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Marode Bahnhofstraße 54 verärgert auch die Nachbarn

Die Stadt hofft auf eine gute Lösung für das Gebäude. Anwohner berichten derweil von Geräuschen im Haus. Bei anderen kaputten Objekten in Görlitz tut sich derweil etwas.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Nein, vor einem Kompletteinsturz fürchtet sich Kay Zimmer nicht. „Aber ab und an hört man von nebenan etwas rieseln“, sagt der Anwohner der Bahnhofstraße 53. Er lebt Wand an Wand mit der einsturzgefährdeten Nummer 54. „Unser Hauptproblem ist das Wasser“, sagt er. Im Haus 54 nämlich sind alle Decken kaputt. Regenwasser gelangt vom Dach bis in den Keller und sammelt sich dort unten: „Es drückt durch die Wand, sodass sich auch bei uns im Keller Pfützen bilden.“ Schließlich steigt es in den Wänden nach oben – in die Parterre-Wohnung von Kay Zimmer. „Dann fällt bei mir der Putz ab und die Heizungsrohre oxidieren“, schildert er. Die Nummer 53 gehört seinem Stiefvater. Der hat immer mal Kontakt zu einer Eigentümerin der Nummer 54 aufgenommen. „Er hat ihr die Probleme geschildert“, sagt er. Leider sei die Frau sehr unkooperativ.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Hartmut Wilke gemacht, der Leiter des Amtes für Stadtentwicklung. Weil die Bahnhofstraße 54 einsturzgefährdet ist, sucht die Stadt nach einer Lösung, hat beide Eigentümer angeschrieben. Eine von ihnen, Eveline Menzel, lebt in Görlitz, war auch zum Gespräch bei ihm. Viel rausgekommen ist nicht. „Ich kann allein nichts machen, mir gehört das Haus nur zu einem Viertel“, sagte Eveline Menzel bereits im März. Mittlerweile hat sie das Thema einem Anwalt übergeben, will selbst nichts mehr sagen. Wilke drängt zum Handeln: „Wir können nicht abwarten, die Einsturzgefahr ist zu groß.“ Frau Menzel habe sich im Gespräch zu keinem konkreten Schritt durchgerungen. Sie habe sich auch auf kein Datum festgelegt, bis wann sie aktiv werden will.

Mittlerweile gibt es laut Wilke drei Interessenten für das Haus. Ein vierter ist abgesprungen, weil der Hof zu klein ist. „Da kann ich keine Balkone anbauen, das senkt die Vermietungschancen“, sagt er. Die anderen drei, so Wilke, haben Einsicht in die Bauakten oder eine Besichtigung von innen erbeten, um sich selbst ein klareres Bild schaffen zu können: „Voraussetzung hierfür ist die Einwilligung des Eigentümers – mindestens eines Teileigentümers – oder eine Vollmacht des Eigentümers.“ Diese liegt bei ihm bisher nicht vor, weder von Frau Menzel noch vom zweiten Eigentümer. Inzwischen habe eine Anwaltskanzlei die Vertretung der Teileigentümerin angezeigt und zugleich ihrerseits um Einsicht in die Akten gebeten, sagt Wilke: „Der Termin dafür wird gegenwärtig organisiert.“

Es ist nicht das einzige einsturzgefährdete Haus in Görlitz. Im Gegenteil: Es werden immer mehr. Bürgermeister Michael Wieler sucht deshalb nach einer Gesamtlösung. „Wir müssen uns jetzt grundsätzlich positionieren, wie unser Herangehen in solchen Fällen ist.“ Im April sollte es dazu ein Gespräch mit hochrangigen Vertretern des Innenministeriums geben: „Wir brauchen eine Positionierung des Freistaates.“

Jetzt sagt Wilke: „Dieses Gespräch hat nicht stattgefunden, weil kurz zuvor auf einer der wichtigen Entscheidungspositionen beim Freistaat Sachsen ein personeller Wechsel stattfand.“ Die Stadt Görlitz organisiere nun einen neuen Termin. Wilke kümmert sich derweil um die Einzelfälle. Doch hier und da gibt es jetzt immerhin Bewegung. Bei der Biesnitzer Straße 79, wo auch schon der Fußweg abgesperrt ist, habe die Eigentümerin, eine in Berlin lebende ältere Frau, offensichtlich mit Aufräumarbeiten im Gebäudeinneren begonnen. Vor den Häusern Jauernicker Straße 39 und 29 musste ebenfalls abgesperrt werden, zumindest bei der 29 läuft nun die bauliche Sicherung. „Auch an der Heilige-Grab-Straße 83 agiert jetzt der Eigentümer in Verbindung mit einem Tragwerksplaner nach langem Drängen der Stadt“, sagt Wilke. Auch in der Landeskronstraße, nahe dem Leipziger Platz, läuft eine Sicherung.

Anwohner Kay Zimmer aus der Bahnhofstraße 53 kann davon nur träumen. Zumal die Nummer 54 nicht sein einziges Problem ist. Nach hinten grenzt das Grundstück an die Schillerstraße 25 und 26. „Beide Häuser haben Löcher in den Dächern und sind in genauso schlechtem Zustand wie die Bahnhofstraße 54“, sagt er. Auch an den Rückfassaden gibt es Risse, die immer breiter werden. Von beiden Häusern gehe Gefahr aus. „Wer dort die Eigentümer sind, wissen wir aber nicht“, sagt Kay Zimmer.