Von Susanne Plecher

Kleinraschütz. Von Frieder Henker sind seine Schüler ja Einiges gewohnt. Sie wissen, dass ihr Mathe- und Physiklehrer gern ausgefallene Ideen hat, um ihnen am Liebsten in freier Natur und am nachvollziehbaren Beispiel die Geheimnisse seiner Unterrichtsfächer näher zubringen. Dass das nun eine ganze Woche lang auf der Insel Rügen passierte, war allerdings selbst ihnen neu. „So macht Unterricht richtig Spaß“, sagt Charlene Mittelstaedt, Klassensprecherin der 10 b der Schacht-Oberschule.

Frieder Henker ist seit zwei Jahren der Klassenlehrer der 19 Schüler, und die Schullandheimfahrt nach Glowe Anfang September war gewissermaßen eine vorgezogene Abschlussreise. „Er macht aus allem Unterricht“, weiß Charlene. Schon die Vorbereitung lief unter diesem Vorzeichen. Fahrpläne lesen, die besten Zugverbindungen heraussuchen, Preise vergleichen, Endpreise ermitteln, Exkursionen zusammenstellen – in all dem steckt Wissen.

Vier Exkursionen und Sportunterricht

Die Schüler reisten nicht nur mit dem Zug an, sondern waren auf Rügen und der Nachbarinsel Hiddensee mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Po platt sitzen im bequemen Reisebus ist mit Frieder Henker nicht zu haben. So waren die vier Exkursionen auch ein bisschen Sportunterricht. Entschieden hatten sich Lehrer und Schüler dafür schon in der ersten Sommerferienwoche – sie trafen sich zur Planung persönlich und freiwillig im Schulgebäude oder schickten ihre Ideen per E-Mail, manche sogar aus dem Urlaub. An der Stubbenkammer organisierten sie sich eine Führung zu den Themen Kreide, Küste und Meer. „Dabei ging es um Fragen wie die Entstehung der Kreide, Erosion und Salzgehalt. Das sind Geografie und Physik live!“, so Henker begeistert. Physikalisch ging es auch am Strand weiter: Warum brechen Buhnen die Kraft der Wellen? Wie kann es sein, dass das Wasser unter den Füßen den Sand wegspült? In Glowe wurden geschichtliche Themen besprochen.

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges hatte die Wehrmacht dort damit begonnen, einen Durchstich von der Ostsee zum Bodden zu machen. U-Boote sollten so Unterschlupf vor den Angriffen auf offener See finden. Dafür nahm man sogar einen massiven Eingriff in die Natur und eine Gefährdung des Ortes Wittow durch die See in Kauf. „Man sieht jetzt noch zwei Kanäle“, schildert Henker. Frühgeschichte machte ein slawischer Schutzwall mit Opferstein am Herthasee im Wald des Jasmund-Nationalparkes deutlich.

Richtig mathematisch wurde es dann aber am Ufer von Juliusruh vor dem Schullandheim. Frieder Henker hatte für eine Vermessungsübung zwei Theodoliten mitgebracht. Sie wurden in einigem Abstand zueinander am Strand aufgestellt. Die Schüler peilten zunächst die Entfernung zwischen den beiden Geräten an, danach ermittelten sie mit zeitlichem Abstand, wie weit ein vorüber ziehendes Segelboot entfernt war und wie schnell es sich bewegte. Die Daten wurden notiert und sind demnächst im Matheunterricht in der Schule per Dreiecksberechnung auszuwerten. Darauf gibt es Zensuren.

Schüler müssen Aufsatz schreiben

„Viele von uns waren das erste Mal an der Ostsee. Das war sehr schön und hat uns zusammengeschweißt“, sagt Franz Gronenberg. Sie werden noch eine Weile mit ihren Erlebnissen zu tun haben. Denn auch das gehört zum Konzept des nachhaltigen Unterrichtes: Jeder Schüler wird einen Bericht über ein festgelegtes Thema schreiben. Die DIN-A4-Seiten mit eingeklinkten Fotos werden im Deutschunterricht erstellt und bewertet. Deutschlehrerin Heike Münch, die die Rügenfahrt begleitete, will daraus ein Buch für jeden Einzelnen binden lassen, mit Vorwort, Nachwort und einem Bildkomplex.

Auch die beiden Schüler, die den Unterricht an der Küste krankheitsbedingt verpassten, sollen dazu beitragen. „Sie schreiben einen Bericht darüber, wie die Woche ohne ihre 10 b so war“, sagt Frieder Henker. Er bindet jeden ein.