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Mit Schliff und Disziplin

Ein kleiner Verein bringt Kindern asiatischen Kampfsport bei. Doch die Trainingszeiten in Niesky reichen nicht aus.

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© André Schulze

Niesky. Es hat schon etwas militärisches an sich, wenn die Jungs und Mädchen in ihren schwarzen Anzügen in der Turnhalle Aufstellung nehmen. Der Körper kerzengerade und die Hände an der Hosennaht, dann das obligatorische Verbeugen und das Training beginnt. Dieses Ritual vollzieht sich jeden Dienstagnachmittag, wenn die Kampfkunstschule „Goldener Drache“ Schüler in asiatischer Kampftechnik schult. Übungsleiter sind Isabel und Alexander Bastian. Gewissermaßen als Familie haben sie im März 2013 die Kampfkunstschule als Verein in Niesky gegründet.

„Zu einer Zeit, in der ich schwanger war“, kann sich Isabel, die aus Steinölsa stammt, an die Gründung erinnern. Inzwischen haben Bastians drei Söhne und wohnen in Görlitz. Die beiden größeren trainieren mit sieben und vier Jahren bei ihren Eltern mit. Inzwischen zählt der Verein rund 25 Mitglieder, erzählt die 33-Jährige, und die kommen aus dem nördlichen Landkreis, so wie ihre Schützlinge.

„Ganz ohne Drill geht es nicht“, sagt Isabel Bastian und verweist auf die Hierarchie, die im asiatischen Raum strenger gelebt wird als in Europa. „Der Übungsleiter hat das Sagen und dem ordnen sich alle unter. Ist dieser nicht in der Halle, dann ist der ranghöchste Schüler in dieser Position“, erklärt die Trainerin. Das gehört zum Einmaleins, dass die Kinder und Jugendlichen als erstes Lernen. „Unser Ziel ist es, den Teilnehmern Disziplin, Körpersprache und Respekt beizubringen“, betont Isabel Bastian. Das trifft auch auf die Erwachsenen zu, die die Kurse besuchen.

Über ihren Inhalt klärt Isabel Bastian auf: Wushu ist der eine der traditionellen chinesische Sportart und gilt als Oberbegriff für alle chinesischen Kampfkünste. Thai Chi Quan beinhaltet Selbstverteidigung, Gesundheitsübung und meditative Geistesschulung in einem System. Kyusho Jitsu ist eine eigenständige Kampfkunst, aber kein Kampfsport, weil keine Wettkämpfe stattfinden. Es ist eine Methode der Arbeit mit den Vitalpunkten des Menschen, ähnlich einer Akupunktur. Und dann gab es noch die Selbstverteidigung. Ein Kurs, der sich an Schüler ab acht Jahre und Erwachsene richtet. Im April erst begonnen, musste dieser jetzt eingestellt werden. „Der Kurs fand jeden Mittwochnachmittag in der Schulsporthalle statt. Im Oktober mussten wir ihn beenden, weil wir keine akzeptable Trainingszeit mehr hatten“, erklärt Isabel Bastian.

Vonseiten der Stadt Niesky wurde dem Verein erklärt, dass die Fußballer über die Wintermonate die Halle zum Training brauchen. Deshalb blieben nur zwei späte Abendtermine die Woche über übrig. Isabel und Alexander Bastian können darüber nur den Kopf schütteln: Welche Eltern schicken 21.30 Uhr ihre Kinder noch zum Training?, fragen sich die beiden. Daraus und aus dem jährlichen Poker um die Trainingszeiten haben Bastians ihre Lehren gezogen. Im Görlitzer Postamt haben sie neue Räume gemietet. Sind sie vorgerichtet, soll es an fünf Tagen die Woche nachmittags und abends Kampfsport geben. „Aber wir wollen auch in Niesky bleiben, denn hier haben wir viele Kinder und Jugendliche“, betont Alexander Bastian.

Dass die beiden Kampfsportler nicht nur Eltern und Trainer sind, sondern auch Pädagogen, das hat sich inzwischen bei gemeinnützigen Vereinen herumgesprochen. Sowohl die Opferhilfe Sachsen als auch der Weiße Ring schicken auffällige oder gestörte Kinder und Jugendliche nach Niesky in die Kampfkunstschule zum Aufbau ihres Selbstwertgefühles. „Wir haben vor allem Mobbing-Opfer, deren Persönlichkeit vom Grunde aufgebaut werden muss, und die Vertrauen in ihren eigenen Körper finden müssen“, beschreibt Isabel Bastian die nicht einfache Aufgabe, die nach ihrer Ansicht inzwischen eine gesellschaftlich geworden ist.

Ihre Arbeit spiegelt sich auch in sportlichen Erfolgen ihrer Schützlinge wider. Alexander Bastian berichtet, dass beim Dragon Cup am ersten Oktoberwochenende in Wolfsburg „unser Verein mit fünf Startern fünf Medaillen gewonnen hat“. Der Jüngste war erst vier Jahre. Und das bei einer internationalen Meisterschaft, an der auch Chinesen teilnahmen. Das beflügelt natürlich – und weitere Meisterschaften stehen den Nieskyern offen. Nach Oslo Mitte November sind es im nächsten Jahr Brüssel, Berlin, Litauen und New York, wo sich die Besten zum sportlichen Vergleich treffen.

So verlockend das klingt, ohne Sponsoren geht das nicht. Schon an der Reise nach Oslo hatte der Verein zu knappern, um das Geld für die Flugtickets zusammenzubekommen. „Wir hatten bereits vor längerer Zeit an viele große Unternehmen in Niesky Briefe mit Sponsoring-Bitten gesandt und nicht eine einzige Antwort, nicht einmal eine Absage erhalten“, sagt Alexander Bastian enttäuscht. Bisher finanzierte der Verein alles über seine Mitgliedsbeiträge. Aber die reichen nicht mehr, obwohl sie mit 35 bis 85 Euro im Monat schon hoch sind.

Trainingszeiten in der Turnhalle der Grundschule Niesky, Schulstraße: Sanda (Kickboxen) am Dienstag, 16.30 bis 18 Uhr; Taolu (Kung Fu-Formenlauf) am Sonnabend, 12.30 bis 14.15 Uhr für Fortgeschrittene und 14.15 bis 15.30 Uhr für alle. Ab Dezember in eigenen Räumen im Postgebäude am Postplatz 1 in Görlitz.

Sprachkurs.: Die Teilnehmer erhalten eine Einführung in die chinesischer Kultur und lernen das Lesen und Schreiben der chinesischen Schrift.

Kontakt: Familie Bastian, Telefon 03581 8774168

www.jinlong-niesky.de