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Mit Leib und Seele Lehrerin

Wórša Lehmann-Wiæazowa aus Crostwitz blickt auf 45 Schuldienst-Jahre zurück.

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© Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Crostwitz. Vor Weihnachten erschien in der Anthologie „Hodownikowanje“ (Weihnachten feiern) des Bautzener Domowina-Verlages ihre Erzählung „Patoržica“ (Heiligabend). „In diese habe ich meine Kindheitserlebnisse mit einbezogen. So brachte ich gemeinsam mit meiner Schwester alten Menschen Grütze- und Semmelwurst, Fleisch und Kaffee. Meine Eltern waren sehr sozial gesinnt. Das habe ich fürs Leben mitgenommen“, erzählt Wórša Wiæazowa (65), Lehrerin für Sorbisch, Deutsch und Musik in der Crostwitzer Grundschule. Seit fast 45 Jahren ist sie Lehrerin. Damit gehört sie zu den erfahrensten Pädagoginnen im Landkreis Bautzen. „Alles, was ich in der Freizeit schreibe und dichte, lese ich zuerst meinen Schülern vor. Sie sind meine ersten Rezensenten.“ Die Lehrerin lebt Offenheit und Kritikfähigkeit vor. Ursprünglich wollte sie Tänzerin werden. Mit ihrer älteren Schwester Maria meldete sie sich an der Gret-Palucca-Schule an. Diese hatte eine Außenstelle in Bautzen. „Dort brauchten wir Spitzenschuhe“, erinnert sie sich. „Sie waren teuer. So arbeitete ich oft samstags in der Gärtnerei im Nachbarort Höflein.“

Fünf Kinder waren sie zu Hause bei Nowakec in Crostwitz. Vater kehrte erst spät 1947 aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. „Oft betete ich im Stillen für meinen Traum Tänzerin, denn man wollte mich später zur Ausbildung nach Dresden delegieren“, sagt Wórša Wiæazowa. „Doch dazu fehlte den Eltern das nötige Geld.“ Deshalb beendete der Vater mit einem Satz jegliche Diskussion zu diesem Thema. So war Lehrerin zu einer Alternative geworden. „So konnte ich zumindest von dem, was ich in Bautzen erlernt habe, zehren. Ich konnte den Schülern das Tanzen, aber auch das Singen beibringen, die Freude an der Bewegung, die Freude am Mitwirken wecken.“

1970 die erste Unterrichtsstunde

Vier Jahre studierte sie Lehrerin am Sorbischen Lehrerbildungsinstitut in Bautzen. 1970 hielt sie ihre erste Unterrichtsstunde. „Das war in Radibor vor einer 3. Klasse. In dieser alten Schule hatte früher der Lehrer und Dichter Micha³ Nawka gewohnt.“ In der sorbischen A-Klasse lernten nur acht Schüler. Sie studiert mit ihnen Sketche ein. Sie spürte: nur reiner Unterricht reicht nicht aus als geistige Nahrung. Kinder brauchen in der Schule auch Kultur, Kunst, Literatur und Sprachförderung. Von 1971 bis 1980 unterrichtete sie in der Schule Räckelwitz. Hier erlebte sie gute Kooperation und Kommunikation unter den Kollegen.

Wórša Wiæazowa spürte ein wunderbares Geschenk in sich: in Kindern vermochte sie, Talente zu entdecken, zu wecken und zu fördern. „Ich spürte es an Sprachkompetenz, am Wollen, an Bewegungen und daran, wie Kinder Gedichte aufsagen,“ Seit 1980 unterrichtet sie an der Crostwitzer Schule. Auf Augenhöhe mit den Schülern. „Ich nehme die Kinder ernst und sie mich. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Es fasziniert mich, wie sie zum Beispiel den Computer und die neue Technik beherrschen.“

Mit den Kindern in die Natur

Schon damals in Räckelwitz ging sie gern mit den Kindern in die Natur. Das führt sie in Crostwitz fort. „Die Kinder sollen ihre Heimat lieben, ergründen und schätzen lernen.“ Beim Wandern achtet sie immer wieder auf kleine Details. Diese zeigen erst die Schönheit der Region. So führt sie die Kinder zur Ostroer Schanze, zum Klosterwasser, zu kleinen bereits vergessenen Steinbrüchen und bringt somit nicht nur die Natur, sondern auch die Geschichte der näheren Heimat nah.

Wórša Wiæazowa schrieb schon mehrere größere Theaterstücke und Revues für Kinder. Sie brachte diese erfolgreich auf die Bühne. In der Crostwitzer Schule führte sie auch eine Zeit lang einen Literaturzirkel für Korrespondenten einer Kinderzeitschrift. Sie erinnert sich an ihre eigene erste Begegnung mit Literatur. In der Familie des verstorbenen Crostwitzer Pfarrers Martin Lehmann war Wórša Wiæazowa als Kind öfters zu Besuch. „Ich sehe noch heute den vollen Bücherschrank vor mir. Diese Fülle an Literatur faszinierte mich. Und später hat mir vor allem mein Mann die sorbische Literatur und Geschichte nahe gebracht.“ Heute wird beim Besuch ihrer erwachsenen Kinder oft über Theateraufführungen, Weltliteratur, Geschichte und Politik diskutiert. Freude und Glück hat sie auch mit ihren Enkelkindern. Beim Zuhören merkt man, dass Wórša Wiæazowa für den Lehrerberuf brennt und voller Leidenschaft aufgeht. „Früh am Morgen bin ich dankbar, dass ich gesund aufstehe, genug Energie und Kraft besitze, noch voll im Lehrerdasein zu wirken.“