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„Meine sozialen Bindungen sind gekappt“

Seit mehr als 15 Jahren lebt ein Riesaer mit Parkinson. Mit der Krankheit kommt er zurecht. Zu schaffen macht ihm etwas anderes.

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© Hans Wiedl / dpa

Von Stefan Lehmann

Riesa. Rainer Mantey findet drastische Worte, wenn ihn etwas ärgert. „Für Behinderte wird hier im Grunde nichts gemacht“, schimpft der Riesaer. Vor 15 Jahren ist bei ihm Parkinson diagnostiziert worden. Mantey hat sich mit der Krankheit arrangiert, so gut es geht. Regelmäßig geht er zur Physiotherapie, nimmt seine Medikamente. Bis vor Kurzem sei er noch öfter mit seiner Frau in Leipzig gewesen – auch, wenn es dann schon mal vorkam, dass er sich von einem Moment auf den anderen nicht mehr bewegen konnte.

Heilbar ist Parkinson nicht, sagt Dr. Martin Wolz, Chefarzt für Neurologie und Geriatrie am Elblandklinikum Meißen, hier bei einem Riechtest mit einem Patienten. Aber es gebe gute Möglichkeiten, die Symptome zu behandeln.
Heilbar ist Parkinson nicht, sagt Dr. Martin Wolz, Chefarzt für Neurologie und Geriatrie am Elblandklinikum Meißen, hier bei einem Riechtest mit einem Patienten. Aber es gebe gute Möglichkeiten, die Symptome zu behandeln. © Claudia Hübschmann

Heilbar ist Parkinson nicht, erklärt PD Dr. Martin Wolz, Chefarzt für Neurologie und Geriatrie am Elblandklinikum Meißen. Aber es gebe gute Möglichkeiten, die Symptome zu behandeln, insbesondere zu Beginn der Krankheit. „Die Medikamente ersetzen oder imitieren den Botenstoff Dopamin“, erklärt Wolz. Die Behandlung hat allerdings ihre Grenzen. So können im späteren Verlauf der Erkrankung Depressionen und Demenz auftreten, zudem werde die medikamentöse Behandlung im späteren Verlauf „komplexer und schwieriger“. „Neben der Alzheimer-Erkrankung ist die Parkinson’sche Erkrankung eine der häufigsten altersbedingten Nervenkrankheiten“, erklärt Wolz. Allein in Meißen werden etwa 400 Patienten im Jahr behandelt. Die Krankheit werde häufiger. Grund sei vor allem die insgesamt alternde Gesellschaft: „Mit dem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit, Parkinson zu bekommen. Die meisten Patienten erkranken jenseits des 60. Lebensjahres.“

Was Rainer Mantey an der Krankheit stört, ist der Verlust der Selbstständigkeit. Vor zwei Jahren musste er den Führerschein abgeben. Die Polizei hatte ihn wegen Fahrauffälligkeiten angehalten, bei zwei Fahrproben war er anschließend durchgefallen. Zu Unrecht, sagt er. Zur ersten Probe sei er zu einer Uhrzeit bestellt gewesen, zu der er sich selbst nie ans Steuer gesetzt hätte. Bei der zweiten nahm er einem Radfahrer die Vorfahrt, so sah es der Prüfer. „Dabei ist der Radfahrer doch eher in meinen Wagen reingefahren.“ Von den Behörden fühlt er sich missverstanden. „Die urteilen einfach nach Aktenlage, die denken, ich sei geistig behindert.“ Er habe doch selbst ein Gefühl dafür, wann er sich ins Auto setzen könne und wann nicht. Seine Ehefrau bestätigt das, auch wenn sie Verständnis dafür zeigt, dass die Verkehrsbehörde auf Nummer sicher gehen will.

Ohne Führerschein ist Mantey auf das Taxi angewiesen. Zwar zahlt die Krankenkasse Fahrten zu Arzt und Physiotherapie. Aber das ändere ja nichts daran, dass er ständig auf Hilfe angewiesen sei. Er fühlt sich eingesperrt. „Ohne Auto kann ich nichts machen, meine sozialen Bindungen sind gekappt.“ Die Bushaltestelle vor seiner Tür wird wegen Bauarbeiten nicht bedient. Einfach mal raus fahren, wenn ihm danach ist? Für ihn ist das mittlerweile unmöglich geworden. Auch seine Gesundheit gehe damit den Bach herunter, sagt er.

Angst vor Stigmatisierung

Was aus Sicht des Arztes viele Patienten belastet, sei nicht nur die körperliche Einschränkung, sondern auch die Stigmatisierung. „Sie fürchten etwa, dass Außenstehende das starke Zittern als Anzeichen für Alkoholismus nehmen“, so Dr. Martin Wolz. Die Folge sei, dass Parkinsonkranke sich stark zurückziehen. Rainer Mantey hat das anders erlebt. Die Menschen seien im Alltag hilfsbereit, sagt er. „Wenn mir beim Einkaufen die Krücke umfällt, dann reißen sie sich fast darum, wer sie aufheben kann“, erzählt er und feixt. Schwierig sei dagegen die Suche nach einer behindertengerechten Wohnung in Riesa, vor allem nach einer etwas größeren. „Ein Manko ist auch, dass viele Gaststätten hier Stufen haben.“ Die zu steigen, ist schwierig für ihn.

Generell sei das Fehlen von behindertengerechten Wohnungen ein Problem von vielen, sagt Martin Wolz. Das betreffe nicht nur Parkinsonkranke, sondern viele, vor allem ältere Menschen. „Es bedarf auch einer spezialisierten Versorgung“, so Wolz. Hausärzte seien mit Parkinsonkranken oft überfordert. Auch fehle es an spezialisiertem Pflegepersonal. Das Elblandklinikum hat sich deshalb zuletzt mit anderen Kliniken vernetzt, um Expertise auszutauschen.