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Mit der Polizei auf Streife beim Stadtfest

Die Polizei versteht keinen Spaß! Ein Verdächtiger, eine Massenschlägerei und unsittliche Berührungen rufen die Ordnungshüter auf den Plan. Manchmal machen die Beamten aber eine Ausnahme.

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© Tobias Wolf

Von Tobias Wolf

Die Handschellen klicken gleich zweimal am Samstagnachmittag. Vor der Frauenkirche hat Polizeihauptmeister Werner Kazimiers der „Delinquentin“ aus dem Erzgebirge die Handfesseln angelegt – zum Vergnügen ihrer Freundinnen. Die Damen feiern Junggesellinnenabschied. Starke uniformierte Männer sind das ideale Fotomotiv fürs Hochzeitsalbum. Zuvor hatte sich schon ein als Rotkäppchen verkleideter Bräutigam gefangen nehmen lassen. Der 61-jährige Polizist und sein Kollege Michael Büttner machen die Späße mit. Sie haben sich freiwillig für den Streifendienst auf dem Stadtfest gemeldet. Bis zu 120 Kollegen sind mit ihnen im Einsatz.

Auch, wenn die Sicherheitsvorkehrungen nichts Gutes erahnen ließen – mit Betonsperren, Wachtürmen und einer Einsatztruppe mit besonderen Waffen auf Abruf – die Ereignisse von Nizza und München haben ihre Schatten bis nach Dresden geworfen. Sonst sind die Männer als Bürgerpolizisten in Blasewitz auf Streife. Auch auf eine Gefahrenlage wären Kazimiers und Büttner vorbereitet. Erst vor wenigen Tagen haben sie auf dem Schießstand trainiert. Nach der Stadtfeststreife werden sie acht Kilometer hinter sich haben – begleitet von viel guter Laune. „Die Leute sind sehr offen und nett“, sagt Kazimiers. „Nur selten kommen dumme Sprüche.“

Ständig werden sie von Einheimischen und Touristen nach dem Weg gefragt. Geduldig erklären die Männer den Weg, im Notfall holen sie ihr Handy raus und suchen die richtige Adresse im Internet. Sie wollen als Freund und Helfer wahrgenommen werden und durch ihre Präsenz vor allem das Sicherheitsgefühl stärken. „Wie geht’s euch“, ruft ein älterer Herr im Vorbeigehen, und: „Gut, dass ihr da seid.“

Ansonsten erklären die Polizisten Gästen den Weg oder posieren mit Junggesellinnen für ein Foto.
Ansonsten erklären die Polizisten Gästen den Weg oder posieren mit Junggesellinnen für ein Foto. © Tobias Wolf

Stadtfest - Freitag

Der Dresdner Kreuzchor singt zur Eröffnung auf dem Dresdner Stadtfest am Freitagabend.
Der Dresdner Kreuzchor singt zur Eröffnung auf dem Dresdner Stadtfest am Freitagabend.
"Kein schöner Land" erklingt.
"Kein schöner Land" erklingt.
Der Kreuzchor singt an diesem Abend an mehreren Stellen.
Der Kreuzchor singt an diesem Abend an mehreren Stellen.
Auf den Theaterplatz mehrere Tausend Menschen zur Eröffnungsfeier gekommen.
Auf den Theaterplatz mehrere Tausend Menschen zur Eröffnungsfeier gekommen.
In den vorderen Reihen hat man den besten Blick zur Bühne.
In den vorderen Reihen hat man den besten Blick zur Bühne.
Für die Reihen weiter hinten gibt es immerhin noch eine Leinwand.
Für die Reihen weiter hinten gibt es immerhin noch eine Leinwand.
Ein Polizeiboot fährt auf der Elbe am Dampfer "Dresden" vorbei.
Ein Polizeiboot fährt auf der Elbe am Dampfer "Dresden" vorbei.
Kaum ist das Stadtfest eröffnet, strömen viele Besucher zum Artistico, einer großen transportablen Schaukel.
Kaum ist das Stadtfest eröffnet, strömen viele Besucher zum Artistico, einer großen transportablen Schaukel.
Die Anlage steht am Elbufer gegenüber der historischen Altstadtkulisse.
Die Anlage steht am Elbufer gegenüber der historischen Altstadtkulisse.
Im Hintergrund zu sehen: die Frauenkirche
Im Hintergrund zu sehen: die Frauenkirche
OB Dirk Hilbert meint, das Dresdner Fest sei das größte Stadtfest Deutschlands und inzwischen "erwachsen" geworden.
OB Dirk Hilbert meint, das Dresdner Fest sei das größte Stadtfest Deutschlands und inzwischen "erwachsen" geworden.
Etwa eine Stunde vor Beginn des Eröffnungskonzerts am Theaterplatz sieht es so aus.
Etwa eine Stunde vor Beginn des Eröffnungskonzerts am Theaterplatz sieht es so aus.
Die Aussichtsplattform eines "Security Tower" oder auch Wachturms am Terrassenufer bei Theaterplatz.
Die Aussichtsplattform eines "Security Tower" oder auch Wachturms am Terrassenufer bei Theaterplatz.
Der "Security Tower" oder auch Wachturm in ganzer Größe über dem Theaterplatz.
Der "Security Tower" oder auch Wachturm in ganzer Größe über dem Theaterplatz.
Die Starter des Dresdner Nachtlaufs genießen noch die letzten Lichtstrahlen des Tages.
Die Starter des Dresdner Nachtlaufs genießen noch die letzten Lichtstrahlen des Tages.
13,8 Kilometer später, nach der Runde über die Wilsdruffer Straße,  auf der linken Elbseite zum Blauen Wunder und auf der anderen Elbseite wieder zurück, sahen die Lichtverhältnisse schon etwas anders aus.
13,8 Kilometer später, nach der Runde über die Wilsdruffer Straße, auf der linken Elbseite zum Blauen Wunder und auf der anderen Elbseite wieder zurück, sahen die Lichtverhältnisse schon etwas anders aus.
Die Läufer allerdings auch, nach dem erfolgreichen Zieleinlauf.
Die Läufer allerdings auch, nach dem erfolgreichen Zieleinlauf.
Gratulation an alle wackeren Renner.
Gratulation an alle wackeren Renner.

Stadfest - Samstag

Stadtfest - Sonntag

Eine Touristenfamilie aus Bad Segeberg will mit dem Auto in ein Hotel nahe der Frauenkirche. Das ist angesichts der Besuchermassen aussichtslos, doch Kazimiers und Büttner lotsen die Familie auf den Fußweg neben dem Kulturpalast. „Am besten Sie gehen zu Fuß zum Einchecken und suchen sich dann Ihre Tiefgarage“, sagt Büttner. Falschparken mit Erlaubnis der Polizei ist hier die sinnvollste Entscheidung.

Dann geht es zum Familienfest auf den Altmarkt. Hunderte Kinder tollen umher, erklimmen aufblasbare Berge oder springen auf dem Trampolin. „Es ist sehr friedlich, aber wir haben alles im Blick“, sagt Kazimiers und deutet auf die Hebebühne inmitten der Massen. Wie vom Ausguck eines Schiffs beobachtet ein Sicherheitsmann den Altmarkt. Plötzlich wird es dann doch noch ernst. „Kommen Sie schnell, es gibt einen Streit an der Hüpfburg“, sagt eine Besucherin. Kazimiers und Büttner eilen zum Eingang. Eine Mittsechzigerin aus Dresden brüllt wütend herum und beleidigt die Beamten. Kazimiers wird ernst. Die Seniorin hat eine muslimische Familie beschimpft: „Geht zurück, wo ihr hergekommen sein.“ Pegida-Dresden lässt grüßen.

Polizei zieht positives Fazit

Der Mann, ein Unternehmer, der seit 20 Jahren in Chemnitz lebt, reagiert scharf, was die alte Dame noch mehr reizt als das Kopftuch der Frau. Kazimiers und Büttner reden auf sie ein – ergebnislos. Sie will es nicht einsehen, bekommt einen Platzverweis, begreift auch dann nicht, wie gut sie davongekommen ist. Es ist das einzige echte Problem in acht Stunden Streifendienst.

Kollegen von Kazimiers und Büttner erleben später noch kurz die diffuse Angst vor dem Terror. Ein Besucher soll mit einer Maschinenpistole umgeschnallt unterwegs sein, heißt es. „Das war ein Regenschirm, der wie ein Gewehr aussah“, sagt Volker Gulitz, Chef des mobilen Reviers am Basteischlösschen. „Wir haben ihn eingezogen, der Besitzer erhält ihn am Montag zurück.“ Eine junge Frau erregt am Samstag Aufsehen, als sie nackt über die Augustusbrücke spaziert und später für Fotos posiert. Ein Kunstprojekt. Weil ein Mann einen anderen als Bratwurst bezeichnet hat, gibt es an der Wallstraße eine Schlägerei.

Die Bilanz fällt am Sonntag überwiegend positiv aus. Die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die zuvor kontrovers diskutiert wurden, hätten den Charakter des Festes nicht in den Schatten gestellt, sagt Einsatzleiter Stefan Dörner. Bei Kontrollen haben Polizisten einige Einhandmesser, einen Teleskopschlagstock, Pyrotechnik sowie Drogen sichergestellt.

Außerdem gab es zwei Fälle sexueller Belästigung in der Nacht zu Samstag. Nahe der Albertbrücke hatte ein Mann einer 20-Jährigen in den Schritt gefasst. Als tatverdächtig gilt ein Afghane. Später griff ein Mann auf der Party-Fläche am Königsufer einer 21-Jährigen in den Schritt und konnte unerkannt fliehen. Unter der Augustusbrücke kam es in der Nacht zum Sonntag zu einer Schlägerei mit rund 30 Personen, Nordafrikaner und Deutsche. Solche Straftaten seien typisch für Volksfeste dieser Größe, schätzt Einsatzleiter Dörner ein. „Das Sicherheitsniveau hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht geändert. Das Stadtfest ist weiterhin ein sicheres Fest.“

Für Werner Kazimiers und Michael Büttner wird es im kommenden Jahr schon die zwölfte Auflage des Stadtfestes geben. „Polizisten gelten manchmal zu Unrecht als böse, wir wollen die Guten sein.“