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„Als hätte ich noch mal entbunden“

Regine Krätzschmar hat 101-mal Blut gespendet. Die letzte Konserve half sogar einem Neugeborenen zu überleben.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Etwa 80 Prozent aller Deutschen erhalten mindestens einmal im Leben ein Blutprodukt – darunter elf Prozent aller Krankenhaus-Patienten. Doch nur vier Prozent spenden selber Blut. Dass diese Menschen Lebensretter sind, wird bei jeder Spenderwerbung betont. Die Großenhainerin Regine Krätzschmar konnte das jetzt ganz direkt erfahren. Die 59-Jährige wurde – neben anderen – für 100 geleistete Blutspenden vom DRK Kreisverband Großenhain geehrt. 50 große Eimer voll Lebenssaft hat sie gewissermaßen schon weitergegeben, pro Spende einen halben Liter. Ihre 101. Spende half dem kleinen Philipp. Und das ist eine ganz bewegende Geschichte.

Regine Krätzschmar spendete am 14. Februar in Großenhain. Wenige Tage später kam Baby Philipp im Dresdner Uniklinikum auf die Welt. Doch es wurde bei ihm eine seltene Blutunverträglichkeit mit seiner Mutter festgestellt. Krätzschmars Konserve der Blutgruppe  0d rettete ihn. Als die Großenhainerin das zur Blutspender-Ehrung hörte, war sie sehr gerührt. „Ich hatte das Gefühl, dass ich selbst noch mal entbunden habe“, sagt die Oma von sieben Enkeln. „Sein ganzes Leben hing davon ab.“

Seltene Blutunverträglichkeit

Bereits mit 18 Jahren begann Regine Krätzschmar, Blut zu spenden. Das war eine organisierte Aktion während ihres Landwirtschaftsstudiums in Halle. „Damals gab es zuerst sogar noch Geld dafür. Man steckte seinen Arm durch eine Manschette, und der ging dann dorthin, wo eine Schwester saß“, erinnert sie sich belustigt. Seit damals versucht Regine Krätzschmar, keinen Spendertermin zu verpassen. „Ich gehe in Großenhain, Riesa, Nünchritz und Glaubitz“, erzählt sie. Die 100 Spenden seien nur die, die sie unbezahlt geleistet habe. „Das gibt mir selber so viel, ich bin stolz, anderen damit helfen zu können.“

Die 59-Jährige will so lange an die Nadel, „bis es mich ausschert“, meint sie lakonisch. Nur viermal im Jahr dürfen Frauen allerdings spenden. Die 125. Blutkonserve will Regine Krätzschmar unbedingt noch schaffen. Und sie hat noch ein weiteres Ziel. Sie ist Buchautorin, hat im Noel-Verlag im Vorjahr die Geschichte „Mohrle und Molly – die zwei Katzenkinder“ herausgebracht. Dieses Buch möchte sie auch gern ihrem „kleinen Herzbaby“ Philipp schenken. Über den Blutspendedienst des DRK versucht Regine Krätzschmar, die Familie ausfindig zu machen.

Schon vielen alten Menschen machte sie mit ihrer Geschichte von zwei Strickkatzen eine Freude. Denn die Großenhainerin ist ehrenamtlicher Besuchsdienst in den Pflegeheimen der Stadt. Ob im Seniorenheim Helene Schmieder oder bei Pro Civitate – dort ist die schlanke Frau oft zu Lesungen unterwegs. Weil sie nicht mehr berufstätig ist, tut sie das gern.

Wenn es sich anbietet, wirbt auch Regine Krätzschmar um neue Blutspender, vor allem junge. Eine Blutkonserve kann drei Menschenleben retten, hatte Dr. Martina Wohsmann vom Blutspendedienst Dresden zur Spenderehrung gesagt. Durch den medizinischen Fortschritt und das zunehmende Alter der Bevölkerung wird der Bedarf an Blutbestandteilen immer größer. „Die Menschen des Altertums glaubten, sie seien aus dem Blut der Götter gemacht“, so Martina Wohsmann. Griechen und Römer tranken das Blut von getöteten Gladiatoren, um deren Kraft zu übernehmen. Heute reicht ein Pieks und eine halbe Stunde, um Beschwerden zu lindern oder zu heilen. Denn zum Beispiel bei einer Tumorerkrankung braucht ein Patient 20 Blutkonserven.