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Metallbauer hilft in Hongkong Diesel sparen

Die Firma Heuer zog vor zehn Jahren nach Großröhrsdorf. Die Auftragsbücher sind voll.

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Von Reiner Hanke

Ein geheimnisvoller blauer Käfig steht mitten in der Produktionshalle der Heuer Metallwaren GmbH in Großröhrsdorf. Eingekreist von einem beeindruckenden Maschinenpark. In den blauen Produktionsbereich darf nicht jeder. Ganz klar – es geht um Sicherheit. Dieser Raum wird vom Luftfahrtbundesamt Berlin überwacht. Hier ist das Reich von Heidi Werner. Sicherheitssteckschlösser montiert die Pulsnitzerin. Die werden später in Fallschirmen verarbeitet. Auf diese Eigenentwicklung ist Betriebsleiter Christian Anders schon stolz. Dreifache Sicherheit biete das Steckschloss und kann vom Fallschirmspringer im Notfall mit einer Hand geöffnet werden. Das ist nicht selbstverständlich. 2 500 Stück stellt Heuer davon im Jahr her.

Ein vergleichsweise kleiner Posten. Für einen polnischen Kunden produziert die Firma 50 000 Stanzteile für Elektromotoren – aber am Tag. Den angenehmsten Arbeitsplatz haben derzeit Timo Zschiedrich und Oliver Dittrich. Er betreut Hightech in einem separaten Maschinenraum neben der großen 3 000 Quadratmeter-Werkshalle. Es ist fast ein Kälteschock beim Betreten. Während draußen vor der Werkshalle der Asphalt schmilzt, lassen die 21,4 °C frösteln. Hier arbeiten wohltemperiert von einer Klimaanlage sogenannte „Draht-Erodier-Maschine“. Man könnte es auch als Hightech-Laubsägen bezeichnen. In einem Wasserbad arbeitet sich ein feiner Draht durch den Stahl, 2,5 Millimeter pro Minute. Mit höchster Präzision trennt die Maschine einen kleinen Zylinder aus dem Metall. Am Ende entstehen Schneidwerkzeuge.

In der Halle nebenan donnert unterdessen die 100-Tonnen-Stanze. Im Sekundentakt fliegen Gehäuseteile für Motoren aus der Anlage. Aus einem Regal fischt Betriebsleiter Christian Anders Bleche mit symmetrisch ausgestanzten Öffnungen. Die werden bis nach Hongkong auf die Reise gehen und in Stadtbusse eingebaut. Dort helfen sie beim Dieselsparen. Die kleinsten Teile sind in manchem Kinderzimmer zu finden: Es sind millimeterkleine Anhängerkupplungen für TT-Modellbahnen. Der Werkzeugbau ist ein weiteres Standbein. Für den Eigenbedarf, aber auch für andere Stanzereien. Momentan projektieren die Entwickler z. B. ein Stanzwerkzeug für Dachschindeln. 80 Prozent der Werkzeuge gehen aber in die Automobilindustrie.

Um die 1 000 unterschiedliche Produkte laufen bei Heuer derzeit in der Produktion vom Band, überschlägt Christian Anders. In vielen Fällen wissen die Großröhrsdorfer gar nicht, wo ihre Teile letztlich eingebaut werden: „Wir sind Zulieferer für deutsche Firmen, die die Produkte global weiter verarbeiten.“ Und das sehr erfolgreich. So landen die Teile auch in den Fahrzeugen großer Autokonzerne wie Audi, Porsche und Mercedes. Die Produktpalette wurde seit der politischen Wende 1989/90 total umgekrempelt. Damals stellte die Firma vorwiegend Schnallen für die Bandindustrie her. „Wir haben die Stärken der Mitarbeiter genutzt und neue Geschäftsfelder erschlossen“, sagt Geschäftsführer Andreas Heuer. Bis es im damaligen Pulsnitzer Werk zu eng wurde. In der Nachbarstadt wollte Heuer vor genau zehn Jahren ursprünglich auch erweitern. Dort wo 1946 die Geschichte begann und nach der Rückübertragung der Firma 1993 von der Treuhand weiterging. Dem Unternehmen seien aber immer neue Steine in den Weg gelegt worden. Schließlich sei die Entscheidung gefallen, Pulsnitz zu verlassen. In einer Hauruckaktion von drei Monaten und drei Tagen habe Heuer 2004 das neue Werk in Großröhrsdorf eingerichtet: „Und immer schwarze Zahlen geschrieben“, so Andreas Heuer. Auch in Krisenzeiten, Ende des vorigen Jahrzehnts. Die Belegschaft habe er aber durch das Mittel der Kurzarbeit stets halten können. Deren Zahl stieg seit der Übernahme 1992 von 23 auf 43 Beschäftigte. Zu Umsatzzahlen hält sich Andreas Heuer bedeckt. Ohne den umfangreichen Maschinenpark wäre es unmöglich, so flexibel und schnell liefern zu können. Und der wächst immer weiter. Millionen habe Heuer in den Betrieb investiert, sagt der Geschäftsführer. Erst in dieser Woche hat das Werk eine Schleifmaschine für 80 000 Euro in Betrieb genommen und einen Mitarbeiter eingestellt. 120 000 Euro kostete die neueste „Draht-Erodier-Maschine“. Ein Geheimnis für den Erfolg sei die große Bandbreite der Produkte aus den drei Heuer-Werken in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg. Der Ideenreichtum beeindruckte jetzt auch den Landtagsabgeordneten Aloysius Mikwauschk bei einem Besuch zum 10-Jährigen. Da sind auch schusssichere Rollläden für Kunden in Griechenland kein Problem. Derzeit sind die Auftragsbücher im Werkzeugbau so voll, dass Angebote abgelehnt werden müssten.

Gar nicht so leicht sei es dagegen momentan, Lehrlinge zu finden. Zwei junge Leute aus der Oberschule Rödertal seien jetzt regelmäßig im Betrieb, um die Arbeit kennenzulernen. So will Heuer junge Leute frühzeitig an die Firma binden. Das könnte ebenfalls ein Erfolgsrezept sein, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern.