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Mikrochips fürs heilige Sakrament

Die Hostie symbolisiert für Christen den Leib Jesu und wird beim Abendmahl gereicht. Auch Dresdner Diakonissen fertigen die speziellen Oblaten, von Hand und mit speziellen Symbolen - seit genau 150 Jahren.

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© dpa

Von Simona Block

Dresden. Klein, schmucklos, ohne Geschmack: Hostien sind kein gewöhnliches Backwerk. Sie bestehen nur aus Mehl und Wasser, stillen weder Hunger noch Gelüste und brauchen zwei Tage, bis sie fertig sind. „Der reine Backvorgang dauert nur anderthalb Minuten“, erklärt Christine Ullmann, Leiterin der Hostienbäckerei der Evangelisch-Lutherischen Diakonissenanstalt in Dresden.

150 Jahre Hostienbäckerei Dresden

Carola Schmidt kippt eine Kelle Hostienteig auf das Backeisen und verteilt ihn crepeslike über die blitzblanke Edelstahlplatte.
Carola Schmidt kippt eine Kelle Hostienteig auf das Backeisen und verteilt ihn crepeslike über die blitzblanke Edelstahlplatte.
90 Sekunden später  ist die Hostienscheibe fertiggebacken.
90 Sekunden später ist die Hostienscheibe fertiggebacken.
Nach dem Backen kommt das Stanzen - 66 kleine und eine Schauhostie passen auf die Platte.
Nach dem Backen kommt das Stanzen - 66 kleine und eine Schauhostie passen auf die Platte.
Abhängig von Konfession und Landeskirche erhalten die Hostien individuelle Prägungen.
Abhängig von Konfession und Landeskirche erhalten die Hostien individuelle Prägungen.
Weil Abendmalfeiern boomen, gehen immer mehr Besucher den Hostienbäckern auf den Keks.
Weil Abendmalfeiern boomen, gehen immer mehr Besucher den Hostienbäckern auf den Keks.

Die Manufaktur feiert dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen. Es ist die einzige ihrer Art in Mitteldeutschland. Jährlich liefert sie eine Million der zarten Oblaten für das Abendmahl in Kirchgemeinden - auf Bestellung.

Im Büro der Diakonisse sind ihre Kunden auf einer Deutschland-Karte markiert, die Stecknadeln bündeln sich vor allem im Süden und Norden Ostdeutschlands. Seit 1989 werden die mit einem Kruzifix oder einem Lamm mit Siegesfahne versehenen Hostien auch nach Österreich, in die Schweiz, nach Dänemark, Amerika und sogar Papua-Neuguinea versandt - zu 500 oder 1 000 Stück pro Karton. Bestellt wird per Brief, Fax, Telefon und immer häufiger ganz modern per E-Mail.

Vor allem Ostern und Pfingsten herrscht Hoch-Zeit in dem schlichten Gebäude in der Dresdner Neustadt. „Da helfen auch zwei Diakonissen ehrenamtlich aus“, erzählt Ullmann. Seit 2000 ist der Verein der Schwesternschaft Träger der Hostienbäckerei, die neben Ullmann zwei gehörlose Mitarbeiterinnen hat. Eine davon, Carola Schmiedt, steht am elektrisch beheizten Eisen und backt eine Hostienplatte nach der anderen mit je 37 Zentimeter Durchmesser, aus der später 66 kleine und eine größere Schauhostie mit Christusmonogramm gestanzt werden.

Immer wieder nimmt die frühere Damenmaßschneiderin eine Kelle mit beiger Flüssigkeit aus einem Eimer, gießt sie in die Mitte der 135 bis 140 Grad heißen runden Metallfläche und schließt das Backeisen. Es zischt und qualmt. „Das muss ganz schnell gehen, sonst gibt es Luftblasen“, sagt Ullmann. Mit einem Spachtel schabt Schmiedt die herausgelaufenen Teigreste ab. Dann öffnet sie den Deckel mit den eingravierten Motiven, entfernt die Platte und legt sie in einen Korb.

Die frisch gebackenen und brüchigen Hostienplatten müssen einige Stunden in einem gesonderten Raum mit einem Raumluftbefeuchter geschmeidig gemacht werden. Eine Kollegin von Schmiedt drückt dann an der mit Fußkraft betriebenen Stanzmaschine jede Hostie einzeln aus der Platte. Wie viele es täglich sind, kann Ullmann nicht sagen. „Wir verarbeiten sechs Kilogramm Teig pro Tag.“ Der wird nach biblischem Rezept jeweils aus einem Kilogramm feinem Weizenmehl und 1,25 Litern Wasser gemischt, wie das ungesäuerte Brot für das Passahmahl.

„Auch in den meisten Klöstern wurden die speziell zubereiteten Oblaten hergestellt“, sagt Pfarrer Thilo Daniel und Rektor der Diakonissenanstalt. Wie viele Hostienbäckereien es in Deutschland noch gibt, kann aber auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nicht sagten. „Das wird nicht erfasst“, sagt eine Sprecherin. Daniel schätzt, dass es etwa ein Dutzend sind. Es gebe auch einen Versandhandel für Kirchenbedarf, der Gottesdienstausstattung vertreibe und dabei auch Hostien. „Die Qualität ist unterschiedlich.“

Die Oblaten aus der Dresdner Hostienbäckerei sind Einzelanfertigungen und an ihren Motiven erkennbar: Kruzifix, Lamm mit Siegesfahne und Christussymbol. Der Titel der Manufaktur ist laut Daniel eher irreführend. „Eine Bäckerei sind wir eigentlich nicht, es ist eher Dienstleistung als Handwerk, im geistlichen und theologischen Sinne.“ Bei Herstellung und Versand wird auch gebetet - für die Gemeinden, die die Hostien erhalten und für die Menschen, die mit ihnen das Abendmahl feiern.

In Sachsens evangelischer Landeskirche nimmt die Zahl der Abendmahlfeiern zu. Bei den Hostienbestellungen schlägt sich das aber nicht nieder, sagt Pfarrer Daniel. Auch das Landeskirchenamt sieht einen verstärkten Trend zur Abendmahlsfeier, wie Sprecher Matthias Oelke sagt. „Ging man früher zwei Mal im Jahr zur Abendmahlsfeier, gibt es jetzt mindestens einen solchen Gottesdienst pro Monat, der gut besucht ist.“ Zum Jubliäum jedenfalls wird die Dresdner Hostienbäckerei überrannt von jungen Interessenten, wie die Chefin sagt. „Die Führungen sind ausgebucht.“ (dpa)