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Meißen unterm Maßband

Weltweit nimmt die Zahl der Übergewichtigen immer mehr zu. Und auch der Landkreis sollte abspecken.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Das Traurige ist, dass man Studienergebnisse wie dieses mittlerweile erwartet: Das Institute for Health Metrics and Evaluation aus Seattle berichtet im New England Journal of Medicine, dass die Menschheit sogar noch dicker ist als bisher angenommen. Rund 2,2 Milliarden Menschen waren demnach im Jahr 2015 zu dick. Davon waren 604 Millionen Erwachsene sowie 108 Millionen Kinder sogar fettleibig – eine Verdopplung des Prozentsatzes Fettleibiger in über 70 Ländern seit 1980. Auch vor unserer Region macht diese Entwicklung nicht halt. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick.

Werden auch die Menschen im Landkreis immer dicker

Das Gesundheitsamt erfasst zwar laut Aussage von Kreissprecherin Kerstin Thöns die Zahl der Übergewichtigen und Fettleibigen nicht. Doch sowohl Dr. med. Jörg Patzschke, Chefarzt am Zentrum für Innere Medizin des Elblandklinikums Meißen, als auch Diät- und Ernährungsberaterin Peggy Dathe aus Meißen können aus der täglichen Praxis bestätigen, dass die Zahlen steigen. „Was mich besonders erschreckt, ist die Schere: dick oder mager“, sagt Dathe. „Es gibt kaum noch etwas dazwischen.“

Wie unterscheidet man Übergewicht von Fettleibigkeit

Zur Bewertung des Gewichts wird gerne der Body-Mass-Index (BMI) herangezogen. Dieser setzt die Körpergröße mit dem Gewicht ins Verhältnis. Ein Körpermasse-Index von 25 bis 30 beschreibt dabei Übergewicht, ab 30 spricht man von Fettleibigkeit beziehungsweise Adipositas. Für die Gesundheit spielt jedoch auch eine Rolle, wie das Fett verteilt ist. „Besonders ungünstig sind Fettdepots im Bauchraum und an den inneren Organen. Man spricht hier von der sogenannten Apfelform“, so Chefarzt Dr. Patzschke. „Die mehr hüft- und oberschenkelbetonte Fettverteilung hat ein etwas geringeres Risiko. Hier handelt es sich um die sogenannte Birnenform.“

Sind eher Männer oder eher Frauen zu dick

„Sowohl Männer als auch Frauen sind in ständig steigender Zahl betroffen“, erklärt Dr. Patzschke vom Elblandklinikum. Eine große deutsche Studie habe 23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen mit einem BMI von 30 und mehr ergeben. Mit zunehmendem Alter nehme auch der Anteil fettleibiger Menschen zu. „Besonders ausgeprägt ist der Anteil adipöser Männer in der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren und adipöser Frauen zwischen 70 und 79 Jahren“, so der Mediziner.

Wie sieht es bei Kindern und Jugendlichen aus

Auch sie werden immer dicker. Das Statistische Landesamt hat gerade ein Faktenblatt zu Adipositas veröffentlicht, das sich Übergewicht und Fettleibigkeit im Schulalter widmet (siehe Grafik). Im Sachsendurchschnitt waren 9,2 Prozent der Schulanfänger bei der Schulaufnahmeuntersuchung 2015/2015 übergewichtig oder fettleibig. „Mit steigendem Schulalter erhöhte sich der Anteil der Schüler mit Übergewicht und Adipositas“, heißt es im Faktenblatt. „Mehr als jeder zehnte untersuchte Schüler der Klasse 2 und sogar rund jeder sechste Schüler in der Klasse 6 war übergewichtig beziehungsweise adipös.“ Peggy Dathe beobachtet immer häufiger, dass Kinder sogar eine Fettleber entwickeln.

Was sind Gründe für Übergewicht und Adipositas

Hier sind sich Mediziner und Ernährungsberaterin erneut einig: falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. Dr. Patzschke nennt besonders zuckerhaltige Getränke, Fast Food, die Prägung des Geschmacks durch Zuckerzusatz zum Beispiel in gesüßten Fleischwaren und auch den Geschmacksverstärker Glutamat, der den Appetit anregt. Gleichzeitig üben viele Menschen sitzende Tätigkeiten aus und gestalten ihre Freizeit passiv durch Fernsehen und Computerspiele. „Ich bin davon überzeugt, dass es an falschen Empfehlungen liegt“, sagt Peggy Dathe. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehle noch immer mehr Kohlenhydrate als Fett. „Aber die Leute essen seit Jahren immer weniger Fett und werden trotzdem immer dicker.“ Dathe spricht von einer regelrechten „Kohlenhydrate-Mast“.

Wie viel machen Veranlagung und Erkrankungen aus

Erbanlagen spielen laut Dr. Patzschke eine gewisse Rolle. „Dies konnte zum Beispiel bei Adoptivkindern gezeigt werden, die trotz übernommener Essgewohnheiten von ihren Adoptiveltern letztlich eher das Gewicht ihrer leiblichen Eltern bekamen.“ Doch Stoffwechselkrankheiten als Ursache einer Adipositas seien selten. Schilddrüsen-Unterfunktion sowie Zuckerstoffwechselstörungen mit Hyperinsulinismus oder Störungen der Nebennieren und der Hirnanhangsdrüse kämen hier infrage. „Auch einige Medikamente können zu einer Gewichtszunahme führen, wie Insulin, Kortikosteroide oder Antidepressiva.“ Peggy Dathe: „Ich sage immer: Die Veranlagung ist kein Schicksal.“

Wie sind die Kliniken auf Übergewichtige eingestellt

In den Elblandkliniken gibt es spezielle Betten für besonders schwere Menschen sowie Hebe-, Lagerungs- und Transportgeräte, die bei Bedarf genutzt werden können. „Die Versorgung der Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten ist uns im Elblandklinikum Meißen seit vielen Jahren ein besonderes Anliegen“, erklärt Dr. Patzschke. Der Vorbeugung komme eine große Bedeutung zu und damit auch der Betreuung der Patienten mit Adipositas. „Speziell ausgebildete Ernährungsberaterinnen geben unseren Patienten wichtige Informationen für die Gestaltung ihres Lebens im Rahmen entsprechender Schulungen.“ Operationen, zum Beispiel zur Magenverkleinerung, seien aber selten eine Option.