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Mit dem Zug zum Zug

Clemens Warlich startet in seine zweite Saison als Parkeisenbahner. Für seine Lieblingsbeschäftigung ist dem Königsbrücker kein Weg zu weit.

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© Christian Juppe

Von Anna Hoben

Wenn er seinem Hobby nachgehen will, muss Clemens Warlich jedes Mal eine kleine Reise antreten: von Königsbrück, wo er mit seiner Familie wohnt, nach Dresden. In seiner Heimatstadt steigt er also in den Zug. Er guckt aus dem Fenster, hört Musik, und manchmal fragt er den Lokführer, ob er mit nach vorne kommen darf. Eine Stunde später ist er endlich in der Landeshauptstadt. Am Hauptbahnhof steigt er in die Straßenbahn um und fährt zum anderen Hauptbahnhof: dem der Parkeisenbahn im Großen Garten.

Dort beginnt das richtige Zugfahren. Jenes, das nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern allerliebstes Hobby. Clemens Warlich, zwölf Jahre alt, Parkeisenbahner, schlüpft in seine Uniform, setzt sich die Mütze auf und meldet sich zum Dienst. So wie vergangenen Donnerstag, als die Parkeisenbahn in die neue Saison startete.

„Nur die Harten kommen in den Garten“, sagte der Schlösser-und-Gärten-Chef Christian Striefler zur Eröffnung. Bis zuletzt habe man überlegt, ob man sie überhaupt stattfinden lassen könne. „Aber das wäre das erste Mal, dass die Saison nicht am Gründonnerstag startet.“ Und so setzte sich die Eisenbahn um 10.45 Uhr für eine kleine Runde in Bewegung. Der Bahnhof Karcherallee wird ausgelassen. Zu sehr hat der Sturm der vergangenen Tage manchen Bäumen an der Strecke zugesetzt.

Clemens ist an der Sperre eingesetzt. Das heißt: Fahrgäste begrüßen und mit der Zange die Fahrkarten lochen. Da trifft es sich gut, dass der Junge gern mit Leuten plaudert. Alles ging einst damit los, dass Clemens als Passagier durch den Großen Garten fuhr. Er nutzte die Gelegenheiten, wenn er mit seinen Eltern die Oma und den Opa in Dresden besuchte. Das war früher, „als ich klein war“, sagt er. „Da habe ich immer die Jungs gesehen. Das wollte ich auch werden.“ Monatelang hat er seine Mutter bearbeitet. 60 Kilometer fahren für ein Hobby, Hin- und Rückweg, das fand sie ein bisschen viel. „Aber ich habe gebettelt, und irgendwann hat sie nachgelassen.“

Vielleicht hatte sie gemerkt, wie ernst ihm die Sache war. Im Ausbildungszentrum paukte Clemens Theorie: Welche Dienste gibt es bei der Parkeisenbahn? Wie geht man mit den Fahrgästen um? Für die Praxis gibt es im Zentrum eine 70 Quadratmeter große Modellbahn. Seine erste Prüfung bestand er fehlerfrei, und so arbeitete er in der vergangenen Saison als Anfänger mit. Jetzt darf er sich Fortgeschrittener nennen. Den ganzen Winter über ist er jeden Freitag nach Dresden gefahren zur Ausbildung, am frühen Abend, dann, wenn seine Schulkameraden schon längst im Wochenende waren.

Er hat durchgehalten, wie er bei seinen anderen Freizeitaktivitäten auch durchhält. Seit sechs Jahren lernt Clemens Schlagzeugspielen an der Musikschule in Kamenz, an seinem Gymnasium macht er außerdem eine Ausbildung zum Erste-Hilfe-Sanitäter. Durch seinen Schulweg ist er die lange Fahrerei gewohnt – er besucht eine Schule in Hoyerswerda, da fährt er auch 50 Minuten, aber mit dem Bus. Am liebsten sitzt er vorne, weil er dann alles mitbekommt, was auf der Straße passiert. Früher hat er für seine vielen Ausflüge mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Fahrplan-App auf dem Smartphone genutzt. Heute kennt er die Abfahrtszeiten auswendig.

Clemens ist ein neugieriger Junge, was ihm bei seinem Hobby als Eisenbahner zugutekommt, weil er sich alle möglichen Dinge merkt und erzählen kann. Manchmal ist er ein Junge, der gern im Mittelpunkt steht. Das mag er besonders an dem Job als Aufsicht. „Wenn ich mit Pfeife und Befehlsstab das Signal gebe, dann gucken die Fahrgäste erst mal.“ Und manchmal ist Clemens auch ein altkluger Junge, etwa wenn er sagt: „Ich mag Stress, aber den positiven.“ Den hat er, wenn er die Fahrdienstleitung innehat, seinen Lieblingsjob. Dann sitzt er in einem Glaskasten und telefoniert mit den Kollegen an den anderen Bahnhöfen. Organisieren liegt ihm.

Aber auch die Arbeit als Zugführer macht ihm Spaß, so wie an diesem Tag. Er hebt die Hand, sagt „Zug fertig“, und los geht’s. Am Bahnhof Zoo ist eine Mülltonne einzusammeln, am Carolasee bekommt er einen Zettel mit einer Botschaft für den Bahnhof Zoo in die Hand gedrückt.

Wenn er 14 ist, wird er zum Assistenten befördert und bekommt noch mehr Verantwortung. Den Wunsch, später Lokführer zu werden, hat er indes schon hinter sich. Das war früher. Als er noch klein war eben. Nachdem er Pilot werden wollte. Und Bürgermeister von München, wo seine Tante wohnt. Sein aktueller Berufswunsch: Polizist bei der Autobahnpolizei. Weil man da für Recht und Ordnung sorgt und schnelle Entscheidungen treffen muss. Außerdem: „Alle machen Platz, wenn man das Blaulicht einschaltet, das ist cool.“

›› Betriebszeiten der Dresdner Parkeisenbahn