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Max, der Bruchpilot

Häufig gestürzt, oft verletzt, immer noch da: Max Neukirchner, erster deutscher Gewinner eines Superbike-WM-Rennens.

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© Ralph Köhler

Von Maik Schwert

Er hatte so große Ziele. Max Neukirchner wollte in die Moto-GP-Kategorie – dahin, wo Valentino Rossi ist. Nicht nur mitfahren, sondern siegen, Weltmeister werden. Gut zehn Jahre ist das her. 2004 war der Deutsche in der Supersport-WM der Aufsteiger der Saison. Von 2005 bis 2010 fuhr er in der Superbike-WM, auch einige Male auf dem Lausitzring. Der Motorrad-Pilot gewann 2008 als erster Deutscher in dieser seit 1988 ausgetragenen Serie einen Lauf in Monza und anschließend noch ein Rennen in Misano.

So kennt man ihn: Max Neukirchner rutscht in der Moto-2-WM am 29. April 2012 beim Spanien-Grand-Prix in Jerez de la Frontera hinter seiner Kalex ins Kiesbett.
So kennt man ihn: Max Neukirchner rutscht in der Moto-2-WM am 29. April 2012 beim Spanien-Grand-Prix in Jerez de la Frontera hinter seiner Kalex ins Kiesbett. © dpa

Das öffnete ihm die Tür in die Motorrad-WM, die auf dem Sachsenring gastiert. 2011 und 2012 startete der Stollberger im Moto-2-Limit, eine Stufe unter der Königsklasse. Mehr ging nicht für ihn. Dafür stürzte er zu häufig, verletzte sich zu oft. Seine Unfälle bleiben im kollektiven Gedächtnis – Max, der Bruchpilot. „Die Crashs waren zu 80 Prozent unverschuldet“, sagt der 33-Jährige. „Ich bin meist abgeräumt worden.“ Beispielsweise 2008 in Valencia auf dem Weg zum Sieg in der letzten Kurve von einem Spanier bei einem waghalsigen Überholmanöver. Der Sachse brach sich das Schlüsselbein.

Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans

Oder 2009 in Monza, als ihn – erneut schuldlos – das Motorrad eines gestürzten Australiers traf und er Frakturen am Ober- und Unterschenkel erlitt. „Ich bereue nichts, denke positiv, habe viele Erfahrungen gesammelt.“ Eben auch zahlreiche schmerzhafte. Und die so oft, dass ihm eher der Makel des Verlierers als das Image des Siegertypen anhaftet – trotz des Erfolges bei den 24 Stunden von Le Mans während seines Ausflugs in die Langstrecken-WM 2007. Jetzt wirkt sein Alltag eher trist: Internationale Deutsche Motorrad-Meisterschaft, dreimal Lausitzring in dieser Saison statt Motorrad- oder Superbike-WM im australischen Phillip Island auf einer seiner Lieblingsstrecken. Er hat sich damit arrangiert: „Die IDM ist meine Arbeit. Damit verdiene ich mein Geld. Das will ich noch einige Zeit.“ Und für Yamaha den Titel einfahren. „Falls mir das misslingt, höre ich auf. Mit Druck muss ich umgehen können.“

Da acht IDM-Stationen zu wenig für ihn sind, startet Neukirchner mit seiner Werksmannschaft noch fünfmal bei der Langstrecken-WM: je zweimal acht und 24 sowie einmal zwölf Stunden – in Frankreich, Japan, Portugal, Spanien und Oschersleben. Dabei muss er sich immer wieder auf andere Reifen einstellen. Bei der IDM fährt Neukirchner mit Dunlop, in der Langstrecken-WM auf Pirelli: „Das ist die größte Herausforderung.“ Und ein gutes Training für ein mögliches Gastspiel bei der Superbike-WM im September auf dem Lausitzring, die auch auf Pirelli-Reifen rollt. Dort trifft er dann seinen Nachfolger in der Serie, Markus Reiterberger. Neukirchner sieht sich als sein Wegbereiter und traut ihm bei dessen Heimspiel eine Menge zu – auch einen Platz unter den besten fünf Fahrern: „Markus ist ein super Talent und kann permanent zu den ersten zehn Piloten gehören. Er kennt den Lausitzring am besten. Wenn Markus cool bleibt und sich keinen besonderen Druck macht, kann er weit vorn einkommen.“

Neukirchner verspürt „eine Riesenlust“ auf die Superbike-WM: „Falls ich eine Wildcard bekomme und es der Zeitplan zulässt, bin ich dabei. Ich kaufe mich aber nicht ein. Dafür fehlt mir das Geld.“ Davon müssen die Fahrer inzwischen sehr viel mitbringen, um in der Serie mitfahren zu dürfen. „Und dann ist es so verdammt schwer, als Pilot damit seinen Unterhalt verdienen zu können und nach oben zu kommen.“

Alles andere bringt er mit: „Ich fahre viel, fühle mich zu 100 Prozent fit, habe null Konditionsprobleme und komme sehr schnell zurecht. Ich schaffe 24 Stunden, auch wenn wir bei der Langstrecken-WM nicht allerletzte Rille fahren und uns Spielraum lassen. Da kann ich immer noch Rennen von 50 Minuten mit den Weltbesten fahren.“ In der IDM riskiert Neukirchner ebenfalls nicht alles und sein Leben erst recht nicht: „Es geht nicht immer darum, jedes Rennen zu gewinnen, um den Titel zu holen. Das funktioniert auch, wenn ich konstant auf Platz zwei oder drei fahre.“ Nach den ersten vier von 16 Läufen liegt er mit 78 Punkten auf Rang zwei hinter BMW-Fahrer Mathieu Gines aus Frankreich mit 80 Zählern. Die nächsten zwei Rennen folgen am Wochenende auf dem Lausitzring.

Allein in der Sauna entspannen

Hauptsache Ausfälle vermeiden – das passt zu Neukirchner. Freundlich und ruhig, das ist seine Art. So fährt er auch auf der Rennstrecke. Da gehört Neukirchner zu den unspektakulären Piloten. Driften nur dort, wo es möglich ist, und in weiten Bögen durch die Kurven, um den Schwung mitzunehmen. Augen zu und durch ist seine Sache nicht. Auch seine Ellenbogen kommen nur zum Einsatz, wenn es notwendig ist. Kurz und bündig analysiert er seine Auftritte, redet über Fahrwerksabstimmung, Motorleistung, Spritmenge. Neukirchner arbeitet präzise und still an seiner Karriere, überlässt nichts dem Zufall, kümmert sich ums Motorrad und Sponsoren.

Zwischendurch bleibt immer mal wieder Zeit, um im Erzgebirge vorbeizuschauen: „Ich bin glücklich, wenn ich einige Tage zu Hause bin, meine Familie und Freunde sehe, allein in der Sauna entspanne.“ Im Mai mischt er sich bei der großen Dresdner Motorradausfahrt auch schon mal unter 10 000 Hobbypiloten. Der Profi genießt den Ausgleich zwischen seinen Dienstreisen und denkt über seine kleineren Ziele nach.