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Mit dem Dreirad zum Holzholen

Im Osterzgebirge gibt es nur wenige Transporter Marke Eigenbau. Einige werden jetzt in Dittersdorf gezeigt.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Osterzgebirge. Egon Hanzsch tritt aufs Gaspedal. Der Motorradmotor springt sofort an und fängt an zu knattern. Egon Hanzsch lächelt und freut sich, dass das Maschinchen immer noch funktioniert. Schließlich ist das Dreirad mit der 1,40 Quadratmeter großen Ladefläche ein absolutes Unikat, das es so kein zweites Mal gibt. Gebaut haben es sein Vater Gerhard und er vor über 40 Jahren.

„In der DDR-Zeit gab es keine Transportfahrzeuge für Siedler und Häusler“, erinnert sich der Dittersdorfer. Deshalb musste man kreativ werden. Und das wurde man. Die Hanzschs organisierten sich ein altes Motorrad vom Typ DKW, Baujahr 1937/38, sowie eine Vorderachse und einen Antrieb von einem Pkw Trabant. In der Kfz-Werkstatt Brettschneider, in der Gerhard Hanzsch damals gearbeitet hatte, wurde das Motorrad, das ursprünglich einen Seitenwagen hatte, umgerüstet.

Es wurde zu einem Dreirad. „Die Schweißarbeiten übernahm mein Vater“, sagt Egon Hanzsch. Er selbst kümmerte sich als Autoschlosser um die Mechanik. Das Motorrad bekam auch einen Trabant-Antrieb, damit es rückwärts fahren konnte. Auf diesen kleinen Luxus wollten die Hanzschs nicht verzichten. Als die beiden ihr Dreirad fertig hatten, meldeten sie es ordnungsgemäß an. Egon Hanzsch kann sich noch gut daran erinnern. „Ein Volkspolizist kam damals zu uns in die Garage“, erzählt er. Er begutachtete das Dreirad und erteilte die Genehmigung, dass man damit auch auf der Straße fahren kann. Das Gefährt bekam sogar einen Fahrzeugbrief und ein Nummernschild. Die Hanzschs konnten damit fortan Holzscheite, Heu und Baumaterialien transportieren.

Transporter Marke Eigenbau

Andere Familien im Osterzgebirge organisierten sich ähnliche Transporter Marke Eigenbau. Egon Hanzsch brachte das nach der Wende auf eine Idee. Warum sollten diese Fahrzeuge nicht auf einem Dorffest gezeigt werden? Hanzsch, der 34 Jahre lang die örtliche Feuerwehr leitete und zu den Mitveranstaltern des Festes gehört, fragte seine Mitstreiter. Die fanden die Idee gut. Der Dittersdorfer sprach daraufhin Familien an, die ebenfalls so ein Gefährt hatten. Andere Besitzer erfuhren durch Mund-zu-Mund-Propaganda davon. Das hatte Erfolg. Zum Dorffest 1990 konnten etwa 30 Kleintransporter der Marke Eigenbau gezeigt werden. Zwar bekamen die Dittersdorfer damals viel Zuspruch für diese Präsentation. Doch das konnte nicht verhindern, dass es in den Folgejahren kein weiteres Oldtimertreffen gab. Warum es dazu gekommen ist, weiß Egon Hanzsch heute nicht mehr. Erst 1997 gab es eine Neuauflage – diesmal als Teil des Maifestes. „Seitdem gibt es jährlich dieses Oldtimertreffen“, sagt Hanzsch, der es seither organisiert. Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Er nimmt die Anmeldungen entgegen und kümmert sich um die Genehmigung für die Ausfahrten. Hilfe bekommt er von seinen Söhnen und der Ortswehr, die beim Einweisen und Absperren hilft.

„Inzwischen kommen zu unserer Oldtimerausstellung auch Autos, Motorräder und Traktoren“, erzählt der Dittersdorfer. Die Zahl der selbstgebauten Fahrzeuge sei leider rückläufig. Manche Besitzer seien zu alt, andere haben ihr Fahrzeug verschrottet. Dennoch gibt es noch welche. Einige werden zur 20. Auflage des Oldtimertreffens am 1. Mai wieder zu sehen sein. „Ich rechne mit zehn Fahrzeugen“, sagt Hanzsch. Auch sein Dreirad wird wieder auf der Festwiese stehen. Bereitwillig wird der Dittersdorfer auch dessen Geschichte erzählen. Zu der gehört auch, dass es inzwischen ein paar Reparaturen gab. Auch den Motor hat Egon Hanzsch bereits ausgetauscht. Doch das war nicht der Grund, weshalb er sein Maschinchen nun doch ausgemustert hat. Vielmehr war es der Motorradrahmen, der nicht so robust ist. „Ich habe Angst, dass er Risse bekommt“, sagt Hanzsch. Deshalb steht das Dreirad nun meist in der Garage. Es wird nur zu besonderen Anlässen herausgeholt. Die Alltagsarbeit hat nun ein Traktor übernommen, den sich Egon Hanzsch zugelegt hat.