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Maximilian und das große Geld

Ein 17-jähriger Görlitzer hat mit Freunden im Internet über 28 000 Euro gesammelt. Die Summe geht an Straßenkinder.

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© Nikolai Schmidt/nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Zuerst haben sich die Eltern von Maximilian Hartmann schon gewundert. Was ist Streaming? Und wozu braucht der 17-Jährige in seinem Zimmer einen so guten Rechner, dazu drei Monitore, ein großes Mikrofon und teure Studiobeleuchtung? Inzwischen wissen sie es. „Es macht uns als Eltern stolz, mit wie viel Elan, Energie und Einsatz er und seine drei Mitspieler es ermöglichen, eine Stiftung für Straßenkinder mit über 28 000 Euro zu unterstützen“, sagt Mutter Sibylle Hartmann jetzt.

Aber mal von vorn. Streaming, das bedeutet nichts anderes als Computerspielen mit Zuschauern. Wenn Maximilian also in seinem Zimmer in der Görlitzer Innenstadt sitzt und bei der Internet-Plattform Twitch Spiele spielt, können ihm andere Leute dabei zuschauen. Gleichzeitig kann er mit allen per Internet kommunizieren: Reden und Schreiben, über das Spiel zum Beispiel, aber auch über aktuelle Themen, sogar über Politik. „Und oft wird auch einfach nur Müll geredet“, erzählt der 17-Jährige.

Wem das Ganze gefällt, der kann dem Streamer Geld spenden, damit er sich zum Beispiel neue Technik kaufen kann und somit die Qualität des Streams steigt. Früher gab es diese Spendenfunktion nicht, aber irgendwann hat Twitch sie eingerichtet. „Warum mir jemand fürs Spielen Geld spendet, habe ich ehrlich gesagt auch nicht verstanden“, sagt Maximilian. Allerdings hat es funktioniert: „Ich habe gezockt, gelabert, gelacht und dafür in anderthalb Monaten 250 Euro Spenden erhalten.“ Für den Zehntklässler aus der Oberschule Innenstadt war das natürlich eine willkommene Taschengeld-Aufbesserung.

Aber eigentlich braucht er das Geld nicht wirklich. So entstand die Idee für das Projekt „Spendendose“: Wenn die Leute schon Geld geben wollen, dann sollen sie es für einen sinnvollen Zweck tun. Zusammen mit einem anderen Streamer, dem 16-jährigen Gymnasiasten Tobias Schnabel aus der Nähe von Köln, entwickelte der Görlitzer das Projekt „Spendendose 1“, an dem letztlich 16 Streamer mitgewirkt haben. Sieben Tage und Nächte lief das Spiel rund um die Uhr. Nach einem festen Plan haben sich die 16 Leute abgewechselt. Jede „Schicht“ dauerte in der Regel vier Stunden. Die Streamer hatten im Durchschnitt 40 Zuschauer, zu Spitzenzeiten bis zu 200. Binnen einer Woche kamen so 4 000 Euro für die Deutsche Krebshilfe zusammen. Und warum sammeln Jugendliche ausgerechnet für diesen Zweck Geld? „Ich hatte eine Bekannte in Österreich, die an Krebs gestorben ist. Da habe ich mich informiert, was man tun kann“, sagt Maximilian.

Weil es so gut lief, fingen die Jugendlichen schon im September an, „Spendendose 2“ zu planen: Viel größer und langfristiger als beim ersten Mal – und im Advent, wenn die Spendenbereitschaft am höchsten ist. Diesmal stiegen noch Tom aus der Nähe von Berlin und Merlin aus dem Raum Köln ins Vorbereitungsteam ein. Die vier Jugendlichen machten die Hauptarbeit, entwickelten ein Design für ihr Projekt, schrieben Sponsoren an. Letzteres mit Erfolg: Die Vodafone Stiftung erklärte sich bereit, die Spendensumme zu verdoppeln. Tom hatte die Idee, dass das Geld diesmal an die Stiftung „Off Road Kids“ gehen soll, die sich um Straßenkinder kümmert. Er kannte selbst einen Jugendlichen, der auf die Straße gesetzt wurde. An der Umsetzung beteiligten sich dann 36 Streamer. „Spendendose 2“ lief bis Neujahr, 2 Uhr morgens – und brachte 14 322 Euro. Durch die Verdopplung der Vodafone Stiftung wurden daraus 28 644 Euro – weit mehr, als die Jugendlichen erwartet hatten.

Deshalb wird es auch „Spendendose 3“ geben, sagt Maximilian. Wer diesmal das Geld erhalten soll, ist völlig offen: „Am Besten wieder eine Organisation, die keine staatliche Förderung erhält, und es deshalb schwer hat.“ Bei alledem ist Maximilian niemand, der seine komplette Zeit am Computer verbringt. Er geht in die Schule, hat eine Freundin, geht im Sommer skaten, fährt mit dem Fahrrad an den Berzdorfer See – was 17-Jährige eben so machen. Auch, wenn er im Sommer in den Urlaub fährt, ist er mal zwei Wochen nicht „live“. Damit hat er kein Problem: „Wenn ich dann wiederkomme, habe ich einiges erlebt und viel bessere Laune.“ Das wirkt sich dann auf die Qualität des Streams aus. Und seine Freundin hat sich noch nie beschwert, dass er zu wenig Zeit für sie hat.

Im Sommer schließt er die Schule ab und will eine Ausbildung beginnen, irgendwas mit Medien auf jeden Fall. Vielleicht Veranstaltungstechniker, Mediengestalter oder Film- und Videoeditor. Ob das in Görlitz klappt, kann er noch nicht abschätzen: „Vielleicht muss ich nach Dresden oder Leipzig gehen.“ Seine Eltern hoffen derweil, dass ihr Sohn noch viel Unterstützung bekommt, auch bei „Spendendose 3“.

www.youtube.com/spendendose

www.twitch.tv/spendendose