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Meister verdienen mehr als Akademiker

Vielen Schülern sind die Chancen mit einem Handwerksabschluss nicht bewusst. Unternehmer wollen das ändern.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Mittelsachsen. Popstar Patrick Nuo ist ein Botschafter für regelmäßige Hörtests und Hörgeräte. Er ist noch vergleichsweise jung. „Aber auch junge Menschen haben Hörprobleme, nicht nur ältere“, erzählt Claudia Vogler-Bergmann, Inhaberin der Vogler Augenoptik & Hörakustik. Der Bedarf und der Markt wachsen. „Aber es wird zunehmend schwieriger, Auszubildende für den Beruf Hörakustiker zu finden“, sagt sie. Deshalb beteiligt sie sich gemeinsam mit 170 weiteren mittelsächsischen Industrie- und Handwerksfirmen an der Woche der offenen Unternehmen.

Weshalb gewähren die Firmen den Schülern einen Blick hinter die Kulisse?

„Ich möchte den jungen Leuten meinen Traumberuf näher bringen“, erzählt Claudia Vogler-Bergmann. Und das Berufsbild des Hörakustikers bekannter machen. Ähnlich sieht es Rainer Wais, Werksleiter der Jeld-wen Deutschland GmbH & Co. KG in Mittweida. Das Unternehmen bildet unter anderem Holzmechaniker aus. Dieser Beruf sei auch für Mädels geeignet. Das sei vielen aber gar nicht so bewusst. „Die Hälfte unserer Azubis ist weiblich“, erzählt er. Beide hoffen, dass sich durch ihre Teilnahme an der Woche der offenen Unternehmen interessierte junge Leute finden, die vielleicht wiederkommen, ein Praktikum absolvieren und so viel Gefallen an dem Beruf finden, dass sie eine Ausbildung beginnen. „Bei uns hat das bisher aber noch nicht geklappt“, sagt Claudia Vogler-Bergmann. Trotzdem sei sie von Beginn an bei der Aktion dabei – und werde es auch bleiben. Bisher hätten sich vier Interessenten angemeldet. Fünf Plätze gibt’s insgesamt. „Wenn die Nachfrage noch steigt, bieten wird einen Zusatztermin an“, sagt sie.

Warum wird eine duale Ausbildung immer wichtiger?

2014 habe der Kreis bundesweit die niedrigste Quote für die duale Ausbildung gehabt, ergänzt Ute Kötzsch, Teamleiterin Berufsberatung der Agentur für Arbeit Freiberg. „Der Hörakustiker ist solch eine duale Ausbildung und vereint eigentlich gleich mehrere Berufsfelder: Verkauf und Handel. Handwerk, PC-Kenntnisse, Messtechnik und man ist auch ein Stück weit Psychologe“, erzählt Claudia Vogler-Bergmann.

Laut Annette Schwandtke, Geschäftsführerin der IHK Region Mittelsachsen, wird die duale Ausbildung immer wichtiger. Denn sie könne zum Teil bessere berufliche Perspektiven aufzeigen, als so mancher Hochschulabschluss. Meist bleiben die Ausgebildeten in ihren Betrieben und bilden sich weiter fort. Annette Schwandtke erklärt: „Von den Spitzenverdienern unter den Fortbildungsabsolventen verfügen mehr als 70 Prozent über einen Haupt- oder Realschulabschluss.“ Meister und Techniker wären „gegenüber Kollegen öfter fachlich weisungsbefugt als Akademiker: 80 versus 69 Prozent“. Die Unternehmer müssten versuchen, den Jugendlichen die Vorteile einer dualen Ausbildung in der Region schmackhaft zu machen. Dabei müssten auch Studienabbrecher gezielt angesprochen werden.

Haben Abiturienten immer Vorteile gegenüber anderen Absolventen?

Die Qualifikationsanforderungen an offene Stellen seien laut dem Fachkräftemonitoring in den vergangenen fünf Jahren gesunken. Stellten 2010 noch 35 Prozent der sächsischen Unternehmer lieber Hochschulabsolventen ein, sind es jetzt nur noch 18 Prozent, so Annette Schwandtke von der IHK. Das kann auch Claudia Vogler-Bergmann bestätigen. Eigentlich sei der Hörakustiker viele Jahre lang ein Beruf für Absolventen von Gymnasien gewesen. „Ich suche gerade Auszubildende, die mindestens einen Realschulabschluss mit einem Dreier-Notendurchschnitt haben.“

Was müssen Schüler tun, um an der Woche teilnehmen zu können?

Die Betriebe öffnen ihre Büro-, Labor- und Werkstatttüren für Oberschüler ab der Klasse 7 und Gymnasiasten ab der 9. Klasse. „Bei uns im Landkreis gibt es 51 Schulen und ein Potenzial von 10 000 Schülern ab der 7. Klasse“, sagt Vize-Landrat Lothar Beier. Im vergangenen Jahr sind 135 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben. Es handelt sich um ein außerschulisches Angebot. Bei 70 Veranstaltungen stehen 4 335 Plätze zur Verfügung. „Bis zum 21. Februar können sich die Schüler im Internet anmelden. Dort gibt es eine Übersicht über die Veranstaltungen in den Regionen und der Ausbildungsberufe“, erklärt Koordinator Jens Spreer von der Abteilung Wirtschaftsförderung des Landratsamtes Mittelsachsen. Die Eltern sollten sich die Zeit nehmen und gemeinsam mit ihren Kindern überlegen, welche Veranstaltungen infrage kommen.