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Mit Nadel und Wolle gegen den Stress

Silvia Wiltzsch strickt leidenschaftlich gerne – und hilft damit Kindern, für die es sonst nichts Passendes gibt.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde/Kreischa. Erst als Erwachsene hat Silvia Wiltzsch das Stricken so richtig für sich entdeckt. Vorher gab es schon drei Anläufe, bei denen aber nie der Durchbruch folgte. „Seinerzeit im Handarbeitsunterricht in Schmiedeberg haben wir das ja auch gelernt. Aber damals hat meine Mutter die Pflichtreihen für mich gestrickt“, erinnert sich Silvia Wiltzsch, die aus Naundorf stammt.

Um ihre Arbeiten zu zeigen, besorgte die Strickerin sich einen Styroporkopf.
Um ihre Arbeiten zu zeigen, besorgte die Strickerin sich einen Styroporkopf. © Egbert Kamprath
Eine Idee aus ihrer Internet-Strickgruppe: das Sternkissen.
Eine Idee aus ihrer Internet-Strickgruppe: das Sternkissen. © Egbert Kamprath

Heute staunt, wer sieht, was die 48-Jährige alles mit Wolle und Nadel herstellt. Die Produktion von schicker und warmer Kleidung ist das eine. Für Silvia Wiltzsch hat das Stricken noch eine zweite Funktion. „Für mich ist das die richtige Stressbewältigung. Dabei kann ich runterfahren“, erzählt die Tourismusassistentin.

Im Hauptberuf ist sie im Dippoldiswalder Büro des Tourismusverbands Erzgebirge tätig. Dort ist sie hauptsächlich für das Buchungssystem der Ferienwohnungen und für die Einstufung solcher Wohnungen im Osterzgebirge zuständig. Außerdem laufen alle Buchungen für die Mountainbikestrecke Stoneman-Miriquidi im Erzgebirge über ihren Tisch. Ursprünglich hat sie bei der Bahn Facharbeiterin für Eisenbahntransporttechnik gelernt. Im Bahnhof Dippoldiswalde hat sie bis zu seiner Schließung im Jahre 1996 Fahrkarten verkauft.

Nach Feierabend ist es für sie, die heute in Kreischa wohnt, der richtige Ausgleich, wenn sie abends etwas Wolle auf die Nadeln nimmt und dabei Fernsehen gucken kann. Doch ihre Ambitionen gehen inzwischen weit über einen Zeitvertreib nach der Arbeit hinaus.

Schrittweise hat sie sich der Nadelkunst immer mehr genähert. Nach der ersten Begegnung im Schulunterricht hat sich Silvia Wiltzsch mit 16 Jahren von einer Tante das Kunststricken zeigen lassen. Noch etwas später, 1990, nachdem ihr Sohn geboren wurde, hat sie Babymützen, -jäckchen und, was der Kleine sonst noch brauchte, gestrickt.

Endgültig geplatzt ist der Knoten vor sechs Jahren. „Damals war wieder ein Baby in der Familie unterwegs, und ich wollte was schenken.“ Aus dem einen Geschenk wurde eine Reihe, die seitdem nicht wieder endet.

Immer der passende Schal zur Jacke

„Ich habe angefangen, sämtliche Babys in der Familie einzustricken.“ Dazu gehören heute drei Enkel sowie vier Nichten und Neffen. Seitdem strickt sie das ganze Jahr über, auch im Sommer bei Temperaraturen, bei denen sie selbst schwitzt.

Silvia Wiltzsch hat auch begonnen, Strickzeitschriften zu lesen und sich zwei Gruppen im Internet angeschlossen, die Erfahrungen und Vorlagen miteinander austauschen. Eine ist eher klein mit rund 690 Strickinteressenten als Mitglieder. Die andere Gruppe, die von einer Österreicherin geleitet wird, hat 3 600 Mitglieder. Von dort bekommt Silvia Wiltzsch immer wieder neue Anregungen, beispielsweise für ein Kissen in Sternform.

Sie selbst genießt es auch, zu jeder Jacke einen farblich passenden Schal mit Handschuhen zu haben, die sie mit ihren eigenen Händen gestrickt hat. Aber ihre Produktion übersteigt inzwischen den Bedarf von ihr und ihrer Familie, da sie ihr Hobby inzwischen sehr intensiv betreibt.

Daher strickt sie inzwischen auch für Frühchen in Krankenhäusern. Diese Kinder sind verhältnismäßig klein. Daher ist es schwierig, für sie passende Kleidung zu bekommen. Eine Frau im Rheinland koordiniert die Strickerinnen bundesweit, hält ihrerseits Kontakt zu den Krankenhäusern und bekommt Rückmeldungen, was gebraucht wird. Gelegentlich kommt auch ein Dankesschreiben von einer Klinik. Manche Sachen sind dann auch für Sternenkinder bestimmt, verstorbene Babys. Die werden damit für ihre Beerdigung hübsch ausgestattet.Die Strickerin hat ihre Mützen, Handschuhe auch auf dem Handwerkermarkt im Rahmen des Dippoldiswalder Weihnachtsmarkt angeboten. Hier beobachtet sie aber, dass Menschen oft keine reellen Preise für Textilien zahlen wollen. „Die sehen sich das an, finden es auch schön, aber gucken dann doch, ob es das nicht irgendwo billiger gibt. Ehe ich aber ein Paar Babyschuhe, an denen ich ja auch meine Zeit arbeite, für zwei Euro verkaufe, verschenke ich es lieber“, sagt sie. Wenn sie weiß, dass sie damit jemand hilft, der ihre Strickwaren gut gebrauchen kann, ist das ein gutes Gefühl, wesentlich mehr als nur ein Zeitvertreib nach einem stressigen Arbeitstag.