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Mein Freund, der Baum

Die Fällungen nehmen zu, Dresdner wehren sich. In Strehlen geht’s um einen Silberahorn, in Trachau um einen Wald.

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Von Nora Domschke & Sarah Grundmann

Sylvia Feider lässt die Sache einfach keine Ruhe. Zwar steht der mächtige Silberahorn im Innenhof ihres Wohngebietes an der Tiergartenstraße noch. Aber schon am Donnerstag sind die Tage des 50 Jahre alten Baumes gezählt. Er wird gefällt, damit ein Müllplatz gebaut werden kann. Der muss wiederum Pkw-Stellplätzen weichen. Grund ist ein neues Wohnhaus, das derzeit an der Ecke von Tiergarten- und Franz-Liszt-Straße gebaut wird. Für die künftigen Bewohner sind zusätzliche Stellplätze und Mülltonnen nötig.

Mitte Juni erfuhr die Anwohnerin von den Baumfällplänen der Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ), die den Neubau errichten lässt. Sofort hatte sie sich bei Vorstand Alrik Mutze beschwert. In mehreren Protestschreiben forderte sie ihn auf, den Müllplatz an anderer Stelle bauen zu lassen. Zwar reagierte Mutze am 6. Juli mit einem persönlichen Schreiben an Sylvia Feider auf die Forderungen. Darin erklärt er der 74-Jährigen die Entscheidung der WGJ und des Umweltamtes, den Silberahorn zu fällen: der Baum weise faule Stellen auf und sei stark von Misteln befallen. Weil Äste abbrechen könnten, stelle er ohnehin eine Gefahr für Passanten dar. Unabhängig davon habe es Beschwerden anderer Anwohner gegeben, dass der Baum zu viel Schatten wirft. Das bestätigt Mutze auch gegenüber der SZ. Sylvia Feider will die Begründungen nicht akzeptieren. „Der Baum sieht gesund aus, für mehr Licht hätte man die Äste verschneiden können.“

Kahlschlag im Naturdenkmal

Kritik übt die Anwohnerin auch an der kurzfristigen Information über die Bauarbeiten vor ihrer Haustür. Erst am Donnerstag vergangener Woche hingen Zettel in den Wohnhäusern, die die Umgestaltung der Außenanlagen für diese Woche ankündigten. Mutze räumt ein, dass die Info-Zettel etwas zu spät kamen. Von Baumfällungen ist aber auch auf den Aushängen keine Rede. Ein Lageplan zeigt, wo die neun zusätzlichen Pkw-Stellplätze und der Müllplatz gebaut werden sollen. Rote Kreuze markieren die Bäume, die dafür weichen.

Neben dem Silberahorn sind das eine Wildkirsche, ein Spitzahorn und mehrere Eiben. Sie wurden schon an diesem Montag gefällt. Sylvia Feider ist traurig und wütend. Schon seit 1964 ist sie WGJ-Mitglied, 1971 zog sie in die Wohnung in der Tiergartenstraße 30 d. „Ich war immer sehr zufrieden, aber die Fällung dieser Bäume hier ärgert mich.“ Sie fragt sich, warum die Stellplätze nicht gleich in der Tiefgarage des Neubaus eingeplant worden sind. Auch dafür hat WGJ-Vorstand Mutze eine Erklärung. Für die 42 neuen Wohnungen muss die Genossenschaft 42 Stellplätze schaffen. In der Tiefgarage ist auf einer Ebene nur Platz für 22. „Eine zweite Ebene zu bauen, wäre sehr aufwendig und damit sehr teuer gewesen“, sagt Mutze.

Für Sylvia Feider keine zufriedenstellende Erklärung. Sie will den Silberahorn um jeden Preis retten, schlägt Mutze sogar einen anderen Standort für den Müllplatz vor. Ohne Erfolg. Auch von der Pflanzung neuer Bäume – unter anderem drei Kornelkirschen, fünf Blumeneschen und zwei Eisenholzbäume – lässt sie sich nicht überzeugen, dass der Baum weichen muss. Am Donnerstag wird die Anwohnerin ein letztes Mal versuchen, die beauftragte Firma von ihrem Vorhaben abzubringen.

Viel drastischer ist ein Fall in Trachau. Denn in einem Waldstück nahe der Neuländer Straße geht es nicht nur um einen Baum, sondern um über 200. Anwohner Joachim Becker war entsetzt, als er kürzlich beim Spaziergang die blau markierten Stämme entdeckte. Vor allem, weil es sich bei dem Gebiet um ein Flächennaturdenkmal handelt, das doch eigentlich besonders geschützt werden sollte. „Motorsägen, Transportschneisen und zerwühlter Boden werden Flora wie Fauna schädigen und damit den Schutzstatus ad absurdum führen“, so Becker. Er befürchtet, dass den 200 Bäumen noch weitere folgen werden, dass das der Anfang einer Fällwelle ist.

Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) kann diese Sorgen nur teilweise zerstreuen. Grundlage für die Fällungen sei der Plan „Forsteinrichtung im Kommunalwald Dresden“, der 2007 vom Stadtrat beschlossen wurde. Dort wird unter anderem der Umfang von Fällarbeiten festgelegt. Ende 2016 soll der Plan aktualisiert werden. „Ob auch in der kommenden Forsteinrichtungsperiode solch umfängliche Maßnahmen vorgesehen sind, wird man sehen müssen“, so Jähnigen. In jedem Fall wolle sie aber an der besseren Information der Anwohner arbeiten und ist auch für deren Tipps immer dankbar.

Im Grünflächenamt sieht man die Fällungen im Naturdenkmal unproblematisch. „Oberstes Ziel ist die Walderhaltung“, heißt es von dort. „Um dieses Ziel zu erreichen, sind jedoch in Abständen von mehreren Jahren Eingriffe zur Holzgewinnung, Auslichtung, Förderung der Naturverjüngung und Herstellung der Sicherheit zu den angrenzenden Grundstücken notwendig und möglich.“ Im Fall der Neuländer Straße habe es mehrere Gespräche mit dem Umweltamt gegeben. Wann dort die Fällungen beginnen, konnte auf SZ-Anfrage nicht beantwortet werden.

Für die Trachauer bleibt also noch etwas Zeit, um den Kahlschlag zu verhindern. Wie die Strehlerin Sylvia Feider wollen sie sich nicht geschlagen geben. Eine Unterschriftensammlung soll dafür Sorgen, dass die Bäume – anders als der Silberahorn – nicht den Sägen zum Opfer fallen.