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Mit Nadeln gegen den Schmerz

Im Gesundheitszentrum Klotzsche wird nun auch chinesische Medizin angewendet. Die ist umstritten.

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© Sven Ellger

Von Sarah Herrmann

Es pocht, hämmert, zieht – dass Kopfschmerzen unangenehm sind, weiß jeder. Nur ein gewisser Teil kennt hingegen die Qual, wenn der Schmerz nicht wieder geht. Chronischer Schmerz schlägt auf die Stimmung, kann zu Depression und Arbeitsunfähigkeit führen. In der Schulmedizin gibt es dann meist Tabletten. Eine schmerzfreie Zukunft ohne Arznei verspricht hingegen Qiying Chang. Er eröffnet Anfang November eine neue Praxis im Gesundheitszentrum Klotzsche auf der Königsbrücker Landstraße. Dort will er deutsche und chinesische Medizin vereinen.

Denn anders als viele seiner Kollegen hat Chang auch eine klassische Medizinausbildung. Von 2002 bis 2007 hat er an der Technischen Universität Dresden studiert, hat seinen Facharzt in Chirurgie gemacht und viele Jahre in der Orthopädie gearbeitet. „In Deutschland verschreiben die Ärzte zu schnell Tabletten“, ist seine Beobachtung. „Noch dazu viel durcheinander.“ Außerdem vergehe viel Zeit, bis Patienten mit Schmerzen einen Untersuchungstermin bekommen. Danach ziehen oft weitere Wochen oder gar Monate ins Land, bis eine Behandlung erfolgt. „In dieser Zeit können die Schmerzen chronisch werden“, sagt der gebürtige Chinese.

Unzufrieden mit dem System, eröffnete er 2012 seine erste eigene Praxis für Schmerztherapie in Lauter im Erzgebirge. Sein Ziel: Ein schmerzfreies Leben ohne Tabletten. Neben klassischer Schmerztherapie bietet er dafür auch chinesische Methoden wie Akupunktur an. „Der Bedarf ist da“, sagt Chang. „Ich bin die letzte Hoffnung der Patienten. Jeder, der zu mir kommt, gilt in der Schulmedizin als austherapiert, als nicht mehr zu retten.“ Aus ganz Deutschland, sogar aus anderen europäischen Ländern sind die Leute ins Erzgebirge gereist, um sich von ihm behandeln zu lassen. Irgendwann nach Dresden zurückzukommen, war immer sein Wunsch.

Bereits im Februar wurde der Arzt auf die leer stehenden Räume im Gesundheitszentrum Klotzsche aufmerksam. Es sind mit 250 Quadratmetern die größten. Derzeit werkeln hinter den Glastüren in der ersten Etage noch die Handwerker, Fußböden müssen verlegt werden. Acht Behandlungsräume soll es geben. Darunter ein Zimmer, in dem ausschließlich Kinder und Babys behandelt werden. „Ich nehme Patienten von der Geburt bis ins hohe Alter auf“, sagt Chang. Bei den kleinen Patienten drückt er bei der Bezahlung auch gerne mal ein Auge zu und verlangt weniger. Ansonsten ist eine Behandlung bei ihm aber eine kostspielige Angelegenheit.

„Die Preise variieren. Aber ein Student oder jemand mit durchschnittlichem Verdienst kann sich das nicht leisten“, sagt Chang. Von 70 bis über 300 Euro können Patienten beim Mediziner hinblättern – je nachdem, welche Behandlung notwendig ist. „Es ist ein Ärgernis, dass die Krankenkassen die Behandlung nicht übernehmen.“ Er habe mehrfach mit Kassen gesprochen. „Da führte kein Weg rein.“

Dabei werden Akupunkturleistungen teilweise übernommen, wie die Ärztekammer Sachsen auf SZ-Anfrage mitteilt – allerdings nur bei Behandlungen von chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder in mindestens einem Kniegelenk. Die Schmerzen müssen zudem mindestens sechs Monate bestehen. Zudem müssen Ärzte bestimmte Nachweise erbringen, sagt Katharina Bachmann-Bux, Sprecherin der Ärztekammer Sachsen. Sie müssen darüber hinaus regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen. Grundsätzlich ist die Kostenübernahme, die seit 2007 gilt, aber ein Bekenntnis zur Akupunktur. Dabei wird in Schulmediziner-Kreisen durchaus an der Wirksamkeit der Methode gezweifelt.

„Die Wirksamkeit der Akupunktur ist auf höchstem wissenschaftlichem Standard für einige Indikationen nachgewiesen. Dazu gehören chronische Kopf-, Schulter und Rückenschmerzen, Schmerzen bei Kniegelenksarthrose, Übelkeit und Erbrechen, akute postoperative Schmerzen“, sagt hingegen Dominik Irnich. Er ist Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Leiter der Interdisziplinären Schmerzambulanz am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Außerdem ist Irnich eines von rund 8 400 Mitglieder der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA). Zum Vergleich: In der Bundesärztekammer sind fast 500 000 Mitglieder. Zwar sind Nachfrage und Angebot in den neuen Bundesländern geringer. Dennoch praktizieren in Dresden derzeit 69 Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Akupunktur.

Tag der offenen Tür: Sonnabend, 4. November, von 10 bis 18 Uhr im Gesundheitszentrum Klotzsche auf der Königsbrücker Landstraße 98, Eingang A, 1. OG, Praxis 2.01