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Mit Karacho in den Ruhestand

Die Direktoren und Namen des Hotels Newa wechselten – der Küchenchef blieb. Nach 46 Jahren hat er nun andere Pläne.

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© René Meinig

Von Nadja Laske

Dresden. Der Abschied geht flott vonstatten. Maishähnchen und Schweinemedaillons hintereinanderweg. So bleibt Dieter Dornig keine Zeit, jede Schöpfkelle einzeln umzudrehen und ihr ein Lebewohl zuzuraunen. Die letzten Tage seiner Zeit als Küchenchef im Pullman Hotel Dresden Newa waren zu voll. Bevor der 63-Jährige in den Ruhestand geht und seinem bisherigen Stellvertreter alle Verantwortung für die Hotelgastronomie, das Bankettwesen und die Köcheausbildung übergibt, gönnt er seinem Nachfolger ein paar wohlverdiente Urlaubstage. Kurz vor der Rente bedeutete das für Dornig, bis zum letzten Tag mit Karacho die Küche zu schmeißen.

Außerdem liegt es in der Natur der Sache, dass er seine eigene Abschiedsfeier mit vorbereitet. Auf der begrüßt Dieter Dornig am Mittwoch Kollegen und Mitarbeiter des Hotels, Wegbegleiter seiner Branche und Partner, natürlich auch Hoteldirektor Daniel Schlomann und den künftigen Küchenchef Dirk Kreller. „Bis zum Schluss so viel zu tun zu haben, macht das Gehen leichter“, sagt Dornig. Einfach sei es trotzdem nicht, ein so wichtiges Kapitel des Lebens zu schließen. „Es ist immerhin das längste.“ Dafür wisse er aber auch, was er nach 46 Jahren mit seiner Arbeit hinterlässt. Und zwar mehr als blitzende Töpfe, glänzende Ceranfelder und gut geordnete Dienstpläne. Dieter Dornig hat die Hotel-Gastronomie entscheidend mitgestaltet.

Als er mit 16 Jahren seine Ausbildung im gerade eröffneten Interhotel Newa begann, gehörte er bereits zu den Köchen der Zukunft. Die besten Voraussetzungen brachte er mit, weil seine Eltern selbst ein Gasthaus betrieben und Dieter Dornig sozusagen am Herd groß geworden ist. „Es gab damals aber auch sehr viele Bewerber für die Lehrstellen, und wir mussten ein umfangreiches Aufnahmeverfahren durchlaufen“, erinnert er sich. Schließlich galt die Interhotel-Kette der DDR als absolute Premium-Hotellerie, in der vor allem Reisegruppen aus der Sowjetunion und dem sogenannten nicht sozialistischen Wirtschaftsgebiet, sprich aus dem Westen, zu Gast waren.

Noch besser im Gedächtnis als der Bewerbungstest ist ihm folgende Episode: „Ich hatte meine Ausbildung gerade begonnen, da sagte mein Chef zu mir: „Dornig, hier sind zwei Rehrücken, die brauche ich morgen für ein Buffet. Dein Vater hat doch ne Kneipe, da weißt du ja, wie das geht.“ Doch das elterliche Lokal stand in Königsbrück. Zwar war der einzige Sohn der Wirtsleute von dort in die große Stadt gegangen, um sich gut ausbilden zu lassen und später deren Nachfolge anzutreten. Aber diese Ausbildung war halt erst ein paar Tage alt, und Dieter Dornig wohnte zu der Zeit bei seiner Tante in Dresden. Da konnten ihm Vater und Mutter nicht viel helfen. „Ich habe fieberhaft nachgelesen, wie man Rehrücken zubereitet und vor Aufregung kaum geschlafen, aber ich hab’s hinbekommen.“ Es sollte nicht die letzte besonders anspruchsvolle Arbeit bleiben, die ihm sein Vorgesetzter anvertraute.

Entsprechend geradewegs stieg Dieter Dornig die Karriereleiter hinauf. Dass es wohl nichts werden würde mit dem Lokal seiner Eltern, merkte er schon während der Ausbildung. „Es war zu schön hier zu arbeiten und mit all der Technik und den Lebensmitteln umzugehen, die uns in einem so großen Haus zur Verfügung standen“, sagt er und ist noch heute über das Verständnis seiner Familie froh.

So kam es, dass er schließlich als Chefkoch der Sängerin Katja Ebstein den gewünschten Fasan auf Elsässer Art, also mit Sauerkraut, kredenzte. Groß war die Aufregung, als Kubas Präsident Fidel Castro bei seiner Anreise völlig ungeplant den Wirtschaftsaufzug benutzte und plötzlich in der Hotelküche landete. Später feierte Showmaster Frank Elstner eine After Show Party im Hotel Mercure Newa, wie es damals hieß, und brachte jede Menge Prominenz mit. Für sie wie für alle anderen Gäste war Dieter Dornig ständig auf der Suche nach den besten Produkten. „Es gab in der DDR auch einen Großhandel, dort habe ich per Katalog bestellt.“ An eine Lieferung Weinbergschnecken indes kam er nur mit guten Kontakten. Überhaupt zahlten sich die jahrelangen Beziehungen zu den Bauern in der Region aus. Gekauft wurde, was es gab: „Waren gerade Champignons in rauen Mengen da, froren wir für den Rest des Jahres ein.“ Lagerhaltung ist inzwischen nicht mehr üblich. Heute können Gastronomen fast alles frisch kaufen.

Viele Veränderungen hat Dieter Dornig miterlebt. Zweimal begleitete er den Umbau seines dienstlichen Reiches. Als 2002 die Flut die gesamte Küche in den Kellerräumen und die erste Etage des Hotels unter Wasser setzte, stand ein drittes Mal die Sanierung an – sogar des gesamten Hauses. „Architekten, Bauleiter, Ingenieure und unser Hoteldirektor haben mich in die Planung einer neuen, hochmodernen Küche mit einbezogen“, sagt Dornig. Er kennt das Kochen noch auf Gas- und Elektroherden. „Die wurden morgens an- und abends ausgestellt, entsprechend heiß war es in der Küche.“ Nun gibt es Induktionsherde und Dampfgarer und schonende Verfahren. „Früher haben wir alles zerkocht. Die Ansprüche an Qualität und Verarbeitung der Produkte sind heute viel höher.“

Genau wie der Stellenwert des Kochens allgemein. „Ich finde toll, wie sich junge Leute immer mehr dafür interessieren“. Wenn sich Dieter Dornigs Kinder am Telefon Tipps geben lassen und dann ein Handyfoto vom gelungenen Braten schicken, ist das für den Profi ein Genuss.