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Mehr Macht für Religiöse

Ägypten bekommt eine neue Verfassung, die das Land religiöser machen soll. Bei dem Referendum stimmte eine deutliche Mehrheit für den Entwurf. Gegner gab es nicht nur in Kairo.

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Von Mey Dudin, Kairo

Bauern und Beduinen in Ägypten stimmten mit „Ja zum Islam“. Intellektuelle, Arbeiter und Anhänger des gestürzten Langzeitmachthabers Husni Mubarak votierten eher mit Nein. So in etwa könnte man die ersten Ergebnisse der Volksabstimmung zur neuen Verfassung deuten. Rund 64 Prozent der Wähler stimmten für einen Entwurf, der Ägypten in eine religiösere Zukunft führt.

Der Verfassungsprozess hat in dem Land einen erbitterten Machtkampf ausgelöst zwischen Muslimbruderschaft und Salafisten auf der einen Seite und Liberalen, Linken, Christen und ehemaligen Regierungsbeamten auf der anderen. Auch wenn es die offiziellen Zahlen erst am Montag gibt, zeigt sich dabei ein klares Nord-Süd-Gefälle.

Süden auf Mursis Seite

Je weiter man sich von den Protestzentren Kairo und Alexandria in Richtung Süden entfernt, umso deutlicher ist das Votum: In Oberägypten, wo die ärmsten Menschen leben und jeder zweite nicht lesen und schreiben kann, befanden vier von fünf Wählern die neue Verfassung für gut, nach der islamische Religionsgelehrte mehr Macht erhalten.

Nahe der Hauptstadt hingegen ist die Bevölkerung gespalten. Der Einfluss der Opposition, die den Verlust von Freiheitsrechten befürchtet, wird stärker. Das gilt auch für das fruchtbare und bevölkerungsreiche Nildelta, das nördlich von Kairo beginnt.

Bei der Abstimmung wollten dort nicht alle der Linie des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi folgen. So stimmte nach der Provinz Gharbija nun in der zweiten Runde auch die Deltaregion Menufija mit rund 51 Prozent gegen den Entwurf. Mit Kairo zusammen sind es also drei Provinzen, die aus dem Trend ausscheren.

Menufija hatte in Ägypten schon immer einen Sonderstatus. Gleich zwei Staatsoberhäupter wurden dort geboren: Anwar al-Sadat (1918–1981) und der vor fast zwei Jahren entmachtete Mubarak. Trotzdem oder gerade deswegen sind die Bewohner der Provinz eher unbeliebt. Sie gelten als die Nutznießer des alten Systems, das im Arabischen Frühling sein Ende fand. Auf die Zeit der Massenerhebungen sind viele Menschen dort wiederum nicht gut zu sprechen.

Einen anderen Ruf hat Gharbija, wo die traditionell revolutionär geprägte Arbeiterstadt Mahalla al-Kubra mit ihrer Textilindustrie liegt. Die Bewohner des Ortes haben sich schon unter Staatschef Hosni Mubarak aufgelehnt und machten in den vergangenen Wochen mit vielen Protestaktionen auch gegen Mursi und die Muslimbruderschaft mobil.

Hoffnung auf Stabilität

Doch dies sind nur die Ausreißer bei dem Referendum um die Zukunft Ägyptens. Die Mehrheit der 27 Provinzen geht mit den Islamisten konform, wünscht sich mehr Scharia und weniger Unruhen. Und so verkündete gestern die staatliche Zeitung „Al-Akhbar“ nach der Abstimmung das, was in dem krisengebeutelten Land viele hoffen: eine Wiederkehr der Stabilität in Ägypten. (dpa)