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Mehr Leben für die verbleibenden Tage

Chefarzt Dr. Jan-Jakob Meyer ist Palliativmediziner in der Helios-Klinik Leisnig. Dort soll es bald eine spezielle Station geben.

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© dpa

Von Elke Braun

Leisnig. Sterben – für viele Menschen ist das ein Tabuthema. Eines, das von Ängsten geprägt ist, von Unwohlsein. Die Menschen möchten sich nicht damit auseinandersetzen. In Krankenhäusern ist das Personal häufig mit dem Tod konfrontiert, so auch in der Helios-Klinik Leisnig. Im gesamten Helios-Konzern wird der Palliativmedizin eine immer größere Bedeutung beigemessen, um den Patienten mehr Lebensqualität und dem Personal mehr Sicherheit im Umgang mit Schwerkranken zu geben.

Dr. med. Jan-Jakob Meyer ist Chefarzt in der Helios-Klinik Leisnig.
Dr. med. Jan-Jakob Meyer ist Chefarzt in der Helios-Klinik Leisnig. © Helios-Klinik

„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Diese Worte der englischen Ärztin Cicely Saunders treffen es genau. Das sagt Dr. Jan-Jakob Meyer, Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin in der Helios-Klinik Leisnig. Er schult die Mitarbeiter der Klinik in palliativmedizinischen Grundsätzen, das heißt, im Umgang mit Sterbenden.

„Wenn früher bei einem Patienten die heilende Medizin nicht mehr half, wurde die Behandlung abgebrochen und erst dann kam die palliative Medizin zum Einsatz“, erklärt Dr. Meyer. Heute sei das anders. Bereits so frühzeitig wie möglich sollen Patienten mit einer fortschreitenden Erkrankung an die Hand genommen werden. „Es soll eben den verbleibenden Tagen so mehr Leben gegeben werden“. Der Fokus gehe weg von „wir müssen heilen“ hin zu „wir können heilen“ und das bei einer bestmöglichen Lebensqualität für den Patienten. Das Resultat sei häufig verblüffend, so der Arzt. Sehr oft leben die Patienten unter Einsatz der Palliativmedizin nicht nur viel besser, sondern auch länger.

Dr. Meyer bezeichnet die Palliativmedizin deshalb nicht als Sterbe-, sondern als Fit-Mach-Medizin. „Wir wollen die Patienten beispielsweise fit machen, damit sie wieder nach Hause können, was ja von vielen ein großer Wunsch ist“, sagt der Arzt. Wenn ein Patient dann doch wieder ins Krankenhaus muss, soll er sicher sein, dass dort ausgebildete Mitarbeiter sind, die ihn auf seinem Weg bestmöglich begleiten können.

Die meisten Patienten hätten keine Angst vorm Tod, sondern vorm Sterbeprozess. Dreiviertel der Kranken leiden unter Schmerzen, viele aber auch unter Luftnot, Übelkeit, Schwäche oder Appetitlosigkeit. Unter Umständen sind sie verwirrt.

„Es gibt sehr viele Möglichkeiten, diese Ängste zu nehmen und das Leben bis zum Ende lebenswert zu machen“, so der Mediziner. Dabei würden immer die Angehörigen mit einbezogen. Neben den Ärzten für Palliativmedizin, von denen es derzeit fünf, bald schon sechs, an der Helios-Klinik Leisnig gibt, gehören auch ausgebildetes Pflegepersonal, Physiotherapeuten und Psychologen zum Team. „Gemeinsam mit den behandelnden Kollegen kann so ein Gesamtkonzept aufgestellt werden. Aber dazu muss man darüber reden. Man muss das Wort ,sterben‘ aussprechen.“ Eine klare Sprache sei in solchen Situationen sehr hilfreich. Wenn es gelinge, den Patienten mehr Lebensqualität zu geben, sei viel gewonnen, so Dr. Meyer. Manchmal könne es auch seelischer Schmerz sein, der den Menschen zu schaffen macht. „Seelischer Schmerz tut genauso weh, denn er entsteht im Kopf an der gleichen Stelle“, sagt Meyer.

Derzeit werden Palliativpatienten in der Helios-Klinik Leisnig behandlungsbegleitend versorgt, das heißt, die Patienten werden auf einer auf das Krankheitsbild zugeschnittenen Station, wie Innere oder Chirurgie, betreut. In Kürze soll aber eine spezielle Station für Palliativmedizin eingerichtet werden. „Das ausgebildete Personal dafür haben wir und damit schon ein Hauptproblem gelöst“, so Meyer. Die Möglichkeiten und Strukturen gebe es in der Klinik ebenso. Schon in den nächsten Wochen könne dieses Vorhaben umgesetzt werden, wenn auch ein genauer Termin noch nicht feststeht. Der Vorteil sei, dass die es für die Behandlung auf einer Palliativstation einen anderen Personalschlüssel gebe, so Meyer. Eine solche Betreuung halte sich nicht an Schichtpläne. „Auf einer Palliativstation muss die Personalplanung wesentlich flexibler sein“, sagt Meyer. Dennoch sei der Umgang mit dem Tod und schwerkranken Menschen für das Personal eine große emotionale Belastung. Aus diesem Grund gibt es für die Mitarbeiter sogenannte Supervisionen. Sie sollen dazu dienen, dass Pflegende und Ärzte die psychische Belastung besser verarbeiten. Supervisionen dürfen nur von eigens dafür ausgebildeten Psychologen vorgenommen werden.

Ärzte, die in der Palliativmedizin tätig sind, benötigen neben ihrer Facharzt- eine zusätzliche Ausbildung. „Genauso verhält es sich bei den Pflegekräften“, sagt Dr. Meyer. A und O sei, eine hohe Patientenzufriedenheit zu erreichen, den Betroffenen die Angst vor dem Sterben zu nehmen, „Denn das Sterben gehört zum Leben dazu. Es ist etwas sehr Trauriges, aber es ist normal.“