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Mit frischer Pasta gegen die Großen

Eine Zittauer Teigwarenproduzentin sagt, dass die neue Masche der Supermärkte mit regionalen Produkten absurd ist.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Schon lange bevor die Ladentür am Morgen bei Pasta Fantastica aufgeht, produziert Corinna Ulbrich gemeinsam mit ihrer Kollegin in der Küche Teig und richtet Ravioli an. Frische steht im „Nudelladen“ auf der Neustadt an erster Stelle, nicht nur weil am Dienstag Weltnudeltag war. Die kulinarische Bandbreite der Teigwaren scheint endlos, ob als Hauptnahrungsmittel oder in der Spitzengastronomie, die Nudel kann viele Anforderungen erfüllen und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Auch die Deutschen essen immer mehr davon.

Trotzdem sieht Marina Nemirovsky, die Inhaberin von Pasta Fantastica, die Entwicklung kritisch, denn die Menschen in der Region verlieren scheinbar das Interesse an der Erhaltung regionaler Produzenten und erledigen ihre Einkäufe „zeit- und geldsparend“ in den Discountern. Deshalb steht ihr Unternehmen zunehmend im Wettbewerb mit „den Großen“, den Discountern und Supermärkten. Die nehmen neuerdings regionale Produkte ins Sortiment und werben mit „Frische aus der Region“. Nachdem die Großmärkte den Bio-Boom vereinnahmt und industrialisiert haben, heißt die neue Strategie „regional und frisch“. Dass das Bio-Siegel nicht ökologisch ist, hat die Pastaproduzentin selbst erfahren, als sie ihre Produkte 2005 zertifizieren ließ, um Bioläden in Sachsen und Edeka in Nürnberg beliefern zu können. Um die Vorgaben erfüllen zu können, kaufte sie Basilikum aus Marokko, Kräuter aus Israel und Gemüse aus Italien. „Was ist da noch Bio, bei der Öko-Bilanz?“, fragte sie sich und stellte wieder auf konventionelle, aber regionale Produktion um.

Seither produziert Pasta Fantastica die Teigwaren mit Zutaten aus der Umgebung, frei von allen Zusatzstoffen. Die Gärtnerei Hofmann pflanzte eigens dafür verschiedene Kräuter an, Wurst Wagner aus Mittelherwigsdorf liefert Füllungen für die Ravioli, der Hartweizengrieß und das Mehl kommen aus Dresden oder von der Bertholdmühle in Oderwitz.

Marina Nemirovsky hält die Regionalkampagne der Supermärkte für „völlig absurd“. Dem Verbraucher wird ein gutes Gefühl vermittelt und die Förderung regionaler Kreisläufe suggeriert. Die Praxis sehe jedoch anders aus, die Großmärkte verpacken Ware in Plastik, benötigen große Mengen und werfen über die Hälfte der frischen Produkte weg, so die Unternehmerin. Ganz davon abgesehen, dass die Mitarbeiter in den Märkten weder die Zeit noch die Kenntnisse haben, um Kunden kompetent zu beraten. Erst sind die Bäckereien von der „Backstation“ im Supermarkt ersetzt worden, jetzt soll noch der Rest der kleine Produzenten aus dem Stadtbild verschwinden, so die Oberlausitzerin.

Rewe suche derzeit nach regionalen Partnern. Eine Anfrage, den neuen Rewe-Markt in der Hochwaldstraße zu beliefern, lehnte Frau Nemirovsky ab. „Ich hätte die Nudeln wegen der Haltbarkeit pasteurisieren müssen, sollte sie in Plastik verpacken und codieren“, erzählt sie und ergänzt: „Nicht mit meinem Produkt“. Ihre frische Pasta hält eine Woche und wird lose verkauft. Der Kunde nimmt so viel, wie er essen möchte. Das Konzept funktioniert in den eigenen Läden in Zittau und Görlitz, mit dem Pasta Fantastica-Mobil auf Wochenmärkten in Dresden und in der Gastronomie, beispielsweise im Trixi-Bad oder in der „Weinkehr“ in Zittau.

Die 49-Jährige ist in der Slow-Food-Bewegung aktiv. In der weltweite Vereinigung agieren bewusste Genießer und mündige Konsumenten. Sie pflegen die Kultur des Essens und Trinkens. Die Non-Profit-Organisation fördert eine verantwortliche Landwirtschaft, artgerechte Viehzucht, das traditionelle Lebensmittelhandwerk und setzt sich für die Bewahrung der regionalen Geschmacksvielfalt ein. „In der Oberlausitz sind wir gut vernetzt“, sagt Frau Nemirowsky. Bei regelmäßigen Treffen lernen sich die Produzenten untereinander kennen, so entstehen Ideen und Kooperationen. Am Jahresende geht Pasta Fantastica über die Grenze. Ein Direktvermarkter in Tschechien wird die Pasta in sein Sortiment aufnehmen. Wer selbst einmal frische Pasta herstellen möchte, kann einen Workshop buchen. Diese Möglichkeit nutzen auch Unternehmen am Jahresende, um mit ihren Mitarbeitern in der Weihnachtszeit selbst produzierte Nudeln bei einem Glas Wein zu genießen.

Kauf lokal ist eine Initiative, mit der die SZ den Wandel im Einzelhandel publizistisch konstruktiv begleitet, um unsere Innenstädte zu beleben.