den Schwung. Zusehen ist leichter als Nachmachen. Erdanziehung heißt Erdanziehung, weil sie zieht und nicht schiebt. Versuch Nummer eins macht das bleiern klar. Wer geschmeidig den Poledance tanzen will, muss Technik beherrschen. Die Trainerin ist Profi. Gerade hat sie ihr Dresdner Studio eröffnet. Das bietet Platz für bis zu zwölf Stangen. Sie verteilen sich im hellen, lichten Raum einer ehemaligen Fabrik – Mareikes Luftfabrik.

Sixpack und Hello Kitty

„Der Name ist mir auf einer Autofahrt von Cottbus nach Dresden eingefallen“, erzählt die 32-Jährige. In ihrer Heimatstadt betreibt sie schon seit acht Jahren ihr eigenes Trainingszentrum. Jetzt fährt sie jede Woche anderthalb Stunden, um auch hier den Stangentanz zu unterrichten. „Dresden fand ich schon immer toll, ich wollte einfach hierher.“ Nach langer Suche in der Neustadt fand sie in Niedersedlitz einen passenden Raum. Dort trainieren seit Januar zwei Dutzend Frauen.

Als Mareike 23 Jahre alt war, hatte sie ihre Ausbildung zur Eventmanagerin absolviert, ein paar Monate in einer Veranstaltungsagentur gearbeitet und ihren ersten Sohn bekommen. Dass ein Beruf, der Nächte und Wochenenden fordert, nicht gut fürs Familienleben ist, merkte sie bald und suchte nach einem neuen Job. „Ich habe immer getanzt, als kleines Mädchen in einer Kindermusicalgruppe und später zum Spaß in Clubs auf den Boxen“, erzählt sie. Also stellte sich Mareike Linzer in einer Gründerwerkstatt vor und erklärte: „Ich liebe Tanz, Cheerleading, Go-go-Dance und möchte mich damit selbstständig machen.“ Fragende Gesichter hielten sie nicht ab. Der kleinste gemeinsame Nenner hieß Poledance. Das war die Idee.

In Hamburg ließ sich Mareike zur Trainerin ausbilden, qualifizierte sich später zur Tanzpädagogin und Kindertanzlehrerin. „Zum Glück kannte ich durch meine Arbeit im Eventbereich und in der Gastronomie viele Leute. Das hat mir den Start leichter gemacht.“ Poledance, ist das mit Ausziehen? Die Frage hört Mareike oft. Noch viel häufiger den Satz: Ich kam als Kind schon die Kletterstange nicht rauf. „Wenn ich dafür jedes Mal einen Cent genommen hätte, wäre ich heute reich“, sagt sie und lacht. Nein, Poledance ist nicht mit Ausziehen. „Es fasst sich auch keiner an seine privaten Zonen.“ Poledance verbinde Akrobatik mit Tanz, gern auch erotisch. Mit sexueller Animation, wie Tabledance in Nachtclubs, hat das aber nichts zu tun.

Mareike ist kein Girlie, sie ist eine Type. Bevor man sie mit ihren Rastas in die eine Schublade und mit ihren Hello-Kitty-Socken in die andere steckt, lässt man es besser bleiben. Früher habe sie ihr Badezimmer ganz in Rosa eingeräumt, erzählt sie. Unternehmerin und dreifache Mutter mit Sixpack, Hip-Hop-Ausbildung und Faible für Kätzchenmotive. In einer Samba-Tanzgruppe tritt sie auf, wird mit ihrer LED-Roboter-Show für Jugendweihen gebucht und bringt Burlesque auf die Bühne.

Kein No-Go für Männer

Fitness gibt’s im Kraftkreis oder eben an der Stange. „Poledance bietet so viel mehr als pures Muskeltraining“, sagt sie. Weiblichkeit, Beweglichkeit, Körpergefühl, Abwechslung, Selbstbewusstsein, Spaß in der Gruppe, dafür liebt sie diesen Sport. Und Männer? Zwei Anfragen habe sie in all den Jahren von Männern erhalten. Aber keiner hat wirklich begonnen zu trainieren. Mareike hätte nichts dagegen, wobei die Frauen ihrer Erfahrung nach das Unter-sich-Sein schon sehr genießen.

Die sind nicht nur im Teenageralter, an der Stange übt sich auch eine Frau Mitte der 50. „Fit muss man schon sein, aber vom Alter hängt das nicht ab“, sagt Mareike. Wer die Technik versteht, entdeckt vielleicht später auch die Akrobatik am Seil und am Reifen, die Freude am sexy Tanz – und die Schwerelosigkeit sowieso.