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Missionierung im Schulchor

Nach dem Schuljubiläum an der ersten Grundschule gab es Kritik am Festprogramm. Die kommt jetzt auch in den Stadtrat.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Stefan Jänke ist Großenhains bekanntester und umtriebigster Chorleiter. Neben dem Jugendchor, Kirchenchören und den Chorklassen der ersten Grundschule stellt er jetzt auch einen Eltern-/Lehrer-/Ehemaligen-Chor mit über 40 Interessenten auf die Beine und gründet im „Netzwerk Kinderchöre in der Großenhainer Pflege“ ab Mitte August einen Kindergartenchor im Kinderhaus Baselitz und einen in der Grundschule Lenz. Dafür bekommt er sogar Förderung von der Europäischen Union, vom Freistaat Sachsen sowie vom Kirchenprojekt Bärenstark aus Lenz.

Doch aktuell gibt es gerade Unmut, weil der 41-Jährige bei seinem ehrgeizigen Tun die Trennung von Kirche und Staat unterläuft. So jedenfalls lautet der Vorwurf einiger Eltern der Chorklasse der ersten Grundschule. Im Festkonzert zum 160. Jubiläum der Schule aus der Schubertallee wurden mehrere eindeutige Kirchenlieder gesungen, so zum Beispiel „Lobet den Herrn“, was Eltern nicht gefiel. Auch andere Gäste des Festes äußerten den Vorwurf christlicher Beeinflussung der Chorkinder, zum Beispiel Stadtrat Thomas Proschwitz (Linke). In seiner Fraktion diskutierte er jetzt eine Erklärung, die Proschwitz im öffentlichen Teil des Stadtrates kommenden Mittwoch zur Diskussion stellen will.

Weltanschauliche Neutralität

„Ich bin kein Religionshasser, die Kirche ist ein wichtiges Glied der Gesellschaft“, stellt der Stadtrat klar. Aber ihm ist wichtig, dass die Schule ein Ort weltanschaulicher Neutralität bleibt. Das sei schließlich eine historisch erkämpfte Errungenschaft. Und nicht zuletzt ein Fortschritt, der Deutschland von religiös-fundamentalistischen Ländern unterscheidet. Mit wie viel und welcher Religion Kinder zu tun haben, müssen die Eltern entscheiden und nicht ein Chorleiter, so Thomas Proschwitz. In seinen Augen war auch die Wahl der Marienkirche für so ein Schuljubiläums-Konzert nicht günstig.

In diesem Punkt gibt ihm Schulleiterin Sylvia Ufert recht. Das war der Tatsache geschuldet, dass die Bildungseinrichtung keine eigene Aula hat. „Wir haben nach dem Konzert ebenfalls mit Herrn Jänke gesprochen“, so die Schulleiterin. Beschwerden von Eltern wegen der konfessionellen Lieder seien ihr aber nicht bekannt. Vielmehr beruft sich Sylvia Ufert auf den ersten Paragrafen des Erziehungs- und Bildungsauftrages an sächsischen Schulen, der eine Anknüpfung an christliche Traditionen vorsieht. Sylvia Ufert: „Im Nachgang haben wir einen Konsens gefunden, wir sehen nicht, dass in unserer Schule Missionierung passiert.“ Sollten Eltern anderer Meinung sein, könnten sie das mit der Schule bzw. dem Leiter der Chorklassen besprechen.

Trennung von Kirche und Staat

Erstaunlicherweise ergab eine Rücksprache beim früheren Schulleiter Manfred Richter, dass Bedenken schon seinerzeit beim Aufbau der Chorklassen von Eltern geäußert wurden. Schließlich wären Kinder, die christliche Lieder nicht mitsingen wollen oder sollen, ja sonst vom Chorunterricht ausgeschlossen. Laut Manfred Richter habe es damals eine Übereinkunft gegeben, dass dies vermieden werden muss. Stefan Jänke ist selbst davon überzeugt, nichts falsch gemacht zu haben. Die deutsche Kultur sei eben christlich geprägt. Auch in anderen Schulen wie in Lenz gäbe es eine starke Verflechtung mit der Kirche. Selbst Fußballfans würden Halleluja singen, so Jänke. Eine Trennung von Kirche und Staat in der Schule gäbe es nicht mehr.