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Malen in Miltitz

Marie-Christin Rothenbücher hat ihren Ort zum Arbeiten gefunden, um den sie ihre Studienfreunde beneiden.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Miltitz. „Ich habe gutes Licht“, sagt Marie-Christin Rothenbücher. Und sie hat zwei Räume – einen großen, wo sie Bilder abstellen und sich aufhalten kann, und einen etwas kleineren, den mit dem Licht, wo sie arbeiten kann. Und sie hat eine Heizung, die sie aufdrehen kann. Für eine junge Malerin Bedingungen, um die sie nicht nur viele ihrer ehemaligen Studienfreunde in Dresden beneiden. Allerdings haben die guten Atelier-Bedingungen ihren Preis. Sie sind nicht in Dresden zu finden, weder wären sie dort räumlich noch finanziell so zu haben – nein, Marie-Christin Rothenbücher hat ihr Atelier in Miltitz, direkt an den Gleisanlagen, in dem Haus, in dem Torsten Schab die Zweigstelle seiner Arztpraxis betreibt. Allerdings ist die Malerin in Meißen zu Hause, sodass der Weg bis nach Miltitz doch annehmbar ist.

Marie-Christin Rothenbücher hat 2014 ihr Diplom an der Kunsthochschule in Dresden verteidigt und in diesem Sommer ihre Ausbildung als Meisterschülerin bei Professor Peter Bömmels abgeschlossen. Und nun? Als Absolvent, als junger Künstler treibt man erst einmal, sagt sie, bis man irgendwo Wurzeln schlägt – Marie-Christin Rothenbücher formt dieses Treiben in ihren Bildern in ein Schweben um. So wie in den vier Arbeiten ihres Diploms. Auf Nessel gemalt, scheint das Licht durch die Bilder – alle zeigen menschliche Figuren – hindurch. Besucher, die durch die frei im Raum gehängten Bilder liefen, wurden so gleichsam Teil ihrer Malerei.

Seit gut einem Jahr hat Marie-Christin Rothenbücher ihr Atelier nun in Miltitz. An den Wänden hängen und stehen ihre meist großformatigen Bilder. Wie gesagt, sind sie auf Nessel gemalt – ein empfindliches Material, das schnell reißt, aber eben jenes Durchscheinen ermöglicht, das die junge Malerin erstrebt. So schwebt etwa über einem nackten, knienden Mann wie an einem unsichtbaren Trapez eine Frau. Es ist eines der Bilder, an denen Marie-Christin Rothenbücher immer mal wieder malt und übermalt, „und manche Bilder werden nie fertig“. Interessant sind für sie die Übergänge. „Paula“ heißt ein Porträt. Die Teenagerin habe sich im Atelier erst einmal geschminkt, und sie hatte ganz klare Vorstellungen, wie sie auf dem fertigen Bild aussehen sollte. „Sie wollte nicht das unsichere Mädchen sein.“

Das ist sie ganz und gar nicht auf dem fertigen Porträt, und doch wohnt etwas von dieser Unsicherheit, die das Schweben zwischen Kindheit und Erwachsensein mit sich bringt, in den Augen des Mädchens. „Es ist für mich interessanter, jemanden zu porträtieren, der mir gegenüber sitzt, als nach einem Foto zu malen.“ So gelinge es ihr besser, das, was sie in einem Menschen sehe, nach außen zu transportieren, sagt sie. An einer Wand im Atelier hängen kleine quadratische Bilder. Die stammen von Besuchern aus dem Miltitzer Kindergarten Schwalbennest. Einige davon begeistern Marie-Christin Rothenbücher, etwa das Bild einer Schaukel, für deren Darstellung nur zwei Striche genügten, oder ein abstraktes Bild mit kühnem Pinselstrich. „Es war schon eine Herausforderung, 24 Kinder im Atelier zu betreuen, aber ich glaube, sie haben sich gefreut, und für mich war es auch eine neue Erfahrung.“

Im Atelier sind auch Zeichnungen zu sehen, so Ansichten einer Sandrose, eines bizarren Kristallgebildes, wie es in Wüsten gefunden wird – jede kleine Drehung bringt eine neue Ansicht. Die Zeichnungen brauche sie, um sich von der Malerei auszuruhen, sagt Marie-Christin Rothenbücher. Aber die Malerei bleibt doch ihr Eigentliches. Im kommenden Jahr wird sie einige der Arbeiten im Atelier in Miltitz verpacken und auf Ausstellungen in Leipzig und im niederländischen Eschede zeigen.