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Männer, die auf Faltboote starren

Steffen Döring aus Kamenz sammelt mit Leidenschaft alte Exemplare. Eines ist von 1923. Er zeigt und nutzt sie gern.

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© Kristin Richter

Von Ina Förster

Kamenz. Schummriges Licht fällt in das alte Haus an der Pulsnitzer Straße 38. Von der Schillerpromenade aus gelangt man an die Klempnerwerkstatt von Steffen Döring. Hier ist es ruhig. Jedenfalls meistens. Neben der Arbeit kann man einem Hobby, wie es der 46-Jährige hat, wundervoll nachgehen. Man darf hier sitzen. In Ruhe. Ein bisschen herumwerkeln. Auf seine gesammelten Faltboote starren …

Faltboote? An der Pulsnitzer? „Warum nicht“, lacht Steffen Döring. „Hier ist Platz und wenn ich fahren möchte, packen wir unsere Sieben-Sachen und düsen Richtung Spree. Oder Neisse. Oder Oder.“ Die Leidenschaft fürs Paddeln ereilte den Kamenzer bereits mit 13. Die Eltern seines Kumpels hatten ein Faltboot. „Und wir durften es später eben mal nutzen“, erzählt Döring. „RZ 85“ hießen die damals. „Übersetzt Reisezweier. 85 Zentimeter breit. Und 5,50 Meter lang. Auch Wanderzweier aus Bitterfeld genannt“, schmunzelt er. Seine Eltern waren ebenfalls Camper. „Es war die billigste Art zu DDR-Zeiten, einen schönen Urlaub zu verleben.“ Die Erinnerungen daran hat er sich bewahrt. Und irgendwann in den eigenen Ehejahren wiederbelebt. Mit Frau Bianka machte er nach der Wende einen alten Rennzweier flott. Nachdem man die Türkei und andere fremde Länder bereist hatte, startete man wieder mit den Söhnen zum Camping. „Während man so unterwegs war, sah man genauer hin. Und wunderte sich, dass andere schneller waren, als man selbst. Und wie viele unterschiedliche Modelle es doch gab.“ Die Neugier war geweckt. Das große Sammeln begann.

Vize des einzigen Faltbootvereins

Heute – über 30 alte Faltboote und einige Erfahrungen weiter – weiß der Kamenzer so viel über die Technik, Historie, Herstellungsweisen und -firmen von Faltbooten, wie kein anderer in der Region. Zusammen mit einem Teil der anderen „Sammelverrückten“, von denen es nicht mehr als hundert gibt im deutschsprachigen Raum, gründete er vor einem Jahr sogar den Verein „Freunde historischer Faltboote“. Dessen Sitz ist in Werder an der Havel, Steffen Döring mittlerweile der Vizechef. „Man kannte sich vorher größtenteils aus dem Internet. Wir trafen uns aber schon länger zu bestimmten Terminen, wie Himmelfahrt oder Fronleichnam, zum gemeinsamen Paddeln. Denn: Solange ein Boot fahrbereit ist, gehört es dringend ins Wasser“, sagt er. Auch die aus den Zwanzigern oder 30er Jahren. Das älteste Exemplar aus seiner Sammlung stammt immerhin von 1923. Derzeit ist es zwar verpackt, aber theoretisch könnte selbst das noch in den Fluss. „Natürlich muss man die Schätzchen hegen und pflegen. Es gehört viel Aufwand dazu. Der Gummi härtet im Laufe der Jahrzehnte aus. Auch der Stoff muss bewahrt werden“, sagt der Klempner.

Stolz zeigt er auf „Meine Freude“, ein Faltboot von 1928, das in seinem kleinen Privat-Museum ausgestellt ist. Erst kürzlich hatte Steffen Döring hier den Kamenzer Geschichtsverein zu Gast. Die staunten alle nicht schlecht, was sich hinter den alten Werkstatttüren verbarg. Und zu jedem Prachtstück gehört noch eine Geschichte. „Damit wird das Stück ja erst interessant für einen Sammler“, meint der Kamenzer. Wo stöbert man so etwas aber überhaupt noch auf? „Solche Boote tauchen heute nur noch in Bootshäusern auf. Fundstücke, die aus Nachlässen von verstorbenen Rudervereinsmitgliedern stammen. Mittlerweile wendet man sich an uns, um jemanden zu haben, der die alten Stücke aufarbeitet und bewahrt.“ Wildwasserboote, Einsitzer, Reisezweier sind dabei. Verschiedenfarbig. Wie das Gelb-rote, das 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin startete.

Viele Bücher gesammelt

Döring ist geschichtlich fit. Er erzählt von der Wandervogelbewegung, die 1909 die ersten Faltboote verstärkt nutzte. Auf alten Fotos sieht man hochgeschlossen gekleidete Herrschaften am Rand der Regatten stehen. „Frauen in Badekleidung waren damals äußerst verpönt, traten aber trotzdem an“, erzählt Döring. Er hat viele Bücher und Schriftstücke gesammelt. Er weiß Bescheid über Alfred Heurich, der in Rosenheim am Inn das erste Boot aus Bambusstäben baute und sein Patent später an Herrn Klepper abtrat, der einer der führenden Produzenten wurde. Oder über den Kamenzer Horst Steudel, welcher zufälligerweise gleich nebenan an der Pulsnitzer im Dritten Reich auch Faltboot-Motoren baute.

Vor Kurzem war der Verein in Bad Tölz zu Gast, wo eine Sonderausstellung im Stadtmuseum öffnete, die sich den Pionier-Faltboot-Werken widmet. „Wir haben alle ein paar Exponate geliefert. Und anschließend sind wir die alte Isar-Regatta nachgefahren. Das Leben kann so schön sein!“

Anmeldung für die Sammlung: 0172 2811423