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Millionenablöse für einen Görlitzer

Heiko Scholz fiel als Youngster bei Dynamo durch, wurde aber für sehr viel Geld wieder nach Dresden geholt. Am Donnerstag wird er 50.

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© WORBSER-Sportfotografie

Von Jürgen Schwarz

Zur Weihnachtszeit traf sich Heiko Scholz in Leverkusen mit dem Sportchef von Alemannia Aachen. Der Ex-Bundesligist suchte einen neuen Chefcoach und der gebürtige Görlitzer, dessen Bruder Holger mit seiner Familie immer noch in der Neißestadt lebt, ist inzwischen ein begehrter Trainer. Kein Wunder, schließlich steht er mit dem 1. FC Lok Leipzig in der NOFV-Oberliga Süd souverän auf Platz eins und strebt mit seinen Schützlingen der Regionalliga Nordost entgegen. Zunächst kam ein anderer wichtiger Termin dazwischen: Der ehemalige Bundesliga-Profi feiert am Donnerstag seinen 50. Geburtstag.

Mit dem Fußballspielen begann Heiko Scholz in seiner Geburtsstadt Görlitz, bei der SG Dynamo. „Mit zwölf Jahren wurde ich an die Sportschule in Dresden delegiert.“ Dort lernte er Fred Wonneberger, der seit Jahren die Görlitzer Landesliga-Kicker trainiert, kennen. „Wir spielten in einer Mannschaft, unter anderem mit Ulf Kirsten und Jörg Stübner zusammen“, erzählte Wonne. Die Freundschaft hält bis heute an.

„Wir telefonieren regelmäßig, tauschen uns vor allem über Spieler aus.“ Als Spieler sei Heiko Scholz ein richtiger Teamplayer gewesen, „der den offensiven Leuten immer den Rücken freigehalten hat“. Vier Jahre spielte Heiko Scholz für Dynamo Dresden, aber den Sprung in den Männerbereich schaffte er zunächst nicht. „Man sagte mir, ich sei zu klein. Ich bin zur ISG Hagenwerder gegangen, weil ich dort meinen Berufsabschluss zum Instandhaltungsmechaniker machen konnte.“ Trainieren durfte er täglich.

Europapokalfinale in Athen

„Die waren dort total fußballverrückt. Man wurde mittags von der Arbeit freigestellt und konnte zum Training.“ Bei einem Hallenturnier in Görlitz wurde Chemie Leipzig auf den Lockenkopf aufmerksam. „In Leutzsch lief es dann wie am Schnürchen. Ich wurde sogar U21-Nationalspieler und durfte mit der Auswahl ins Ausland reisen, obwohl ich gar kein Genosse war.“

Seinen Wechsel zum 1. FC Lok Leipzig beschloss die Bezirksparteileitung, „aber sportlich war es natürlich der nächste Schritt“. Heiko Scholz spielte vier Jahre für die Probstheidaer, erreichte 1987 mit Lok das Endspiel im Europacup der Pokalsieger. Im Athener Olympiastadion unterlagen die Leipziger Ajax Amsterdam durch ein Tor von Marco van Basten mit 0:1, „aber wenige Tage später wurden wir wieder DDR-Pokalsieger“, erinnert sich Scholz, der schließlich als erster Millionentransfer des DDR-Fußballs in die Geschichtsbücher einging. Ausgerechnet Dynamo Dresden verpflichtete den kleinen Mittelfeldspieler 1990. „Eine absolut kuriose Situation“, schüttelt Heiko Scholz immer noch den Kopf. „Schließlich hatte mich Dynamo jahrelang ausgebildet, dann aber weggeschickt, um mich dann für sehr viel Geld wieder zurückzuholen. Übrigens dachten einige Leute damals, ich hätte diese Million bekommen.“

Für die Dresdner war der Transfer eminent wichtig, denn Dynamo qualifizierte sich zusammen mit Hansa Rostock ein Jahr später für die Bundesliga. Am vorletzten Spieltag machten die Schwarz-Gelben mit einem 2:1 bei Lok Leipzig alles klar. „Ausgerechnet in Leipzig und ich schoss auch noch das 1:0. Der Fußball schreibt schon verrückte Geschichten.“ Überhaupt war die „Wendezeit“ für Heiko Scholz die verrückteste Phase seiner sportlichen Laufbahn. In Dresden ging es zeitweise chaotisch zu. Etliche Spieler, Trainer und Funktionäre waren als inoffizielle Mitarbeiter der Stasi enttarnt worden. „Torsten Gütschow wohnte damals ein paar Tage bei mir. Wir mussten immer zum Hintereingang rein, weil vor dem Haus Kamerateams und Journalisten lauerten.“

Ausgerechnet in dieser Zeit gelang Dynamo ein historischer Bundesligasieg beim FC Bayern München (2:1). „Es war ein geniales Spiel“, gerät Scholz immer noch ins Schwärmen. „Ich schoss vor der Pause das 1:0, später erzielte Dirk Zander nach einem Eckball von mir den Siegtreffer.“

Nach zwei Jahren verkauften die Dresdner ihren 1,73 m großen Mittelfeldmotor, der auch beim letzten DDR-Länderspiel in Brüssel (2:0 gegen Belgien) mit von der Partie war. Bayer Leverkusen ließ sich die Scholz-Verpflichtung rund 1,8 Millionen kosten, „damit hatte Dynamo zumindest bei diesem Geschäft einen Gewinn erzielt“. In Dresden bestritt er wenig später sein einziges Länderspiel für die DFB-Auswahl. „Es war das Abschiedsspiel für Rudi Völler. Wir spielten vor 27 000 Zuschauern 1:1 gegen Mexiko.“ Mit Leverkusen gewann er 1993 den DFB-Pokal, wechselte später zu Werder Bremen und kam auf insgesamt 159 Bundesligaspiele. Seine Laufbahn ließ er bei Fortuna Köln, in Wattenscheid und beim Dresdner SC ausklingen.

Nun schickt sich Heiko Scholz an, zum 50. Clubjubiläum den 1. FC Lok Leipzig in die Regionalliga zu führen. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Seine Familie entscheidet, ob es beruflich in Probstheida weitergeht, schließlich wohnt Ehefrau Ilona im rheinischen Leichlingen. Auch die beiden Töchter und vor allem Enkelsohn Louis (5) vermisst Heiko Scholz. Sein Kumpel Fred Wonneberger, der in diesem Monat auch seinen 50. Geburtstag feiert, ist aber überzeugt: „Heiko steigt mit Lok auf und bleibt Trainer beim 1. FC Lok.“