Merken

Minister-Auflauf

Zwei Spitzenpolitiker, ein Thema: Sowohl beim Besuch von Martin Dulig als auch von Thomas de Maizière geht es um Energie.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Glaubitz/Streumen. Es dürfte selten vorkommen, dass es zwei hochrangige Politiker gleichzeitig in die Gegend zwischen Wülknitz und Glaubitz verschlägt. Am Freitag war so ein Tag mit Seltenheitswert: Am Morgen besuchte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) den Streumener Windpark, am Nachmittag schaute Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) beim Stahlunternehmen Ervin im Glaubitzer Industriegebiet vorbei. Beide Male dominierte das Thema Energie. Im Windpark ging es um Erzeugung, bei Ervin um den – massenweisen – Verbrauch.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (2. v. l.) erklärt Windkraft-Unternehmern in Streumen die Energiepolitik der CDU/SPD-Landesregierung.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (2. v. l.) erklärt Windkraft-Unternehmern in Streumen die Energiepolitik der CDU/SPD-Landesregierung. © Sebastian Schultz

Der Glaubitzer Ableger des amerikanischen Mittelständlers Ervin Industries produziert kleine Stahlkügelchen, mit denen später Bauteile wie Turbinen beschossen werden, wodurch sie verdichten und verfestigt werden. Ervins Energiehunger ist riesig: In einer Stunde verbrauche der Betrieb so viel Strom, wie zwei Durchschnittshaushalte im gesamten Jahr, erklären Mitarbeiter dem Minister.

Keine EEG-Umlage

Deswegen ist der 56-Mann-Betrieb auch von der Zahlung der Umlage für erneuerbare Energien aus Wind, Wasser oder Sonne befreit. Mehr als sechs Cent pro Kilowattstunde, die Ervin im Gegensatz zu den meisten Verbrauchern nicht zahlen muss. Dennoch ist beim Thema Strom für Werkleiter Mike Schwarz nicht alles in Butter: Dessen Preis sei in Deutschland mit vergleichsweise hohen Steuern und Abgaben belegt, vor allem Netzentgelte schlügen arg zu Buche. Seine Kollegen in Amerika stellen das gleiche Produkt her, zahlen aber pro Tonne nicht mal zehn Dollar für Strom, so Mike Schwarz. In Deutschland würden dagegen 36 Euro einkalkuliert werden – nach aktuellem Wechselkurs etwas über 40 Dollar.

Dass sich Ervin bei der Suche nach einem neuen Standort in Mitteleuropa trotzdem hier und nicht in Polen oder Ungarn angesiedelt habe, sei mehreren Faktoren zu verdanken, so der Werkleiter. Wichtig sei vor allem die sehr gute Verfügbarkeit von Strom und Gas. Aber auch Rechtssicherheit sei entscheidend gewesen. „Ein deutsches Immissionsschutz-Verfahren ist schwer“, so Mike Schwarz. Habe man die Genehmigung aber erst einmal, sei kein Platz mehr für Willkür. Kritik übte der Werkleiter unterdessen an den zuständigen Behörden: Die Genehmigungsgeschwindigkeiten lasse zu wünschen übrig.

Eine ähnlich lautende Klage bekam am Vormittag auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig bei Streumen von der versammelten Windkraft-Unternehmerschaft zu hören. Das Meißner Landratsamt brauche zu lange, um den Windmühlenbau abzusegnen, so der Tenor. Nach Meinung von Dulig könne man das nicht auf andere Kreisbehörden übertragen. Für den Vize-Regierungschef deuten lange Genehmigungszeiten dennoch auch auf ein Problem hin: mangelnde Akzeptanz für Windenergie. Die fehle aber nicht nur in den Ämtern, sondern auch unter den Bürgern. Um die Akzeptanz zu steigern, müssten die Bürger und Kommunen stärker einbezogen werden.

Gemeinde erwägt Beteiligung

Für die Beteiligung könnte das Modell der Energiegenossenschaft Egneos Pate stehen, deren Bürgerwindrad sich Dulig bei seinem Besuch erklären ließ. Das insgesamt etwa fünf Millionen Euro teure Windrad-Projekt bei Streumen soll jedermann eine Beteiligung an der Windkraft-Anlage und deren Ertrag ermöglichen – ab einem Einsatz von 50 Euro. Eine kommunale Beteiligung, wie sie Dulig ins Gespräch brachte, gibt es an dem Projekt bis jetzt allerdings nicht. Was sich bald ändern könnte: Der Wülknitzer Bürgermeister Hannes Clauß (parteilos) sagte am Rande des Besuchs, er denke darüber nach. Im Herbst wolle er mit seinen Gemeinderäten darüber sprechen.

Trotz aller Bemühungen um Akzeptanz für die „Erneuerbaren“: Energiepolitik werde immer ein Spannungsfeld sein, so Dulig. Er plädiere dafür, „keine Schwarz-Weiß-Diskussionen“ zu führen. Sachsen brauche einen vernünftigen Energiemix mit fossilen und erneuerbaren Energien, orientiert an den Ausbauzielen des Bundes. Wenig Hoffnungen machte Martin Dulig aber der Windkraft-Lobby, Anlagen in sächsischen Wäldern bauen zu können.

Das Ende beider Ministerbesuche am Freitag fand ohne die Öffentlichkeit statt: Martin Dulig stieg auf eine Windmühle – dorthin, wo Strom erzeugt wird. Thomas de Maizière bekam bei Ervin eine Werksführung – und durfte einen Blick dahin werfen, wo große Mengen Strom verbraucht werden.