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Männer in Kitas

Der Anteil der männlichen Pädagogen in Kindergärten und Horten steigt. Eine Löbauer Kita hat besonderes Glück.

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© Rafael Sampedro

Von Susanne Sodan

Löbau. Die Bambi-Gruppe schläft. Die Igel-Gruppe auch. Kurze Verschnaufpause für Axel Heinrich und Rayk Beyer. Die beiden sind Erzieher in der Kita „Am Löbauer Berg“. Hört sich das ungewohnt an? Eine Kita, in der gleich zwei männliche Erzieher arbeiten? „Bald sind wir hier sogar drei Männer“, erzählt Axel Heinrich. Im November fängt noch ein neuer Kollege an. Mit ihm hat die Kita „Am Löbauer Berg“ dann insgesamt 23 Erzieher – und einen Männer-Anteil von 13 Prozent. Das ist selten. Aber nicht mehr ganz so selten wie einst. Der Anteil von Männern in den Krippen, Kindergärten und Horten steigt.

Vor reichlich zehn Jahren, 2006, waren lediglich 321 Männer in sächsischen Kindertagesstätten als pädagogische Fachkräfte tätig. Vergangenes Jahr waren es 2174. Einzurechnen ist, dass sich auch die Gesamtzahl der Erzieherinnen und Erzieher erhöht hat, von knapp 21000 im Jahr 2006 auf rund 32000 im vergangenen Jahr. Trotzdem, für den Männeranteil ergibt sich eine Steigerung von 1,5 Prozent auf 6,8 Prozent. Die Zahlen stammen vom statistischen Landesamt Sachsen, veröffentlicht vom Kita-Bildungsserver Sachsen.

Anja Wloka, stellvertretende Leiterin der Kita „Am Löbauer Berg“, ist froh über die Entwicklung. „Für Kinder ist es ganz wichtig, auch eine männliche Bezugsperson zu haben“, sagt sie. Einfach deshalb, weil Männer und Frauen unterschiedliche Perspektiven vermitteln können. Es gehe dabei nicht um Klischees, wie zum Beispiel: Die Männer können mit den Jungs besser Fußball spielen. „Wir haben auch Frauen, die das gut können“, sagt Axel Heinrich. Aber Erzieherinnen und Erzieher können Themen unterschiedlich vermitteln und unterschiedliche Sichtweisen aufzeigen, erklärt Anja Wloka. Genauso, wie auch ältere und jüngere Pädagogen unterschiedliche Herangehensweisen haben. „Im Idealfall ergänzt sich das gut“, sagt sie.

Dass das Interesse von Männern am Erzieherberuf steigt, sei auch am Löbauer Berg zu beobachten. Nicht nur deshalb, weil die Kita bald drei männliche Mitarbeiter hat. „Bei den Praktikanten kommen verstärkt Männer zu uns“, sagt Anja Wloka. „Das ist keine solche Seltenheit mehr.“ Über ein Praktikum ist auch Axel Heinrich zu seinem Beruf gekommen. „In der 9. Klasse habe ich ein Praktikum an einer Einrichtung in Ebersdorf gemacht“, erzählt er „Das hat mich nicht mehr losgelassen.“ Mit Kindern arbeiten, das sei eine sehr dankbare Arbeit. Aber auch eine, die viel Aufmerksamkeit und viel Spontanität verlangt. „Es gibt immer was Neues“, sagt auch Rayk Beyer. Zum Beispiel an diesem Tag: „Man hat sich eigentlich einen Plan für den Tagesablauf gemacht – und dann kommt morgens ein Kind und fragt, warum denn die Bäume wachsen“, erzählt der 27-Jährige. „Wir Erzieher haben also unsere Gummistiefel angezogen, die Kinder ihre Schlammsachen und dann ging es ab in den Wald.“ Kein Problem, der ursprüngliche Plan war ohnehin schon am Morgen dahin. „Wir hatten früh eine Brandschutzübung“, erzählt Rayk Beyer.

Er und Axel Heinrich sind auf unterschiedlichen Wegen zu ihrem Beruf gekommen. Heinrich nahm den klassischen Weg: erst eine Ausbildung zum Sozialassistenten, die ist Pflicht. Dann hat er an der Euroschule Görlitz die weiterführende, dreijährige Erzieher-Ausbildung absolviert. Sozialassistent, das war auch für Beyer der erste Schritt. „Die Erzieher-Ausbildung habe ich dann aber berufsbegleitend gemacht.“ Vier Jahre arbeitete er an einer Löbauer Kindereinrichtung, Montagnachmittag und sonnabends drückte er in dieser Zeit zusätzlich die Schulbank. Ob sie als Männer nun eine Seltenheit in ihrem Job sind, damit haben die beiden in der Ausbildung unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Wir waren in der Klasse neun Männer“, sagt Rayk Beyer. „Also nicht so wenige.“ In Axel Heinrichs Jahrgang an der Euroschule waren nur zwei männliche Erzieher-Azubis. Ihn selbst eingerechnet.

Die Sorge vor Vorurteilen kennen die beiden. In der Theorie. „In der Praxis war es bisher extrem selten, dass Eltern uns skeptisch begegnet sind“, sagt Rayk Beyer. Kitaleiterin Annett Hölzer sagt dazu: „Ich denke, die Klischees liegen noch immer in diesem Mann-Frau-Denken begründet. Vielleicht traut die Gesellschaft bis heute Männern nicht zu, Kinder erziehen und eine Kita-Gruppe leiten zu können“, sagt Annett Hölzer. „Ich weiß nicht, ob ich das noch erlebe, aber ich hoffe, das Kategoriendenken löst sich langsam auf.“ Dabei machen Männer wie Frauen die gleiche, in Sachsen verhältnismäßig lange und komplexe schulische Ausbildung durch, „in der man finanziell auch nichts verdient“, erklärt die Kita-Leiterin. Auch ein Punkt, vermutet sie, warum Erzieher nicht der beliebteste Ausbildungsberuf in Sachsen ist. Geht bei einer freien Stelle an der Kita die Bewerbung eines Mannes ein, freue sie sich sehr darüber. „Aber am Ende wird danach auch nicht entschieden“, sagt Annett Hölzer. Stärker komme es auf persönliche Eigenschaften sowie Qualifikationen an. „Die Person muss auch ins Team passen.“

Die Ausbildung ist gleich, die Sorgen im Kita-Alltag auch. Egal ob Mann oder Frau, Annett Hölzer und Anja Wloka würden sich über insgesamt mehr Mitarbeiter freuen. Stichwort Personalmangel. „Der Personalschlüssel ist ja bereits verbessert worden“, sagt Anja Wloka. „Aber das ist in Sachsen immer noch zu wenig.“ Beispiel Waldspaziergang an diesem Tag. „Wir waren mit 23 Kindern unterwegs“, erklärt Rayk Beyer. „Theoretisch hätten wir das zu zweit machen können. Aber da ist uns der Unsicherheitsfaktor zu groß.“