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Mit Ebola kommt auch der Hunger

In Westafrika droht das nächste Drama: Die Welthungerhilfe warnt vor einer ernsten Ernährungskrise in Liberia.

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Frau Hanano, in Westafrika haben sich bisher rund 5.000 Menschen mit Ebola infiziert. Jeder zweite ist gestorben. Ist Ebola noch zu stoppen?

Asja Hanano koordiniert die Arbeit der Deutschen Welthungerhilfe in Liberia.
Asja Hanano koordiniert die Arbeit der Deutschen Welthungerhilfe in Liberia. © dpa

Ja, das hoffen wir natürlich. Alles, was wir tun, ist auf dieses Ziel gerichtet. Wie lange das dauern wird, kann allerdings niemand seriös voraussagen.

Warum ist es bisher nicht gelungen, die Ausbreitung der Seuche einzudämmen?

Bisher haben die notwendigen Voraussetzungen dafür gefehlt. In Liberia und den anderen betroffenen Staaten mangelt es an allem – an medizinischer Ausrüstung und geschultem Personal, an Medikamenten, an Isolierstationen. Es hat zu lange gedauert, bis die internationale Hilfe kam.

Auch Unwissen und Aberglauben behindern die Bekämpfung der Seuche. Gibt es ein wirksames Gegenmittel?

Die Bevölkerung muss verstehen, worin die eigentliche Gefahr besteht. Viele Menschen begreifen noch immer nicht, dass sie sich mit einfachsten Mitteln schützen können. Das fängt damit an, jede Berührung mit Infizierten oder Toten zu vermeiden, und hört mit simplen Hygieneregeln auf. Doch ans Händewaschen zu erinnern, hilft wenig in Gegenden, wo es überhaupt kein sauberes Wasser gibt, wie in vielen Wohnvierteln der Hauptstadt Monrovia.

Wie hilft Ihre Organisation vor Ort?

Die Welthungerhilfe arbeitet schon seit dem Ende des Bürgerkrieges in Liberia, also seit mehr als zehn Jahren. Wir haben den Vorteil, mit den Verhältnissen auch in den ländlichen Gebieten gut vertraut zu sein. Unsere Mitarbeiter betreuen dort schon lange Projekte für die ländliche Entwicklung. Wenn sie jetzt kommen, mit den Menschen sprechen und sie über die Gefahren von Ebola aufklären, hört man ihnen auch zu. Die Bevölkerung weiß: Da kommen keine Fremden; irgendwelche Leute, die sie noch nie gesehen haben. Wir haben uns bei den Menschen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Das gilt übrigens auch für die lokalen Behörden und Amtsträger . Das zahlt sich jetzt aus.

Wie werden die Menschen reagieren, wenn die USA jetzt Sanitätssoldaten schicken?

Das kann man nicht sagen. Es ist zwar begrüßenswert, dass Hilfe kommt – egal, in welcher Form. Die 3.000 US-Soldaten sollen Kliniken aufbauen und medizinisches Personal schulen. Doch sie sollten darauf vorbereitet sein, dass man ihnen möglicherweise mit Misstrauen begegnet. Auf Uniformen reagiert man in einem ehemaligen Bürgerkriegsland ohnehin oftmals eher ängstlich.

Die Vereinten Nationen haben vor einem inneren Kollaps der Ebola-Staaten gewarnt. Welche Anzeichen gibt es dafür?

Für so dramatisch halte ich die Situation noch nicht. Von einem Kollaps zu sprechen, ist verfrüht. Aber Liberia und Sierra Leone sind keine gefestigten Staatswesen. Beide Länder haben noch immer mit den Folgen jahrelanger Bürgerkriege zu kämpfen. Die Spuren sieht man in maroder Infrastruktur, unzureichender Gesundheitsversorgung und schlechter Verwaltung. Der Herausforderung, gegen eine gefährliche Epidemie wie Ebola zu kämpfen, sind fragile Staaten einfach nicht gewachsen.

Wie wirkt sich die Seuche auf die weitere Entwicklung Liberias aus?

Man muss befürchten, dass das Land möglicherweise um mehrere Jahre zurückgeworfen wird. Und die nächste Krise droht bereits. Das kann man in den Regionen erahnen, in denen Ebola zuerst liberianischen Boden erreichte – im Nordwesten, der traditionell der „Brotkorb“ des Landes ist. Die Ausbreitung von Ebola hat dazu geführt, dass Felder nicht bestellt, Ernten nicht eingebracht werden. Landwirtschaftliche Produkte erreichen zudem die Märkte in den Städten nicht mehr. Liberia ist ohnehin stark von Importen abhängig. Aber aus den Nachbarländern kommen keine Lieferungen, weil die Grenzen inzwischen geschlossen sind. Das alles hat bereits zu Preissteigerungen geführt.

Befürchten Sie eine Hungerkatastrophe?

Mit solchen Schlagwörtern sollte man vorsichtig sein. Allerdings ist ganz offensichtlich, dass in Liberia nicht nur eine Gesundheitskrise herrscht. Wenn die Länder in den kommenden Monaten keine strukturellen Hilfen bekommen, kann es ernst werden. Wenn die Nahrungsmittel noch knapper werden sollten, könnte das Land in den kommenden Monaten Probleme bekommen, die Bevölkerung ausreichend zu ernähren.

Ist Ihre Organisation darauf vorbereitet, Liberia mit Nahrungsmittellieferungen zu unterstützen?

Das passiert ja teilweise schon. Wir prüfen auch, ob wir Gesundheitsstationen mit Nahrungsmitteln beliefern.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das zuständige Entwicklungsministerium gibt es eine Budgetlinie für Unvorhergesehes, die uns ganz unproblematisch und sofort zur Verfügung gestellt wurde.

Das Gespräch führte Frank Grubitzsch.