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Mit Fraunhofer gegen Kriminelle

Die Hochschule startet zwei Großprojekte. Es geht um mehrere Millionen Euro. Jetzt kommt viel Prominenz nach Görlitz.

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© dpa

Von Ingo Kramer

So viel Prominenz sieht der Görlitzer Hochschulcampus nicht alle Tage: Die Bundes-bildungsministerin hat sich für Mittwoch angesagt, der sächsische Ministerpräsident kommt auch, dazu die sächsische Wissenschaftsministerin, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, und, nicht zuletzt, der Görlitzer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer. Über ihn freut sich der Görlitzer Informatik-Professor Jörg Lässig ganz besonders: „Michael Kretschmer hat für uns gekämpft und die Sache maßgeblich voran gebracht.“

Andreas Hoff ist Professor für Soziale Gerontologie, Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften – und jetzt auch noch Direktor des Forschungsinstituts Gesundheit, Altern und Technik (GAT).
Andreas Hoff ist Professor für Soziale Gerontologie, Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften – und jetzt auch noch Direktor des Forschungsinstituts Gesundheit, Altern und Technik (GAT). © Pawel Sosnowski

Die Sache, das ist das „Lernlabor Cybersicherheit“, ein Projekt, bei dem die Hochschule Zittau/Görlitz mit dem Fraunhofer-Institut in Ilmenau kooperiert. Inhaltlich geht es grob gesagt darum, Schulungen für Vertreter aus der Wirtschaft zum Thema Sicherheit im Internet zu entwickeln und durchzuführen. Allerdings nicht einfach Sicherheit vor Trickbetrügern oder dergleichen, sondern vor Angriffen und Sabotageakten auf hochkomplexe Anlagen und kritische Infrastrukturen, etwa Energieversorger, Wasserwerke, Abwasserleitungen oder Gasnetze. Die IT-Steuerung, die Vernetzung, aber auch die zunehmende Automatisierung machen diese hochkomplexen Anlagen anfällig für Angriffe und Sabotageakte von Internet-Kriminellen. Die dreitägigen Schulungen sollen so entwickelt werden, dass sie exakt dem Bedarf entsprechen und nicht an der Realität vorbeigehen.

Bundesamt warnt vor Angriffen

Der Bundespolitik ist dieses Thema wichtig. In der Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland von 2016 schreibt das Innenministerium: „Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland werden von dieser Bedrohungslage in den kommenden Jahren in erheblichem Maße betroffen sein.“ Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt laut „Zeit Online“ vor einer hohen Zahl an Cyberangriffen auf Behörden und Unternehmen. Allein der Volkswagen-Konzern gebe die Zahl der Cyberattacken auf sein IT-Netz mit 6 000 Fällen pro Tag an, sagte BSI-Präsident Arne Schönbohm der Bild-Zeitung. „Und wir stellen jeden Tag allein mehr als 20 hoch spezialisierte Angriffe auf das Regierungsnetz fest“, so Schönbohm. Das Statistik-Portal „Statista“ berichtet sogar von weltweit fast 43 Millionen registrierten Angriffen über das Internet allein im Jahr 2014 – Tendenz deutlich steigend. Deshalb errichtet der Bund jetzt deutschlandweit zwölf „Lernlabore Cybersicherheit“, an denen jeweils die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt ist. Und das Engagement von Lässig und Kretschmer – jeder auf seinem Gebiet – hat dafür gesorgt, dass Görlitz einer dieser zwölf Standorte wird. Fraunhofer ist ein Spitzeninstitut der angewandten Forschung. „Da ist es sinnvoll, mit Hochschulen zusammenzuarbeiten“, sagt Jörg Lässig. Jedes Labor wird vom Bund mit jährlich rund einer Million Euro unterstützt. Bisher sind die Mittel für zwei Jahre bewilligt, bis Ende 2018. Zwei Millionen Euro fließen also ganz sicher nach Görlitz und Ilmenau. „Und es gibt einen großen politischen Willen, es auch danach weiterzuführen“, so der Professor. Er hat für das Lernlabor bereits drei zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, ein vierter kommt demnächst hinzu. Studenten sind erst einmal nicht einbezogen. „Das wird aber später noch einmal besprochen, vielleicht findet sich ein Weg der Ausbildung in diesem Bereich“, erklärt Jörg Lässig, der auch Prodekan der Fakultät Elektrotechnik und Informatik ist.

Der 39-Jährige ist seit 2011 in Görlitz. Exakt genauso lange wie Andreas Hoff. Der ist 10 Jahre älter und hat ein ganz anderes Fachgebiet: Hoff ist Professor für Soziale Gerontologie und dazu auch Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften. Doch die beiden Professoren haben noch etwas gemeinsam: Sie setzen sich für die Vernetzung ihrer Fachrichtungen ein. Daraus ist jetzt noch ein zweites Großprojekt entstanden, das möglicherweise auch bald viel Geld nach Görlitz lenken wird: Das Forschungsinstitut Gesundheit, Altern und Technik (GAT). Hier geht es nicht um Internetkriminalität, sondern um die Alterung der Gesellschaft. Dieses Thema ist wie geschaffen für Ostsachsen. „Aus einem vermeintlichen Standortnachteil können wir hier einen Vorteil machen“, sagt GAT-Direktor Hoff. In der Region leben viele ältere Leute, „dadurch sind wir ohnehin ständig mit dem Thema konfrontiert.“

Hilfen für ältere Leute

Inhaltlich geht es hauptsächlich darum, dafür zu sorgen, dass ältere Leute möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben können. Wenn die Angehörigen – wie das heute oft der Fall ist – weit entfernt leben, sollen technische Hilfsmittel zum Einsatz kommen, etwa die automatische Abschaltung von Herd, Spül- und Waschmaschine oder die Überwachung der Wohnungstür. „Technik soll dabei aber nicht Menschen ersetzen, sondern unterstützen“, betont Hoff. Dazu arbeiten bei GAT drei Bereiche zusammen – die Sozialwissenschaftler um Hoff, die Informatiker um Lässig und die Gesundheitswissenschaftler um die Professorin Yve Stöbel-Richter, außerdem viele Praxispartner. Erstere führen beispielsweise Befragungen durch, um die Bedürfnisse der älteren Menschen kennenzulernen. Daraus kann dann neue Technik entwickelt werden.

Diese Woche steht aber erst einmal das Lernlabor Cybersicherheit im Mittelpunkt. Am Mittwochnachmittag wird es eröffnet. Und danach soll es schnell richtig loslegen. „Dieses Projekt trägt ganz maßgeblich zur Entwicklung des IT-Standortes Görlitz bei“, sagt Jörg Lässig: „Jetzt ist es an uns, das Ganze inhaltlich zu gestalten.“