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Meißen feiert sich jung

Beim Neujahrsempfang galt es für die Besucher zuerst einmal, ihre Schwellenangst zu überwinden.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Ja, wie denn nun: Hüpfen und Lacher riskieren? Vorsichtig darübersteigen? Oder gleich ganz kapitulieren? Vor diesen Fragen stehen am Dienstagabend die Gäste im Foyer des Meißner Theaters. Ein Ritual aus dem Landesgymnasium St. Afra wird hier zelebriert.

Auf der Freiheit springen die neuen Schüler zum Anfang ihrer Meißner Zeit über eine symbolische Schwelle in ihre Schule hinein. Nach dem Abschluss springen sie heraus und ins pralle Leben. Im Theaterfoyer dürfen die Besucher ins Jahr 2018 hüpfen. Wer sich mutig zeigt, kann seine erste Luftnummer im neuen Jahr zudem als Foto nach Hause tragen.

Den Anlass für den besonderen Auftakt liefert der 475. Geburtstag der Afra-Schule. Herzog Moritz gründete in dem früheren Kloster eine von drei sächsischen Fürstenschulen. Im Zentrum des humanistischen Bildungsprogramms sowohl für Adelssöhne als auch Bürgerkinder standen anfänglich Latein, Religion und Griechisch. Nach der Wende ergriff Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) die Initiative zum Aufbau einer Hochbegabtenschule.

Afraner sorgen dem Motto gemäß dafür, dass das Publikum an diesem Abend das wohl jüngste und frischeste Programm aller bisherigen Neujahrsempfänge genießen darf. Die Vielfalt kennt kaum eine Grenze. Es wird getrommelt, deklamiert, konzertiert und getanzt. Wie Profis halten die beiden Jung-Afraner Malte Morgenstern und Tobias Mattner von ihrer altertümlichen Schulbank aus kurzweilige Laudationes auf die vier neuen Ehrenamtspreisträger Ina Heß von der Afra-Gemeinde, Steffen Hausch von der DLRG, FDP-Urgestein Ludwig Martin Rade sowie den Meißner DRK-Chef Wolfgang Heil.

Glücklich mit dem jugendlichen Rahmen zeigt sich Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos). Mit einem rhetorischen Rundumschlag fasst er in seiner Rede zusammen, was sich in Meißen im vergangenen Jahr alles getan hat. Rosiger kann ein Rückblick kaum ausfallen. Die Themenbreite reicht vom ambitionierten Kitabau-Programm der Stadt, über den neu gestalteten Theaterplatz und das sanierte Seeg-Haus Burgstraße 2 bis hin zum nagelneuen Archiv. Mancher im Saal spürt bereits einen Hauch Wahlkampf. Raschke muss dieses Jahr sein Amt verteidigen.

Kultur macht hungrig. Schnell leert sich der Saal und füllt sich das Foyer. Aus Berlin ist Stern-Combo-Manager Detlef Seidel angereist, den 2018er Kalender der mit Sänger Manuel Schmid erfolgreich verjüngten Rock-Dinos im Gepäck.

Versonnen lächelnd nippt an einem der Stehtische Winzergenossenschaftschef Lutz Krüger an einem Glas Meißner Weins. Als alter Hase in der Branche hat er mit dem frischen Jungwein Grünschnabel einen Volltreffer gelandet. „Der ist mittlerweile zu einem Selbstläufer geworden“, freut sich der Geschäftsführer von Sachsens größtem Weinerzeuger.

Irgendwie ein bisschen wie frisch aus dem Jungbrunnen gestiegen, wirkt auch Meißens Ex-Stadtwerkechef Hans-Jürgen Woldrich. Seit einigen Wochen darf er seinen Ruhestand genießen. Langweilig werde ihm trotzdem nicht, verrät er an diesem Abend. Jetzt habe er endlich Zeit für seine vielen Hobbys. Zum Beispiel fürs Kochen. Allerdings koche seine Frau auch gern. Trotzdem: Steht der Hausherr am Herd, darf sie nicht über die Schwelle.