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Mit Buhl im Elbsandstein

Der Nanga-Parbat-Erstbesteiger kam 1954 nach Bad Schandau, nutzte den Termin in den Felsen.

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© Archiv Heichel

Von Wolfgang Heichel

Alpin-Legende Hermann Buhl stieg am 19. Juni 1954 in seinen VW-Käfer und verließ Schmilka mit den Worten: „Ich komme wieder!“ Es sollte nicht sein.

Nach seinem Alleingang am Nanga Parbat 1953 war der gebürtige Innsbrucker über Nacht weltberühmt geworden und zu Vorträgen unterwegs, auch in Sachsen. Bei seinem Vortrag im Dresdner Hygienemuseum am 26. Februar 1954 war sein Interesse an einem Besuch im Elbsandsteingebirge geweckt worden. Das bekannte Klettergebiet kannte Buhl vom Hörensagen. Er wollte dort unbedingt seine Fähigkeiten im Sandstein unter Beweis stellen. Ein Vortragstermin in Bad Schandau kam für den 17. Juni 1954 zustande.

Von Dresden kommend traf Buhl in Bad Schandau ein. Schnell war er von mehreren Mitgliedern des Klettervereins Hunskirchlern umringt. Der Falkenstein wird zum ersten Ziel. Dort hielten es die Hunskirchler für ihre Pflicht, dem Gast die sächsischen Kletterregeln zu erläutern. Über den klassischen Schusterweg ging es aufwärts. Im Sporthemd, langen Hosen und Kletterschuhen, welche er wegen seiner nach den Erfrierungen am Nanga Parbat amputierten Zehen trug, kletterte er los. Er stieg leichtfüßig, als kenne er den Weg.

Nächstes Ziel: Erkerweg am Vorderen Torstein. Den oberen Steilaufschwung (Schwierigkeit VII) bewältigte Buhl ohne Probleme. Auf dem Gipfel erklang ein Berglied nach dem anderen. Abends gab es im ausverkauften Kino von Bad Schandau seinen Nanga-Parbat-Vortrag. Im Gasthof zum Bären klang der Abend aus.

Am 19. Juni sollte traditionsgemäß von den Hunskirchlern am Großvaterstuhl die Sonnenwende stattfinden. Dies hatte man dem Gast mit herzhafter Einladung bei seinem ersten Besuch mitgeteilt. Alle waren überrascht, als er ohne Vorankündigung in der Mittagshitze am Rauschenstein auftauchte. In geteilter Führung mit Dieter Hasse begingen sie dort den Neuberweg und die Südwestkante am Winklerturm. Den alten Weg an der Heringsgrundnadel führte Buhl meisterhaft.

Noch war Zeit, um vor der Feier am Abend ein kurzes Bad im Elbewasser und ein ordentliches Essen in Schmilka einzunehmen. Zufällig gab es ein Treffen mit Felix Simon, 1932 Teilnehmer der deutsch-amerikanischen Nanga-Parbat-Expedition. Beim lodernden Sonnenwendfeuer erklangen Berglieder, Gedanken und Erinnerungen wurden ausgetauscht. Freudig nahm Buhl die Ehrenmitgliedschaft der Hunskirchler an. Stolz präsentierte er das HKV-Abzeichen an seinem Nanga-Parbat-Anorak. Gegen 1 Uhr in der Nacht suchten sich alle einen Überhang und booften. Um 5 Uhr in der Früh begleiteten sie Buhl nach Schmilka. Dann, an seinem Auto, ein letztes festes Händedrücken reihum. Ein neuer Freund und Hunskirchler verließ sie mit dem Versprechen: „Zu euch werde ich bestimmt einmal wiederkommen!“

1957 stand Buhl auf dem Broad Peak (8 051 Meter), es war seine zweite Erstbesteigung eines Achttausenders. Im Anschluss wollte er mit Kurt Diemberger die Chogolisa (7 600 m) ebenfalls erstbesteigen. Am 27. Juni 1957, also vor gut 60 Jahren, stürzte er bei starkem Nebel und Sturm mit einer abbrechenden Wechte ab. Bis heute konnte er nicht gefunden werden.