Von Ina Förster
Das wurde ja Zeit! Dass sich ein Kamenzer Fleischer nämlich an einen Rekordversuch mit der gleichnamigen Wurstspezialität wagt. Immerhin wurde diese schon vor über 150 Jahren in der Lessingstadt erfunden. Normalerweise misst so eine Wurst im Verkauf etwa 20 Zentimeter. Das genügte scheinbar nicht mehr und so probierte es Fleischermeister Enrico Minkwitz jetzt auf Anregung der City-Initiative mit einer etwas größeren Ausgabe.
Mit zwei, drei Metern hatten die Umstehenden am Donnerstag bei der Präsentation eigentlich gerechnet, aber dann das: Ganze 10,40 Meter lang und etwa vier Kilogramm schwer war das Prachtstück. Punkt 12 Uhr mittags wurde es am firmeneigenen Verkaufshänger enthüllt. Die City-Initiative hatte in der Vorweihnachtszeit nämlich eine tolle Aktion ausgelobt – stempeln gehen für die längste Kamenzer der Welt. „Wir haben tausend Teilnahmekarten im Stadtgebiet verteilt. In fast 30 beteiligten Geschäften konnten interessierte Kunden sich die entsprechenden Stempel holen. Ohne Kaufzwang, versteht sich“, erzählt City-Initiative-Chef Michael Fischer. Etwa 100 Mitmacher nutzten letztendlich die Gelegenheit, um in den Lostopf zu gelangen. Die glückliche Siegerin der Aktion wurde bereits am Dienstag gezogen. Karin Besser aus Wendischbaselitz freute sich riesig, als sie die Gewinnbenachrichtigung bekam. „Ich wollte es zuerst gar nicht glauben“, meinte sie gestern. „Aber natürlich ist die Freude groß!“
Notfalls helfen die Nachbarn
Am Heiligabend wird die Rekord-Wurst bei Bessers daheim verspeist – gemeinsam mit den beiden Söhnen und den Schwiegertöchtern. „Wenn wir es nicht schaffen, werden wir wohl noch die Nachbarn dazubitten müssen“, scherzte die glückliche Gewinnerin. Und wahrscheinlich wird ein Gänsebräter zum Erwärmen herhalten. Die Spezialität im Schaf-Saitling ist in Schlaufen gelegt – anders hätte man sie auch nicht räuchern können, ohne dass sie zerbricht. Die Herstellung der Leckerei erforderte sowieso einiges an Geschick und klappte erst im zweiten Versuch. Besonders das Räuchern war wie gesagt knifflig. Altmeister Rudolf Minkwitz baute dafür eine extra Vorrichtung. Gemeinsam mit dem Schwiegersohn stellte er die Riesenwurst am Mittwoch frisch her. Die Wurst selber wurde natürlich von der Traditionsfleischerei gesponsert.
Dass die Kamenzer mittlerweile in aller Munde ist, ist nicht neu. Derzeit haben acht Betriebe die Lizenz, den Namen „Echte Kamenzer“ zu führen. Sie sind alle Mitglied im Kamenzer Fleischerverein. Die deftig gewürzte Wurst nach Spezialrezept kommt vor allem zu Weihnachten und zum Forstfest auf den Tisch. Das Rezept ist eines der am meist gehüteten Geheimnisse in der Stadt. Zurzeit herrscht Hochkonjunktur bei den hiesigen Fleischern. Mittlerweile wird die Leckerei ja auch in alle Welt verschickt. „Und da uns ja in der Vorweihnachtszeit langweilig ist, haben wir es eben mit der Rekord-Kamenzer versucht“, ulkte Enrico Minkwitz am Donnerstag noch. Bis zum 23. Dezember läuft die Produktion in allen Betrieben auf Hochtouren. Durch die günstige Lage der Feiertage 2014 wird zwischen den Jahren nicht allzu viel neu produziert. Das merkt man natürlich auch am Kaufverhalten der Kundschaft. Lange Warteschlangen sind derzeit keine Seltenheit. Dennoch: Kein Weihnachten ohne Kamenzer und Kartoffelsalat!
Eigener Rekord soll 2015 fallen
Doch was kommt bei Minkwitzens Heiligabend auf den Tisch? „Ehrlich? Ein schöner Backschinken“, verrät Enrico Minkwitz. Die Kamenzer-Vorräte seien am 24. Dezember so erschöpft, dass die Familie selbst zu anderen Dingen greift. Wie genau die Herstellung der Rekord-Kamenzer vonstattenging, wurde übrigens nicht verraten. Schließlich will man 2015 den Rekord brechen.
Weltweit gibt es einige kuriose Rekorde mit Würsten: Die längste Bratwurst der Welt am Stück ist gleich 5 888 Meter lang und wurde 1999 von einem bayrischen Metzger geschaffen. Die längste Wiener bringt es immerhin auf fast 300 Meter. Mithalten kann auch noch die längste gebratene Currywurst der Welt mit 320 Metern. Da muten die Kamenzer 10,40 Meter noch jungfräulich an. Vielleicht nimmt ja 2015 ein weiterer Fleischer die Herausforderung an und tritt mit Minkwitzens in einen Wettstreit? Eine bessere Werbung für die Leibspeise der Lessingstädter gibt es wahrscheinlich nicht!