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Mit 74 noch Fuhrunternehmer

Sein Geschäft führt Rainer Kindermann aus Niesky seit 25 Jahren. An das Aufhören denkt der Seer noch nicht.

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© André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Niesky. Pünktlich, zuverlässig und sicher. Drei Worte, auf die Rainer Kindermann großen Wert legt, denn sie bestimmen sein Leben und seine Arbeit. Als 74-Jähriger führt er weiterhin sein kleines Fuhrunternehmen. „Solange der Lkw rollt, denke ich nicht ans Aufhören“, betont der in See wohnende Rainer Kindermann. Diesen Monat ist es 25 Jahre her, dass sich Rainer Kindermann mit einem, von seinem damaligen Arbeitgeber, dem Güterkraftverkehrin Görlitz, abgekauften Lkw W 50 selbstständig machte. Auf sich allein gestellt, nahm er Kurs in und durch die Marktwirtschaft.

Ein Mann, der vorher eineinhalb Jahrzehnte im europäischen Fernverkehr auf dem „Bock“ saß, musste mit fast 50 Jahren umlernen. Auf einmal war er nicht mehr Arbeitnehmer, sondern sein eigener Chef und wenig später auch Arbeitgeber. „Angefangen habe ich allein, bis ich nach einem Jahr merkte, dass das nicht mehr zu schaffen ist. Ich brauche einen Lkw, der mehr trägt, und einen zweiten Fahrer.“ Diesen fand er in Freimut Süße, einem Kollegen aus Kraftverkehrszeiten.

„Der Freimut ist auch heute noch für mich unterwegs. Ich schätze ihn als zuverlässigen Kollegen, auf den man sich immer verlassen kann“, sagt der Chef über seinen langjährigen Angestellten. Da dieser aber nicht sechs Tage die Woche Lkw fahren darf, machte sich ein zweiter Fahrer notwendig. Es ist Gerd Wenger, der seit drei Jahren neben Freimut Süße den Kindermann-Lkw steuert. Ausgebildete Lkw-Fahrer mit Erfahrung zu finden, ist nicht leicht, sagt Rainer Kindermann. Deshalb ist er froh, in Gerd Wenger einen solchen gefunden zu haben. Abwechselnd mit Freimut Süße holt Gerd Wenger die druckfrischen Zeitungen aus Dresden.

17.30 Uhr beginnt der Arbeitstag

Dabei beginnt ihr Arbeitstag am frühen Abend. 17.30 Uhr rollt einer der beiden Fahrer mit dem Mercedes Atego aus der Nieskyer Garage. Die erste Tour führt ihn nach Rothenburg zu dem Handelsunternehmen Marktfrisch. Dort wird der kühlbare Kofferaufbau mit frischem Obst, Gemüse und Speisekartoffeln beladen, die auf dem Weg nach Dresden an Händler, Geschäfte und Gaststätten geliefert werden. In Dresden angekommen, geht es zur Druckerei in Hellerau, wo die Ausgabe der Sächsischen Zeitung schon auf den Abtransport wartet. „Manchmal müssen auch wir warten, wenn der Druck nicht rechtzeitig fertig geworden ist“, sagt der Fuhrunternehmer. Dann wird es aber eng mit der Zeit, denn in Niesky warten bereits die Fahrer mit den Pkws, die die SZ zu den Zustellern in die Orte bringen.

In so einem Moment sind sie Rainer Kindermann wieder allgegenwärtig, die drei Worte: pünktlich, zuverlässig und sicher. „Das Fuhrgeschäft muss ablaufen wie ein Uhrwerk, das sind wir unseren Geschäftspartnern schuldig“, betont er. So wie mit dem Dresdner Druck- und Verlagshaus als Herausgeber der Sächsischen Zeitung, verbindet Rainer Kindermann seit Anfang an eine enge Geschäftsbeziehung zu dem ebenfalls nach der Wende gegründeten Handelsunternehmen Marktfrisch in Rothenburg. Auch wenn Kindermann seit zehn Jahren nicht mehr selbst die Tour fährt, das Zusammenspiel klappt nach wie vor sehr gut.

Täglich rollt der Mercedes zwischen 300 und 400 Kilometer. „Inzwischen dürften 600 000 Kilometer mit dem Fahrzeug zusammengekommen sein“, ist sich Rainer Kindermann sicher. Davor war es ein Volvo, der bis zu seinem Totalschaden treue Dienste leistete. Das war der schwerste Verlust für Rainer Kindermann, zumal die Versicherung nur den Zeitwert bezahlte und er über Nacht einen neuen Lkw besorgen musste, damit die Dresden-Tour weiter abgesichert ist. Zum Glück blieb sein Fahrer bei dem Unfall unverletzt. Nicht nur für ihn klopft Kindermann dreimal auf Holz, sondern auch dafür, dass es der bisher größte und einzige Unfall war, den der Fuhrunternehmer zu verkraften hatte. Denn er selbst fuhr bis zum 65. einen Lkw mit Kran und Anhänger, einen 40-Tonner, mit dem er Baumaterialien auslieferte.

„Da war ich manches Mal bis Berlin unterwegs, und seit der Wende ist Berlin ja um einiges größer geworden“, erzählt er rückblickend. Ein Segen für ihn war das Navigationsgerät, das er zum 60. Geburtstag geschenkt bekam. Diese elektronischen Helfer gab es damals neu auf dem Markt – und seitdem will Rainer Kindermann auf den Atlas im Taschenrechnerformat nicht mehr verzichten. „Auch wenn ich mich in Dresden und anderen Städten auskenne wie in meiner Hosentasche.“