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Mit der Kraft des Wassers

Carsten Arndt erzeugt an der Spree in Obergurig Strom. Dafür musste er einige Hürden überwinden.

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© Robert Michalk

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Obergurig. Geschafft! Carsten Arndt ist zufrieden. Das Wehr an der Spree in Obergurig ist wieder funktionstüchtig, und auch die Turbine seiner Wasserkraftanlage läuft. Mittlerweile hat er dafür auch alle Genehmigungen in der Tasche. Nun kann er hier mit der Kraft des Wassers Strom erzeugen.

Schon seit Kindesbeinen fasziniert ihn die Wasserkraft. „Ich hab’ gerne kleine Staudämme und Wasserräder gebaut“, erinnert sich der 41-Jährige. Später schaute er sich gern alte Wassermühlen an. Schließlich machte er sein Hobby zum Beruf. „Ich hab’ bei einer bayerischen Firma angefangen, die Wasserkraftanlagen baut.“ Inzwischen ist Carsten Arndt als Dienstleister rund um das Thema Wasserkraft seit mehr als zehn Jahren selbstständig – und auch selbst Betreiber einer Wasserkraftanlage in der Sächsischen Schweiz. In Elbersdorf in der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach, wo er mit seiner Familie auch wohnt, hat er in mühevoller Kleinarbeit das Areal einer alten Mühle auf Vordermann gebracht. Seit 2005 produziert die Anlage an der Wesenitz Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird.

Langwieriges Unterfangen

Das ist nun auch in Obergurig der Fall. Vor Jahren schon kam Carsten Arndt mit der Gemeinde in Kontakt. Denn die plante damals die Sanierung der früheren Papiermühle und wollte eigentlich auch die Wasserkraft wieder nutzen. Die Mühle, zu DDR-Zeiten ein Standort des Mähdrescherwerkes Fortschritt, ist inzwischen saniert und heute Sitz der Maschinenbaufirma Raussendorf. Aus der Wasserkraftnutzung wurde aber zunächst nichts. Doch Carsten Arndt blieb dran – auch wenn das ein langwieriges Unterfangen war. „Zum Glück weiß man vorher nicht, was auf einen zukommt“, blickt er zurück. Die Umweltauflagen sind hoch. So sind wegen der Schonzeiten für die Fische Bauarbeiten im Gewässer nur zeitlich eingeschränkt erlaubt. Und damit Arndt das Wehr an der Schulstraße, das schon völlig verlandet war, reaktivieren durfte, musste er auch eine Fischtreppe bauen. 23 hintereinander angeordnete, höhenversetzte kleine Betonbecken sollen nun sicherstellen, dass sich die Fische trotz des Wehrs flussaufwärts bewegen können. Doch beim Bau stießen die Arbeiter an einer Stelle auf einen großen Granitblock, der sich nicht bewegen und nicht bearbeiten ließ. Deshalb hat die Fischtreppe nun einen Knick.

Carsten Arndt legt auch Wert auf gestalterische Details. So wurden beim Gießen der Betonbecken Matrizen verwendet, damit keine glatten Wände entstehen, sondern sie wie Mauerwerk aussehen. Auch das Häuschen, das die Turbine und den Generator zur Stromerzeugung beherbergt, ist ein Blickfang. Arndt ließ zum Beispiel drei historische Fenster einbauen. Und das Wehr öffnet und schließt er mittels eines historischen Windwerkes, das in einem Kraftwerk bei Zschopau ausgedient hatte.

Respekt vor den Vorfahren

Überhaupt begeistert sich Carsten Arndt nicht nur für Wasserkraft, sondern auch für alte Technik. „Heute legt man leider nicht mehr so viel Wert auf solide Handarbeit“, bedauert er und zeigt die massive Ausführung seiner Kaplan-Turbine. Der österreichische Ingenieur Viktor Kaplan ließ sich die von ihm entwickelte Turbine mit verstellbaren Flügeln 1913 patentieren. Das Exemplar, das nun in Obergurig steht, wurde 1959 gebaut und war einst in einem süddeutschen Autozuliefererbetrieb im Einsatz, erzählt Arndt. Er habe Respekt vor dem, was die Vorfahren geschaffen haben. Begeistert zeigt er das komplett aus Granit gesetzte Gewölbe von 1853, durch das der Mühlgraben fließt. So etwas zu erhalten und weiter zu nutzen, macht ihm trotz aller Hürden Freude. Und: „Jede Wasserkraftanlage ist ein Unikat.“ Denn anders als Sonnenkollektoren und Windräder müsse sie genau an den jeweiligen Standort angepasst werden.

Schnell reich werden könne man mit der Stromerzeugung allerdings nicht, stellt Arndt klar. Die zwölf Cent Vergütung pro Kilowattstunde würden zwar jährlich einen Erlös im fünfstelligen Bereich einbringen. Jedoch werde es wohl zehn Jahre dauern, um damit die Investition zu refinanzieren. Die 250 000 bis 300 000 Kilowattstunden, welche die Anlage im Jahr liefert, würden für 80 bis 100 Haushalte reichen.

Zurzeit wird die maximale Leistung von 75 Kilowatt jedoch nicht erreicht. Denn es darf nur so viel Wasser durch den Mühlgraben zur Turbine geleitet werden, dass immer ein Mindestwasserstand in der Spree erhalten bleibt. „Jetzt ist die abflussarme Zeit“, sagt Arndt. Auch wenn es in diesem Sommer häufig geregnet hat, sei dadurch das Defizit aus den extrem trockenen Jahren 2014 und 2015 längst nicht ausgeglichen. „Der Schnee hat gefehlt, und auch im Frühjahr war es zu trocken.“ So brachte die Anlage letztes Wochenende nach dem Regen 70 Prozent Leistung. Schon am sonnigen Montagmittag waren es nur noch 15 Prozent. Wenn es nach Carsten Arndt geht, darf es also immer mal wieder regnen.