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Maibaumstellen mit Muskeln und Köpfchen

In zwei Orten hat die Dorfjugend die alte Frühlingstradition wiederbelebt. Geklaut wurden die Bäume noch nie.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Manfred Müller

Lampertswalde/Schönfeld. Schönfelds Dorfjugend ist davon überzeugt, den größten und schönsten Maibaum in der gesamten Röderregion zu haben. Sage und schreibe 18 Meter hoch, mit einer stattlichen Ranke umwickelt und gleich von drei Kränzen gekrönt. „Der ist viel zu schwer, um ihn klauen“, sagt Jugendklub-Chef Philipp Puhane. Der 21-Jährige hat mit seiner etwa 30 Mitglieder zählenden Truppe viel Mühe aufgewendet, um die Maifeier am Schönfelder Schloss vorzubereiten. „Wir machen das nicht nur für uns, sondern fürs ganze Dorf“, sagt er. „Am Sonntagabend zum Tanz in den Mai kommen Leute von sieben bis siebzig – viele auch aus den Nachbarorten.“

Der Lampertswalder Maibaum, der seinen Platz am Anfang der Bahnhofstraße direkt neben der Sängerlinde hat, wurde im Gegensatz zum Schönfelder Baum nicht nur mit Druck, sondern auch mit Seilzügen aufgestellt.
Der Lampertswalder Maibaum, der seinen Platz am Anfang der Bahnhofstraße direkt neben der Sängerlinde hat, wurde im Gegensatz zum Schönfelder Baum nicht nur mit Druck, sondern auch mit Seilzügen aufgestellt. © Klaus-Dieter Brühl

Um den schweren Maibaumstamm mit Seilen hochzuhieven, braucht es die mindestens ein Dutzend kräftige junge Männer und Frauen, aber daran ist im Dorf kein Mangel. Wichtig ist, den zentnerschweren Holzpfahl ordentlich abzustützen, damit er nicht abrutscht und die Truppe unter sich begräbt. Die Schönfelder haben dazu extra ein Metallgestell zusammengeschweißt. Dann wird der birkengekrönte Stamm mit Muskelkraft und Köpfchen etappenweise in die Senkrechte gebracht. Schönfelds Jugendklub hat die alte ländliche Frühlingstradition im Jahr 2001 wiederbelebt – einschließlich der Maibaum-Bewachung, die vom Aufstellen am Abend des 30. April bis mindestens sechs Uhr am Morgen organisiert werden muss. Denn in der Nacht sind – ebenfalls traditionell – Trupps von Maibaumdieben unterwegs. Den Schönfelder Baum umzusägen, wäre allerdings aufgrund seines Gewichts zu gefährlich. „Außerdem ist er zu gut bewacht – da traut sich keiner ran“, ist Michael Franke überzeugt. Vor zwei Jahren habe die Linzer Dorfjugend mal einen erfolgreichen Raubzug unternommen, aber das sei drüben in Brandenburg gewesen. Die Preußen würden eben schneller müde.

Die Nachbarn aus Lampertswalde haben der Maibaumtradition ein eigenes Kapitel hinzugefügt. Sie richten den Stamm nicht vor Ort her, sondern an der Halle des Gemeindebauhofs. Dann tragen sie das 16 Meter lange Teil auf den Schultern zur Dorfmitte, wo es in der Nachbarschaft der Sängerlinde aufgestellt wird. Dort haben sich bereits mehr als hundert Schaulustige eingefunden, die das schweißtreibende Hochhieven mit Beifall und Anfeuerungsrufen begleiten. In „Lampe“ sind auch die älteren Einwohner mit von der Partie – zumindest beim Flechten der Ranke – das eine Woche vor dem Aufstellen stattfindet und eine eigene kleine Festivität darstellt. Auch die Lampertswalder haben den alten Brauch vor 15 Jahren wieder aufgenommen. „Auf den Dörfern rundherum gab es so etwas schon“, erzählt Toni Richter, „und das hat uns einfach gefallen.“ Der erste Versuch ging allerdings schief. Die Jungs vom Jugendklub hatten sich einen Stamm ausgesucht, der für seine Länge viel zu dünn war. Als sie ihn über den Zaun heben wollten, brach er in der Mitte durch. Nachdem sie auf diese Art Lehrgeld gezahlt hatten, wurden die Bäume stabiler. Geklaut wurde Lampertswaldes Maibaum noch nicht. Allerdings gab es vor Jahren mal einen Skandal, als er von einem Dorfbewohner im Rausch umgesägt wurde. Und es kreuzte auch schon mal ein Rollkommando von auswärts auf, fuchtelte mit der Motorsäge herum und wollte das Gewächs mit Gewalt erobern. Dabei ist es ein ungeschriebenes Gesetz: Wer erwischt wird, hat seine Chance verwirkt. „Die meisten aber“, sagt Toni Richter, „werfen nur mal zum Spaß die Säge an – und dann nix wie ab an den Bierstand!“