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„Meinen Dialekt nehme ich mit“

Dynamo-Profi Stefan Kutschke spricht über Andenken aus der Heimatstadt Dresden, will aber eigentlich gar nicht mehr weg.

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© Robert Michael

Herr Kutschke, Sie haben als Spieler bereits häufig den Verein gewechselt. Haben Sie sich auf einer Ihrer Stationen besonders heimisch gefühlt?

So richtig zu Hause gefühlt habe ich mich eigentlich nirgendwo, da Dresden ja meine Heimat ist. Die drei Jahre in Leipzig waren aber besonders heimatnah und die Wege zur Familie und zu Freunden relativ kurz. Da Leipzig auch in Sachsen liegt, kann ich sagen, dass das die Zeit gewesen ist, in der ich mich am heimischsten gefühlt habe.

Spüren Sie Fern- oder Heimweh?

Gerade in Phasen, in denen es nicht so gut läuft, hat man schon ab und zu Heimweh. Du hast ja eigentlich nur Arbeitskollegen um dich herum, nicht die Familie oder die besten Freunde, die einen zu 100 Prozent kennen. Da gibt es nicht so viele Fürsprecher. Deshalb vermisst man in schweren Zeiten das familiäre Umfeld schon sehr.

Verfolgen Sie Ihre Ex-Klubs noch?

Absolut, jeden ehemaligen Verein. Ich habe überall noch mindestens ein, zwei Kontakte. Mir haben Leute aus Babelsberg, wo ich von 2008 bis 2010 gespielt habe, zum Aufstieg gratuliert. Ich freue mich mit jedem meiner einstigen Klubs, verfolge die Geschehnisse auch jetzt noch sehr genau.

Sind bei den ein, zwei Kontakten jetzt auch beste Freunde dabei?

Es hat sich schon ein bester Freund mit Daniel Frahn herauskristallisiert. Mit ihm habe ich zwei Jahre in Babelsberg und drei Jahre in Leipzig gespielt. Wir waren fünf Jahre Zimmerpartner und haben gegenseitig die Familien kennengelernt. Ich war sein Trauzeuge. Das ist schon ein Zeichen. Das macht man nicht einfach mit Arbeitskollegen, aber er ist auch eine Ausnahme.

Helfen solche Kontakte, um zu sagen, ich wechsele dahin?

Naja, er spielt jetzt beim Chemnitzer FC. Aber das könnte schon ausschlaggebend sein. Wenn ich beispielsweise länger bei Dynamo spielen sollte und wir irgendwann mal einen guten Stürmer brauchen und er würde mich fragen, wie es in Dresden ist, dann würde er meinen Aussagen wahrscheinlich auch vertrauen. Solche engen Kontakte können schon helfen.

In welchem Maß identifiziert sich ein Profi mit seinem Klub?

Ich identifiziere mich zu 100 Prozent mit Dresden, denn es ist meine Geburtsstadt, und von Dynamo war ich früher auch Fan. Da habe ich so eine Macke. Aber natürlich ist das nach nur einem halben Jahr immer etwas schwierig mit der Identifikation. Da will ich nicht lügen. Eigentlich bildet sich so etwas erst nach mehreren Jahren. Allerdings ist es bei Dynamo anders, auch aufgrund meiner Herkunft. Ich hatte noch nie einen Verein, bei dem ich mich nach so kurzer Zeit schon so wohlgefühlt habe.

Welchen Anteil hatte Ihr Agent am Wechsel vom 1. FC Nürnberg?

Heutzutage haben Berater schon einen großen Einfluss. Gerade bei jüngeren Spielern wird viel über sie geregelt. Mein Berater hätte mich gern weiter in der zweiten Liga gesehen. Der 1. FC Kaiserslautern wäre eine Option gewesen. Ich wollte aber unbedingt wieder nach Hause. Deshalb habe ich diesen Wechsel in relativ hohem Maße mitbestimmt. Ich möchte einfach den Weg gehen, der für mich der beste ist.

Waren Sie auch manchmal in Dresden als Sie woanders gespielt haben?

Ja, ich war jeden Sommer da, und im Winter habe ich meine Vorbereitungsläufe im Großen Garten gemacht. Auch Länderspielpausen eigneten sich gut, um mal bei der Familie und den Freunden vorbeizuschauen. Jeder freie Tag wurde genutzt.

Was brauchen Sie mehr: die Heimatverbundenheit oder eine neue Aufgabe?

Bei meinem Wechsel zu Dynamo stand auch die Mission des Vereins im Vordergrund. Das Gefühl, etwas bewegen zu können und gebraucht zu werden, war entscheidend. Ich fühle mich eigentlich am wohlsten, wenn ich lange Zeit für einen Verein spielen kann. Ständige Wechsel brauche ich nicht unbedingt.

Sehen Sie Ihren Lebensmittelpunkt nach dem Karriereende in Dresden?

Es ist mein Wunsch, später in der Heimat meine Familie großzuziehen. Man weiß aber nie, wohin es einen berufsbedingt verschlägt. Aber Stand jetzt ist es mein Ziel, nach Dresden zurückzukommen.

Ist die Vereinsliebe größer als der finanzielle Aspekt?

Die Zeit als Fußballprofi ist arg begrenzt. Ich kann zum Beispiel die Entscheidung von Michael Hefele, nach England zu wechseln, nachvollziehen. England ist Deutschland auf die Einkommen bezogen weit voraus. Deshalb ist es verständlich, dass er die Möglichkeit nutzen möchte.

Wäre es für Sie auch noch mal denkbar, ins Ausland zu gehen?

Na ja, ich bin jetzt 27 und werde dieses Jahr 28. So viel wechseln will ich nicht mehr. Hätten Sie mich vor fünf, sechs Jahren gefragt, hätte ich gesagt England. Das war damals mit Felix Magath als Teammanager des FC Fulham mein Traum. Doch jetzt zu sagen nie wieder, wäre falsch. Abwarten, was passiert. Es käme auch auf das Land an.

Ist es da auch wichtig, wenn man in einen neuen Verein kommt, im Idealfall eine Bezugsperson zu haben, um alles besser kennenzulernen?

Heutzutage ist es immer wichtig, eine Anlaufperson zu haben. Viele Fußballer kennen sich und ticken gleich. Es wird einem nie schwer gemacht. Es ist doch gut, wenn du einen über zwei, drei Ecken kennst. Beispielsweise, wenn du mit einem Thema ankommst wie: Vergangene Saison hast du gegen uns gespielt, und so kommst du leichter rein, und es ist auch einfacher, man redet miteinander anstatt eine Stunde vor dem Training allein dazusitzen. Also es ist schon besser, wenn du eine Bezugsperson hast, aber bei Fußballmannschaften bildet sich das von selbst aus.

Hatten Sie immer ein Andenken aus Dresden dabei?

Direkt etwas von zu Hause mitgenommen habe ich eigentlich nie, außer meinen Dialekt, den nehme ich natürlich mit. (lacht)

Kann ein funktionierendes Team dazu beitragen, sich heimisch zu fühlen?

Ich denke schon, dass eine intakte Mannschaft wie Dynamo durchaus zum Heimatgefühl beitragen kann. Auch viele Spieler aus dem Kader, die nicht aus der Region stammen, haben mir das bestätigt.

Wenn Sie heute an Ihren alten Sportplätzen vorbeifahren, vor allem bei Turbine Dresden, wo Sie angefangen haben, Fußball zu spielen – kommen da Kindheitserinnerungen auf?

Da hat sich ja schon so vieles verändert. Früher gab es keine Tornetze, und heute fährt man daran vorbei, und die Bolzplätze sind modern und neu. Daneben gibt es Beachvolleyballplätze. Oder bei Turbine Dresden, da war Hartplatz mit roter Erde. Wenn es geregnet hat, konntest du nie spielen, und heute haben sie den besten Kunstrasen der Stadt, und ein neues Haus wurde gebaut. Also wo wir uns damals umziehen mussten, da schüttelt es dich gleich. Aber ja: Da kommen Erinnerungen hoch.

Bleiben Sie künftig bei Dynamo?

Wenn man von hier kommt, sagt man immer: Ich will nie mehr weg. Doch ich habe immer noch einen Vertrag in Nürnberg nach der nächsten Saison. Dann wird halt entschieden, was für beide Seiten eine sinnvolle Lösung ist. Das hängt ja nicht nur von mir ab. Das entscheiden auch noch andere. Zu Hause ist es immer am schönsten, und mehr kann ich auch nicht dazu sagen.

Die Fragen stellten Paul Finsterbusch (15, Schüler der 9. Klasse) und Adrian Liehr (17, Schüler der 11. Klasse).