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Meine Herren!

Warum um Himmels willen sollte man heute noch einem Klub beitreten? Diese vier hätten da ein paar Argumente.

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© Christian Juppe

Von Anna Hoben

Klubs sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Heute sind Klubs vor allem Orte, an denen junge Menschen laute Musik hören, Bier trinken und die Nächte durchmachen. Oder Orte, an denen Paare und Familien sich farbige Bändchen um die Handgelenke streifen, mit denen sie am Pool schlecht gemixte Getränke bekommen. Das nennt man dann Urlaub, all inclusive. Früher, da war ein Klub etwas anderes. Eine geschlossene Gruppe, ein elitäres Netzwerk, meist Männer. Um so einen Klub geht es in dieser Geschichte.

Im Schönfelder Hochland scheint die Welt in Ordnung zu sein. Sanft geschwungene Hügel, das Gras wiegt sich im Wind. Ausblick, Abendsonne. Seit 2010 trifft sich hier, in der Naturschänke Malschendorf, einmal pro Monat der Ambassador Club. Etwa 50-mal sind die Herren hier gewesen – so oft, dass sie eine eigene Plakette an der Hauswand bekommen haben.

Der Ambassador Club, zu deutsch Botschafter-Klub, wurde 1956 in der Schweiz gegründet, als reiner Herrenklub. Letzteres ist mittlerweile nicht mehr so streng. Heute gibt es auf der ganzen Welt Ableger mit insgesamt 4 500 Mitgliedern. Die Dresdner Gruppe wurde 1990 gegründet, 14 Herren gehören ihr zurzeit an. In der Beschreibung der Klub-Idee ist die Rede von Freundschaft, Vertrauen und Verantwortung. Von Freiheit, Humanität und Hilfsbereitschaft. Von der Würde des Menschen, von Toleranz und vom Mut zur eigenen Meinung. Der Service-Gedanke anderer Klubs ist von geringer Bedeutung. Es geht um Geselligkeit, Austausch und Netzwerk. Um politische Diskussionen eher weniger.

Die Treffen folgen einer verlässlichen Regelmäßigkeit: Erst wird gegessen, dann einem Vortragenden zugehört. Das ist mal ein Mitglied, mal ein geladener Gast. Schon ein Jahr im Voraus stehen die Themen fest. Da mal eben eine Debatte über Flüchtlingskrise oder Pegida einzuflechten, würde die Flexibilität überstrapazieren.

Eine Auswahl der Vortragsthemen von 1990 bis heute: Supraleitung, Sitten im alten Rom, Erneuerungskonzept der Äußeren Neustadt, Tabak, Ursachen des Zweiten Weltkrieges, Entwicklungen im Profi-Tennis, Geschäftsbeziehungen nach St. Petersburg, Einführung der Euro-Währung, Unfallchirurgie, deutsche Sprache in Not, dein Computer – das unbekannte Wesen, Fitness und Gesundheit, Schmetterlinge, Geigenbau. Sie haben sich den Chef des Landeskriminalamtes eingeladen, die Restauratorin des Dresdner Damaskus-Zimmers und den Chef der Offiziersschule. Dazwischen immer wieder Reiseberichte: aus Neuseeland, Bulgarien oder Südafrika.

Die Sache ist allerdings die: Das Durchschnittsalter liegt bei 69 Jahren, der letzte Eintritt ist sieben Jahre her, der Jüngste ist mit seinen zarten 45 allein auf weiter Flur. Und das mit der Nachwuchsgewinnung ist so eine Sache: „Die jungen Leute wollen nach Australien oder Neuseeland und nicht einen Ausflug nach Eisenach machen“, sagt Werner Schuffenhauer.

Gestatten, der Vorstand: Peter Müller ist der Klub-Präsident und der Einzige in der Runde, der eine Krawatte trägt. Matthias Christfreund, dunkles Hemd, dunkles Sakko, dunkle Hose, ist als Sekretär für die Finanzen zuständig. Heinrich Paul, Vizepräsident, ein Mann mit freundlich-listigem Grinsen und Einstecktuch. Der Vierte im Bunde ist Werner Schuffenhauer, Internetverantwortlicher. Alle Vorstandsherren sind 78 Jahre alt, außer dem 64-jährigen Architekten Christfreund, der auch sonst ein Exot in der Runde ist. Erstens wegen seines Berufs, die anderen drei sind alle promovierte Ingenieure, Fachgebiet Metallkunde. Zweitens ist er Katholik.

Menschen neigen im Alter dazu, sich abzukapseln, sagt Heinrich Paul, „aber uns droht hier keine Vereinsamung“. Was den Klub von einem Freundeskreis unterscheide? „Die Disziplin. Im Freundeskreis gibt es ja kein Programm.“ Christfreund: „Es herrscht ein gewisses Pflichtgefühl.“ Müller: „Ohne den Klub würden wir zu Hause versauern.“ Er selbst hat zwar mit 74 Jahren noch eine Firma gegründet und ziemlich gut zu tun.

Aber wie die anderen sehnt er sich nach Austausch und Blicken über den Tellerrand. Gut, das mit den verschiedenen Berufsgruppen – eigentlich soll jeder Beruf nur einmal vertreten sein – hat nicht ganz funktioniert. Die meisten kennen sich von ihrer ehemaligen Arbeitsstelle am heutigen Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung.

Nicht zu viele emanzipierte Frauen

Geisteswissenschaftler fehlen komplett. Immerhin haben sie einen Künstler, über den sie froh sind, weil er anders denke, unkonventioneller. Und: zwar keinen Arzt, aber eine Ärztin – die Gattin eines Mitglieds. „De facto sind wir ein reiner Herrenklub“, sagt Müller, der Präsident. An den Klubabenden sind die Ehefrauen der Männer jedoch gern gesehene Gäste. „Sofern vorhanden“, sagt Christfreund. „Partner, so muss man ja heute sagen“, meint Schuffenhauer. Und Müllers Gattin sieht das so: „Es gibt ja auch die reinen Damenklubs. Die halten sich aber oft nicht lange. Wenn so viele emanzipierte Frauen aufeinandertreffen, das geht nicht lange gut. So sind wir nicht.“ Energisches Kopfschütteln.

Nach dem Essen erhebt sich Herr Paul, die Gespräche verstummen. Vor ihm steht eine kleine Flasche, auf dem Etikett ein Foto einer mexikanischen Bar. „Liebe Klubfreunde, wir werden heute über Mexiko reden“, sagt er und schraubt den Deckel von der Flasche, „das ist Tequila, ein Agavenschnaps“. Er gießt den Inhalt in winzige Plastikbecherchen. Während der nächsten Stunde folgt ein unterhaltsamer Powerpoint-Galopp durch Mexiko. Da steht der schnieke Herr Paul mit Hals- und Einstecktuch, reißt selbstironische Witze und zeigt Fotos von sich mit Cocktail beim Frühstück, nackte Füße im Sand.

Frischer Wind gewünscht

Wieder ein Vorurteil entkräftet: Es handelt sich bei diesem Herrenklubabend nicht um eine bierernste, kragensteife Veranstaltung. Dazu passen die Antworten auf die Frage, wie ein neuer Wunschkandidat denn sein soll. Kontaktanzeige: Nett und sympathisch soll er sein, „aber auch mit unserem eigenwilligen Humor umgehen können“. Recht jung soll er sein, „etwa 50, das wäre super“. Seine Meinung sagen soll er, „aber kein Oberlehrer sein“.

Kann eigentlich jeder dem Klub beitreten? Gretchenfrage: Was wäre, wenn sich ein Muslim melden würde? Also, sagt Schuffenhauer, „da spricht im Grunde nichts dagegen, solange“, er betont das Wort besonders, „solange er sich unserem Klub anpasst“. Der Präsident präzisiert: Es gebe da einen befreundeten Klub in der Kölner Region, in dem stellten Muslime ein Viertel der Mitglieder, es gebe dort sogar zwei junge Homosexuelle. „Und es ist überhaupt nicht so, dass die das Klubleben negativ beeinflussen.“ Die Botschafter hätten gern frischen Wind. „Es ist höchste Zeit“, sagt der Internet-Mann Schuffenhauer. „Wir werden alt.“ Pause. „Älter.“

Der Dresdner Ambassador-Club ist auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Informationen gibt es in Kürze auf folgender Seite: www.ambassadorclub-dresden.de