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Miniaturen im Eigenbau

Lange war ungewiss, wie es mit dem Waidhaus weitergeht. Jetzt arbeitet dort die Bao an Modellen von Hallenhäusern.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Nadine Franke

Mit viel Liebe zum Detail präsentieren die Projektteilnehmer ihr erstes selbst gebautes Modell. Vorbild dafür ist ein Haus aus Ludwigsdorf. Das echte Hallenhaus stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sein kleiner Nachbau wurde erst vergangenen Freitag fertiggestellt. Das Modell ist im Maßstab 1:20 nachgebildet worden und hat nicht nur einen beleuchteten Keller, sondern auch einen rauchenden Schornstein. Dieser wurde aus über 1 000 selbstgefertigten Ziegeln gebaut.

Es handelt sich um das erste Modell, das im Rahmen des neuen Projekts im Görlitzer Waidhaus angefertigt wurde. Jahrelang diente der älteste Profanbau der Stadt als Werkstatt für das Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege. Als die Denkmalstiftung ihre Förderung im vergangenen Jahr beendete, musste die Stadt einen neuen Mieter für das Waidhaus suchen. Fündig wurden sie bei der Berufsakademie Ostsachsen (Bao). Gemeinsam mit dem Jobcenter des Landkreises Görlitz führt sie dort ein Fortbildungsprojekt durch. Das Ziel ist es, detailgetreue Modelle der Görlitzer Hallenhäuser anzufertigen und Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Dafür werden sie in handwerklichen Bereichen geschult und lernen, mit Bauzeichnungen zu arbeiten. Die entstehenden Modelle sollen die Stadt bei der Bewerbung um das Unesco-Weltkulturerbe unterstützen, kündigt Marion Reichelt, Leiterin des Görlitzer Schulungszentrum, an.

Seit Oktober sind die Teilnehmer vor Ort. Aber da ging es nicht gleich daran, eine Miniaturausgabe eines konkreten Hauses nachzubauen. Stattdessen mussten die elf Teilnehmer erst einmal die Grundlagen lernen. „Der Anfang war eine Herausforderung“, sagt Marcus Kepstein. Er war schon im früheren Handwerkszentrum tätig, doch damals hat der Restaurator Seminare für Zusatzqualifikationen geleitet. Im Waidhaus arbeitet er noch immer, doch bei diesem Projekt fangen manche seiner Teilnehmer noch bei null an. „Ich musste erst einmal lernen, die Anforderungen nicht zu hoch zu stecken. Denn hier ist nicht jeder vom Fach“, erklärt er. Die Teilnehmer kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Maurer, Tischler und auch Küchenhilfen sind unter ihnen. Mit Modellbau hatte nur einer schon zuvor zu tun. Michael Hantsch ist Hobbybastler und nimmt ebenfalls an der Schulung teil. „Wir können hier vieles lernen, aber es ist hart. Gerade das Gewölbe hat für einige Rückschläge gesorgt. Da kamen wir nur durch Probieren ans Ziel“, sagt Hantsch.

Dementsprechend stolz sind die elf Handwerker im Alter von 23 bis 57 Jahren jetzt, dass sie das Modell nach zwei Monaten fertigstellen konnten. Das war aber nur der Probelauf. Die Bauzeichnungen für das nächste Projekt liegen schon bereit. Es handelt sich um die Pläne für das Hallenhaus am Untermarkt, in welchem sich das Café Gloria befindet. Das mittelalterliche Haus stammt von 1560. Die Wahl traf Ausbilder Marcus Kepstein aus persönlichen Gründen. „Das Haus ist sehr spannend. Ich war vor der Sanierung des Hauses schon an der Bauforschung beteiligt und habe Restaurierungsvorschläge gemacht“, erklärt er. Somit lagen ihm dafür auch die Pläne vor, was es natürlich für das Projekt einfacher macht, ein originalgetreues Modell zu bauen. „Das zweite Haus ist aber ein erhöhter Schwierigkeitsgrad“, sagt Kepstein. Es gibt viele Details, die zu beachten sind. So sollen auch die bemalten Decken, die Lehmtüren und die umfangreiche Gewölbekonstruktion nachgebaut werden. Umgesetzt werden diese Pläne in den drei Werkstätten Gips, Malerei und Tischlern.

Wie das Projekt verläuft, stellt die Erwartungen des Jobcenters und der Bao zufrieden. „Das ist ein Probelauf. Doch die Teilnehmer engagieren sich für das Projekt und erwerben neue Fähigkeiten im handwerklichen Bereich, die ihnen besondere Qualifikationen für den Arbeitsmarkt mitgeben“, erklärt Marion Reichelt. Die Fortbildungsmaßnahme geht bis Juni. Wie es danach im Waidhaus weitergeht, ist allerdings noch nicht ganz klar. Bisher ist der Vertrag mit der Stadt Görlitz vorerst bis zum 30. Juni befristet. Ziel ist es, bis zum Vertragsende eine langfristige Lösung für die Nutzung des Waidhauses zu finden. „Die Stadt geht davon aus, dass der Vertrag weitergeführt werden kann“, sagt Wulf Stibenz, Sprecher der Stadt. Gespräche dazu sind für das zweite Quartal dieses Jahres geplant. Bis dahin wird im Waidhaus weiter eifrig an den Nachbauten der denkmalgeschützten Hallenhäuser gearbeitet.