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Marina Garden – eine unendliche Geschichte

Das einst umjubelte Dresdner Bauprojekt ist zum Zankapfel geworden. Die Fronten zwischen Stadt und Investorin sind verhärtet. Eine Analyse der gegenwärtigen Situation.

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© Visualisierung: Dresden-Bau

Von Bettina Klemm und Tobias Wolf

Spätestens seit dem Abbaggern des Elberadwegs vergangenen Donnerstag ist Investorin Regine Töberich bundesweit bekannt. Sie will an der Leipziger Straße den Wohnpark Marina Garden errichten. Aber sie hat das Gefühl, dass Rathaus und Stadtrat ihre Pläne verhindern wollen.

Welche Pläne verfolgt Regine Töberich mit der Dresden-Bau auf der Fläche?

Regine Töberich will hochwertige Wohngebäude schaffen. In ersten Präsentationen sprach sie von 320 Wohnungen in siebengeschossigen Gebäuden. Zuvor hatte die Stadtplanung in den Vorgesprächen eine relativ dichte Bebauung nicht ausgeschlossen. Ein späterer Entwurf sah ein Ensemble von sechs Gebäuden mit 244 Wohnungen vor. Auch davon ist die Investorin abgerückt und legte im Oktober 2014 Pläne mit viergeschossigen Häusern und 180 Wohnungen vor. Doch statt Zustimmung erntete sie Schweigen. Die Stadtverwaltung beantwortete ihre Bauvoranfrage nicht fristgemäß und behindert so das weitere Verfahren. Im Februar teilte Stadtplanungsamtschef Stefan Szuggat mit, dass die Bauvoranfrage zurückgestellt wurde. Er spricht von einem Werkstattverfahren, das bedeutet ganz neue Planungen. Regine Töberich hält dies für rechtswidrig.

Welche Flächen gehören zum Grundstück Marina Garden?

Das L-förmig verwinkelte Grundstück wird begrenzt durch die Leipziger Straße und den Alexander-Puschkin-Platz, eine Kleingartenanlage sowie von Teilen des Elberadwegs und einem östlich gelegenen Grundstück, auf dem derzeit noch der Malteser Rettungsdienst sowie kleinere Firmen untergebracht sind. Zu Töberichs Areal gehört auch ein 59 Meter langer Streifen des Elberadwegs am nordwestlichen Ende. Allerdings hatte sie in der vergangenen Woche den falschen Abschnitt weggebaggert, der Teil eines städtischen Grundstücks ist.

Wie ist der Konflikt zwischen Investorin und Rathaus entstanden?

Das ganze Projekt hat eine lange Vorgeschichte. 2008 gab die Stadt einen Masterplan in Auftrag. Das städtebauliche Projekt betrifft ein 57 Hektar großes Gebiet in der Leipziger Vorstadt mit dem ehemaligen Schlachthof und seiner Umgebung. Auf der gegenüberliegenden Seite der Leipziger Straße soll das Wohngebiet Neustädter Hafen entstehen. „Dresdens neue Adresse am Wasser“, wurde die Hafencity genannt. Anfang 2010 stimmten die Stadträte mit großer Mehrheit zu, auf dieser Grundlage Baurecht zu schaffen. Auf Antrag der Grünen sollte die Hafencity zudem weitgehend klimaneutral errichtet werden. 2009 hatte die Stadt die Hafencity auf der Immobilienmesse Expo Real in München präsentiert und Investoren gesucht. Nun stößt das Rathaus Interessenten vor den Kopf. Für die größere Fläche hinter dem Arzneimittelwerk hat die Firma USD Immobilien ihre Pläne vorgestellt. Sie arbeitet jetzt offensichtlich gemeinsam mit der Stadt im Stillen daran, Baurecht zu schaffen. Für den Abschnitt am Puschkinhaus plant Architektin Töberich ihre Wohnanlage. Seit 2006 führe sie mit den Stadtplanern Gespräche über die Entwicklung des Areals, so Töberich. Damals sei ihr vom Rathaus ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren in Aussicht gestellt worden, das sich an der Bebauung in der Umgebung orientiert.

Was hat das Hochwasser 2013 mit den Bauplänen zu tun?

Die Fläche zwischen Elbe und Leipziger Straße liegt im Überschwemmungsgebiet. Das bedeutet, Bauen ist nur in Ausnahmefällen und mit erheblichen Auflagen zum Hochwasserschutz möglich. Nach Einschätzung des städtischen Umweltamtes seien die Auswirkungen des Hochwassers im Sommer 2013 noch gravierender als 2002 gewesen. Derzeit werden Modellberechnungen dazu erarbeitet. Ungeachtet dessen hatten die Investoren eigene Vorstellungen zum Schutz vor Wassermassen. So wollte die USD Tiefgaragen schaffen, die geflutet werden können. Für Marina Garden war ein eigener Flutschutz auf dem Gelände vorgesehen. Für den Hochwasserschutz ist der Freistaat zuständig. „Aber für die Stadt ist es von existenzieller Wichtigkeit, die Bauplanung mit dem Hochwasserschutz in Einklang zu bringen“, erklärt Umweltamtsleiter Christian Korndörfer. Er geht davon aus, dass erst der Schutz geplant sein muss, bevor Wohnungen gebaut werden dürfen. Der Stadt zufolge könnte dies fünf Jahre dauern und rund acht Millionen Euro kosten.

Welche Rolle spielen die Stadträte in der Auseinandersetzung mit Töberich?

Eine unrühmliche. Die ersten Beschlüsse haben die Räte parteiübergreifend gefasst. Der alte Stadtrat hatte auf Drängen der CDU beschlossen, dass für Marina Garden kein aufwendiges Bauverfahren erforderlich ist. Doch mit der Wahl im Mai 2014 haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert. Linke, Grüne und SPD kooperieren seither. Im Januar brachten sie einen Antrag in den Stadtrat ein. Aus Marina Garden wurde ein Puschkin-Park. Die Dresden-Bau soll nur noch auf etwa 20 Prozent ihrer Fläche Wohnungen errichten. Und diese auch noch an der lauten Leipziger Straße und ohne Elbblick. Der Rest der Fläche soll für sozio-kulturelle Einrichtungen, Parkanlagen und den Hochwasserschutz genutzt werden. „Gegen diese Bevormundung wehre ich mich“, sagt Regine Töberich.

Was will Investorin Töberich nun erreichen?

Ihre trotzigen Reaktionen sind ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Sie will ihr Bauprojekt verwirklichen. Dazu hat sie Widerspruch bei der Landesdirektion eingelegt.

Was will die Stadt jetzt in dieser Angelegenheit tun?

Der rot-grün-rote Stadtrat hat im Mai eine zweijährige Veränderungssperre für das Gebiet beschlossen. Nun soll zunächst der Hochwasserschutz geplant werden.