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„Massengeschäft machen wir nicht mehr“

Der Dresdner Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus über die Pleiten in der Solarbranche und das Geschäft mit Stromspeichern.

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© Ronald Bonß

Herr Neuhaus, haben Sie nach der Solarworld-Insolvenz Bewerbungen von Freiberger Mitarbeitern bekommen, die zu Solarwatt nach Dresden möchten?

Ja, wie schon nach der ersten Insolvenz dort. Damals hatten wir etwa ein Dutzend ehemalige Solarworld-Mitarbeiter eingestellt. So ein Insolvenzverfahren trifft ja jeden hart. Die Bewerber sprechen alle nicht schlecht über ihren bisherigen Arbeitgeber. Wir sind aber von der Größe her nicht in der Lage, sehr viele aufzufangen. Wir haben beispielsweise einige gute Vertriebsmitarbeiter bekommen.

Rechnen Sie weiterhin mit Zuwachs bei Solarwatt?

Ja, zu unseren 350 Beschäftigten im Solarwatt-Konzern sollen dieses Jahr 20 bis 30 hinzukommen. Wir suchen hauptsächlich Ingenieure und Vertriebsleute. Leider werden genau solche auch von BMW und Siemens gesucht. Wir stellen aber gerne auch ältere Semester ein, ich bin ja selbst über 50. Wir haben tolle Produkte, Solartechnik ist ein Riesen-Wachstumsmarkt.

Warum dann die vielen Insolvenzverfahren – Solarwatt hat 2012 selbst eines erlebt?

Der Weltmarkt für Fotovoltaik ist in den letzten Jahren explodiert. Aber die Chinesen haben Preisdumping betrieben und Module unter ihren Herstellungskosten verkauft. Die Deutschen haben die Technologie zwar erfunden und waren innovativ. Die Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz war in den ersten sieben Jahren auch ein Glanzstück. Aber dann hat die Industrie zu lange an Geschäftsmodellen mit Fördergeld festgehalten.

Da ging es um den Aufbau riesiger Solarparks, die dann verkauft wurden – haben Sie noch welche?

Nein, dieses Massengeschäft machen wir nicht mehr. Solche Projekte für Investoren machten früher 95 Prozent des Umsatzes bei Solarwatt aus und waren auch stets das Brot- und Butter-Geschäft von deutschen Solar-Unternehmen, die inzwischen vom Markt verschwunden sind. Nur damit ließen sich große Mengen von Fotovoltaikmodulen verkaufen. Aber in diesem Segment begegnet man den Konkurrenten aus Asien und muss um den letzten halben Cent verhandeln. Da nützt das Argument Made in Germany wenig. Es gibt auch chinesische Hersteller mit Qualität. Schutzzölle gegen Asien waren für einige Zeit ein geeignetes Instrument, aber auf Dauer lässt sich darauf kein Geschäft aufbauen.

Warum soll jemand deutsche Solartechnik kaufen?

Heute sind 80 Prozent unserer Solarmodule auf beiden Seiten mit Glas versehen, nicht mehr mit Folie auf der Rückseite. Sie sind langlebiger, robuster, schicker. Das kostet ein bisschen mehr, dafür ist die Lebensdauer länger. Und wir haben den Batteriespeicher dazu selbst entwickelt. Wir können dem Hausbesitzer sagen: Wir sorgen dafür, dass Du unabhängig bist.

Und die Unabhängigkeit beim Strom wird gewünscht?

Ja, das kommt in jeder Kundenbefragung. Als zweites kommt, dass der Kunde seine Kosten senken möchte. Bei Strom und Warmwasser ist das mit Solartechnik möglich, beim Heizen wird es auch kommen. Unsere Kunden sind heute Hausbesitzer und kleine Gewerbetreibende mit eigener Stromversorgung. Das ist ein kleinteiliges Geschäft, das viel Beratung und Service erfordert. Das ist für chinesische Massenhersteller nicht interessant.

Ist es nicht die Arbeit der Installateure, mit den Hausbesitzern zu arbeiten?

Ja, an die verkaufen wir direkt. Wir beraten und schulen Installateure aus ganz Deutschland. Gerade heute sind wieder 20 hier im Haus. Sie kommen für ein oder zwei Tage nach Dresden, oder wir veranstalten Schulungen anderswo in Hotels.

Im Werbefilm auf Ihrer Internetseite wird demonstriert, dass Solarmodule mit Glas robust gegen Hagel sein sollen – aber bei Solarworld läuft ein ähnlicher Film. Was macht Solarwatt besser?

Ich tue mich schwer mit Formulierungen wie besser machen. Wir haben auch eine schwere Zeit hinter uns und machen noch keinen Gewinn. Aber wir haben Glas-Glas-Module 1998 auf den Markt gebracht, obwohl sie nicht einfach herzustellen sind. Wir haben konsequent mit diesem Produkt geworben, es nicht nur auf die Homepage gestellt und in Wirklichkeit damit gefremdelt. Mit diesem Produkt erwirtschaften wir eine Gewinnspanne, die es uns erlaubt, das Unternehmen weiterzuführen. Der Installateur verdient auch mehr daran. Wir setzen konsequent darauf, Häuslebauern komplette Systeme mit Speicher und Energiemanager anzubieten.

Und wie viele Kunden kaufen komplette Systeme?

Etwa 40 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Paketen, also zum Beispiel einer Kombination aus Solarmodulen mit Stromspeichern. Voriges Jahr haben wir fast 4 500 unserer Speicher namens My Reserve verkauft. Wir produzieren sie in Deutschland – zurzeit teilweise in Dresden und bei unserer Tochterfirma in Frechen bei Köln, aber langfristig soll das komplett in Dresden gemacht werden.

Die Zellen in den Batterien kommen aber aus Asien …

Ja, von SK in Korea. Das ist einer der drei Hersteller mit der notwendigem Qualität und bezahlbarem Preis. Sie stellen so große Mengen her, dagegen würde sich eine eigene Produktion für unsere Mengen nicht lohnen.

Woran forschen Ihre 55 Ingenieure?

Zum Beispiel daran, die Solarmodule besser mit dem Energiemanager zu koppeln. Wir schnüren ein Paket mit Hardware und Services, damit der Hausbesitzer Solarstrom idealerweise mit Wärmepumpe und Elektroauto verbinden kann. Elektromobilität ist schließlich nur dann sinnvoll, wenn grüner Strom genutzt wird. Das zu steuern ist nicht einfach, wir arbeiten dabei mit dem Dresdner Unternehmen Kiwigrid zusammen. Außerdem versuchen wir natürlich, die Herstellungskosten möglichst zu verringern. Und immer wenn die Hersteller für Batteriezellen etwas verändern, müssen wir die Software umschreiben und manchmal auch etwas an der Hardware ändern.

Diskutiert Solarwatt-Besitzer Stefan Quandt, auch BMW-Mitbesitzer und einer der reichsten Deutschen, über solche Themen mit Ihnen?

Mindestens einmal im Quartal sehen wir den kompletten Verwaltungsrat, auch Herrn Quandt. Da sprechen wir zwar nicht darüber, welches Relais wo schaltet, aber wir bekommen durchaus Aufgaben gestellt. Es wird nicht hauptsächlich über Zahlen gesprochen, wie ich das vor der Insolvenz mal erlebt habe, sondern konstruktiv-kritisch diskutiert.

Wann will Herr Quandt Gewinne sehen?

Da gibt es keine genaue Vorgabe. Unsere Gesellschafter sind keine kurzfristigen Anteilseigner, die bald wieder aussteigen wollen. Um 2020 herum wird das Unternehmen aus sich selbst heraus schwarze Zahlen schreiben. Voriges Jahr sind wir in vier neuen Ländern auf den Markt gegangen, aber da gibt es immer wieder Überraschungen.

Zum Beispiel?

Seit vorigem Jahr sind wir in Australien, England und Spanien am Markt, überall sind eigene Zulassungen nötig. In Italien wollten wir mit unserem Batteriesystem durchstarten, die Kunden haben darauf gesetzt. Aber dann gab es noch Unklarheiten in der Anwendung einer Norm. So eine Klärung ist natürlich zeitaufwendig.

Werden bei solchen Verhandlungen auch Bestechungsgelder verlangt?

So etwas ist bei uns zu 100 Prozent ausgeschlossen, wir haben Werte definiert. Mit Herrn Quandt als Gesellschafter wäre ich bei so etwas den letzten Tag hier.

Wie groß wird Solarwatt in fünf Jahren sein?

Wir haben ehrgeizige Wachstumsziele, aber in diesem Markt ist viel in Bewegung. Unser Ziel ist für 2020 ein dreistelliger Millionen-Umsatz und Gewinn. Wir haben vor drei Jahren einen Plan für zehn Jahre geschrieben, aber der beruht auf Annahmen, die erfahrungsgemäß nicht alle erfüllt werden. Voriges Jahr haben wir einen massiven Preisverfall für Solarmodule erlebt, für den es überhaupt keinen Grund gab. Der kam nicht von asiatischen, sondern von europäischen Konkurrenten. Das hat uns mehrere Millionen Euro gekostet.

Nun ist Ihr Konkurrent Solarworld zum zweiten Mal pleite. Würden Sie den Markennamen kaufen?

Das ist eine theoretische Diskussion, es kommt nicht infrage. Wir haben eine andere Strategie als Solarworld. Ich freue mich nicht über die Insolvenz dort, sie ist dramatisch für die Mitarbeiter, sie bedeutet Existenzängste. Nach der zweiten Insolvenz sind alle verunsichert. Der Markenname hat weltweit einen Klang. Ich habe immer großen Respekt auch vor der Forschung dort gehabt, Solarworld war keine Bastelbude. Ich kann mir vorstellen, dass der Name auch für asiatische Unternehmen interessant sein dürfte.

Das Gespräch führte Georg Moeritz.