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Manche mögen’s schräg

In Pirna gastiert die Motorshow „Dynamit auf Rädern“. Wie fühlt man sich als Stuntman? Ein Reporter hat es ausprobiert.

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© D. Zschiedrich

Von Jörg Stock

Pirna. Ich hocke auf der Rückbank eines 325er BMWs. Eigentlich ein ganz normales Auto. Aber das Dach hängt durch und die Verkleidung der Beifahrertür ist reichlich abgewetzt. Das kommt daher, weil hier Leute gern mal auf dem Dach mitfahren oder aus dem Seitenfenster klettern. Leute wie Sabrina. Das Stuntgirl sitzt vorn neben Patrick, dem, wie es heißt, besten Zwei-Rad-Fahrer Europas. Gleich wird sie aus dem Fenster steigen – während der Wagen hochkant steht. „Schauen Sie sich das gut an“, sagt sie über die Schulter weg. Der nächste Stuntman bin ich.

Spritztour im Monstertruck: Mit Patrick als Fahrlehrer steuert der Schreiberling das knapp 400 PS starke Ungetüm.
Spritztour im Monstertruck: Mit Patrick als Fahrlehrer steuert der Schreiberling das knapp 400 PS starke Ungetüm. © D. Zschiedrich
Einweisung: Das Stuntgirl erklärt dem Reporter, wie man während der Fahrt aus dem Seitenfenster krabbelt.
Einweisung: Das Stuntgirl erklärt dem Reporter, wie man während der Fahrt aus dem Seitenfenster krabbelt. © D. Zschiedrich

Diesen Mittwoch wird es explosiv in Pirnas Norden. Auf dem Copitzer Kauflandparkplatz gibt es „Dynamit auf Rädern“, eine Stuntshow aus Thüringen. Das Motto: „Qualmende Reifen, fliegende Autos, reißendes Blech“. Die Basis der Truppe liegt zurzeit an einem Dresdner Möbelmarkt. Der Abstecher in die Sächsische Schweiz ist Premiere. Hinter dem Einkaufszentrum wollen die Showleute eine Tribüne für 700 Leute installieren. Dass die gut gefüllt sein wird, daran hat der Dynamit-Pressesprecher Denny Korthoff keinen Zweifel. Er geht vom Dresdner Publikum aus, das sich regelmäßig als äußerst begeisterungsfähig erweist. „Das sind Adrenalin-Junkies.“

Der BMW tuckert. Vor uns steht eine Rampe, die das Fahrzeug in Schräglage versetzen wird. Beim Trockentest vor fünf Minuten hat Patrick Korthoff demonstriert, dass er den Wagen voll im Griff hat. Zweirädrig hat er einen Kreisel über den Asphalt gezogen, dann das Fahrzeug gestoppt und auf der Stelle balanciert. Er hätte ewig so weitermachen können, schien es. Wie lange dauert es, bis man so ein Kunststück drauf hat? Er zuckt die Achseln. Er hat mit 15 angefangen, jetzt ist er 41 und fährt sogar ganze Laster auf nur einer Seite. Wenn man es einmal kann, sagt er, dann ist es wie Fahrradfahren.

Los geht es. Unsere rechte Seite nimmt die Rampenauffahrt und – Hui! – kippt der Wagen nach links. Ich brauche keinen Gurt, haben die Stuntleute gesagt, und das stimmt auch. Die Schwerkraft drückt mich gegen die Fahrzeugwand und lässt mich nirgendwo sonst hin. Aus meiner Schieflage, die mich irgendwie an den Untergang der Titanic denken lässt, sehe ich Stuntgirl Sabrina mit einer sehnigen Bewegung aus dem Fenster entschwinden. Aufrecht, die Daumen in die Höhe gestreckt, posiert sie auf der Fahrzeugflanke, bis Patrick am Steuer das Kommando zum Einsteigen gibt. Rums! Der Wagen steht wieder auf allen Vieren. Sabrina Korthoff schaut mir ins Gesicht. „Das versuchen wir jetzt, nachzumachen.“

Der Grund, weshalb hier alle Korthoff heißen, ist, dass die Stunttruppe eine Familienfirma ist. Patrick Korthoffs Urgroßvater Otto hat damit angefangen. Inspiriert von den „Hell Drivers“ Nordamerikas, baute er eine eigene Motorshow auf. Inzwischen sitzt mit Patrick und seinen Verwandten die dritte Generation an den Lenkrädern, und manchmal sogar schon die vierte.

Der Nachwuchs kommt automatisch. Sabrina etwa, heute 32, hat mit drei Jahren angefangen, Kunststücke auf einem Mini-Motorrad auszuführen. Als sie ihrer Tochter zum ersten Geburtstag ein Bobbycar schenkte, vergingen nur wenige Augenblicke, bis das Kind damit einen Stunt versuchte. „Die Kinder ahmen uns nach“, sagt sie. Denny Korthoffs vierjährige Tochter steuert bereits ein 125er Quad. In dem Alter fahren andere Kinder noch mit dem Laufrad um die Buddelkiste. Keine Sorge um die Kleinen? „Doch“, sagt Denny. „Wir alle sind sehr besorgte Mamas und Papas.“

Patrick wendet den BMW, setzt ihn wieder vor die Rampe. Jetzt bin ich der Beifahrer. Wann er das letzte Mal mit der Kiste umgekippt ist? Schon lange her, sagt er. Es war nicht sein Fehler. Der Motor blockierte. Ein blechernes Klopfen kommt vom Dach. Sabrinas Zeichen, dass es losgehen kann. Sie ist schon draußen, um den Aushilfsstuntman von der Presse zu sichern. Nur nicht zu viel rumhampeln beim Aussteigen, hat sie noch gesagt, denn jede Erschütterung muss Patrick am Lenkrad ausgleichen. Er tritt aufs Gaspedal, legt die Kiste schräg, wieder Titanic-Feeling. Ich kapiere, wieso man den kleinen Henkel über dem Türrahmen „Angstgriff“ nennt. Mit seiner Hilfe drücke ich den Oberkörper aus der Lucke, ziehe die Beine hinterher, hocke mich auf den Mittelholm. Ich spüre Sabrina hinter mir, sehe ihre Daumen, strecke meine auch aus. Die Pose ist sicher nicht so schön wie bei Céline Dion. Dafür gehen wir nicht unter. Später frage ich Sabrina, ob sie außer Stuntgirl noch einen anderen, einen „richtigen“ Beruf hat. Sie lacht. „Wenn du den hier hast, willst du keinen anderen.“

Dynamit auf Rädern: Mittwoch, 12. Juli, 18 Uhr, Kaufland Pirna-Copitz, Eintritt 18 Euro, erm. 16 Euro.

Mehr hier www.dynamit-auf-raedern.de