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Männer an der Grenze

Alle zehn Jahre wird vermessen, wo Deutschland aufhört und Tschechien beginnt. Mitunter ist das mit harter Arbeit verbunden.

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Von Jan Görner

Ganz ruhig plätschert der Grenzbach dahin. Dass hier unweit von Hermsdorf zwei Staaten aneinandergrenzen, ist nur bei genauerem Hinsehen erkennbar. Parallel zum Bachlauf ragen weiße Steine in regelmäßigen Abständen aus dem Gras. Sie weisen auf die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik hin.

Ein umgestürzter Grenzstein in der Nähe von Hermsdorf. Hinten vermisst Ulrich May die Umgebung und trägt die Koordinaten des Steins in eine Karte ein, damit er später ersetzt werden kann. Dabei assistiert ihm sein Kollege Peter Kühn. Foto: Jan Görner
Ein umgestürzter Grenzstein in der Nähe von Hermsdorf. Hinten vermisst Ulrich May die Umgebung und trägt die Koordinaten des Steins in eine Karte ein, damit er später ersetzt werden kann. Dabei assistiert ihm sein Kollege Peter Kühn. Foto: Jan Görner © Jan Görner

Auf sächsischer Seite reihen sich hochgewachsene Fichten aneinander. Unweit des Baches liegt ein bemooster Betonpfeiler auf dem Boden. Ein stiller Zeuge aus der Zeit, in der es noch gefährlich war, die Grenze einfach so zu überschreiten. Einst markierte er die DDR-Staatsgrenze.

Neuer Flusslauf, neue Grenzen

Peter Kühn und Ulrich May sind mit dem elektro-optischen Tachymeter zugange, einem Werkzeug, mit dem Entfernungen gemessen werden. Dass sie das sowohl diesseits als auch jenseits der Grenze dürfen, wäre in Zeiten des Sozialismus undenkbar gewesen. Heute darf jeder über den Bach springen, wenn er will.

Die beiden Vermessungstechniker sind im Auftrag Sachsens unterwegs. Der Freistaat übernimmt die Vermessungsarbeiten für die Bundesrepublik gemäß deren Vertrag mit der Tschechischen Republik. Der sogenannte Grenzvertrag regelt, dass die Staatsgrenze alle zehn Jahre sichtbar gemacht werden muss. Dabei gilt es, die auf dem Land verlaufende Grenze auf einer Breite von einem Meter vom Bewuchs zu befreien. Bildet ein fließendes Gewässer die Grenze, dann sind die in Ufernähe stehenden Grenzsteine freizuschneiden. Lediglich geschützte Pflanzen und Gehölze dürfen stehen bleiben.

Da sich Fluss- und Bachläufe ändern, ändert sich auch die Grenzlinie. Laut Vertrag verläuft diese in der Mitte des Gewässers. Vor Kurzem riss ein Sturm eine der Fichten auf sächsischer Seite samt Wurzeln um. Die Krone blieb auf böhmischer Seite liegen. Dabei stürzte auch einer der Grenzsteine um. Der muss wieder aufgestellt, die Fichte von der Grenze entfernt werden.

Peter Kühn und Ulrich May vermessen den Ort. Etwa 80 Meter bachabwärts liegt ein weiterer Stein im Wasser. „Er ist wahrscheinlich bei Hochwasser herausgespült worden“, sagt Barbara Wolters. Sie ist beim Referat Geodatenservice des Staatsbetriebes Geobasis-Information und Vermessung Sachsen (GeoSN) für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.

Unweit von der ersten Stelle steht ein weiterer Grenzstein schief. Diesen vermessen Peter Kühn und Ulrich May ebenfalls. Die fehlenden oder beschädigten Steine tragen sie in eine Karte ein. Sie werden später neu gesetzt. „Bei Bedarf werden sie auch neu gestrichen“, so Wolters. Sie sind leuchtend weiß, die darauf befindlichen Buchstaben, welche die Staaten abkürzen sowie ihre Nummern, dagegen schwarz. Werden Mängel oder Schäden festgestellt, werden diese laut Wolters repariert.

Diese Arbeiten fallen entlang der gesamten sächsisch-böhmischen Grenze an. Das sind insgesamt 454 Kilometer. Die deutsch-tschechische Grenzkommission hat sie in 23 Abschnitte eingeteilt. Jeder von ihnen ist zwischen 15 und 27 Kilometer lang. Sachsen betreut zwölf der Abschnitte, die Nachbarn in Tschechien elf. Peter Kühn und Ulrich May sind derzeit im Abschnitt 11 unterwegs. Er erstreckt sich auf deutscher Seite von Hermsdorf bis nach Cämmerswalde, auf tschechischer von Moldava/Moldau bis Ceský Jiretín/Georgendorf. Die Vermessungs- und Reparaturarbeiten verlaufen keineswegs zur gleichen Zeit auf allen 23 Grenzabschnitten. Die zuständige Grenzkommission hat vorher eine Reihenfolge festgelegt. „Wir können die Arbeiten nur während der Sommermonate vornehmen. Im Abschnitt 11 sind sie bis Ende des Sommers abgeschlossen.“ (FP)